Als man im Vorlesen des primitiven Geisteswerkes des alten amerikanischen Schriftstellers bis hierher gekommen war, begann ein Gewirr aufgeregter Stimmen den Bibliotheksraum anzufüllen. Schon vorher hatte wiederholt dieser oder jener der jugendlichen Raumfahrer zu erkennen gegeben, daß er diese Art der Darstellung eines ersten Treffens im Kosmos ablehnte. Jetzt brachten sie es nicht länger fertig, sich zu beherrschen, und trotz der Unhöflichkeit, die in ihrem Verhalten erblickt werden konnte, äußerten sie laut ihren Unmut. Alle wandten sich an den Kommandanten, als sei er für das altertümliche Machwerk, das er lediglich der Vergessenheit entrissen hatte, persönlich verantwortlich.
Die meisten entrüsteten sich darüber, daß zwischen der Zeit der Handlung und der seelischen Verfassung der Helden der Erzählung ein Anachronismus bestehe. Wenn die Raumschiffahrt bereits so weit fortgeschritten war, daß sich ein Raumschiff auf eine Strecke von 4000 Lichtjahren von der Erde entfernen konnte, dann mußte die Handlung auch heute noch in der Zukunft spielen. Denn bis jetzt waren so große kosmische Entfernungen nicht erreicht worden. Demgegenüber unterschied sich das Denken und Trachten der in der Erzählung auftretenden Erdmenschen jedoch in nichts von der Denkweise zur Zeit des Kapitalismus, also einer viele Jahrhunderte zurückliegenden Epoche! Weiter wendeten die aufmerksamen Zuhörer ein, daß in technischer Hinsicht eine ganze Anzahl offenkundiger Fehler und Irrtümer in der Erzählung enthalten seien. So sei es ausgeschlossen, ein Raumschiff so rasch und einfach abzubremsen, wie das geschildert sei. Ferner sei es ganz unwahrscheinlich, daß sich denkende Wesen untereinander mittels Radiowellen verständigten. Wie in der Erzählung angedeutet sei, stammten die Fremden von einem Planeten, der eine Atmosphäre von etwa der gleichen Dichte besitze, wie sie die Erdatmosphäre habe. Da sei nicht anzunehmen, daß die Fremden gehörlos seien. Schließlich sei es auch unmöglich, daß die Erdmenschen die „Sprache“ der Fremden in so kurzer Zeit und gleich so vollendet hätten entschlüsseln können, daß sofort ihre Übersetzungsmaschinen anwendbar gewesen wären.
Tei Eron wies besonders auf die engstirnige Vorstellung vom Kosmos hin, die dieses literarische Machwerk erkennen ließ. Diese Beschränktheit in der Auffassung sei um so weniger zu verstehen, als der große Wissenschaftler Ziolkowski bereits mehrere Jahrzehnte vor der Abfassung der Erzählung die Menschheit darauf aufmerksam gemacht habe, daß der Kosmos in seinem Aufbau bedeutend komplizierter sei, als man gemeinhin angenommen habe.
„Ein Umstand ist bisher noch unerwähnt geblieben“, schaltete sich plötzlich der schweigsame Jaß Tin in das Gespräch ein. „Die Erzählung ist in englischer Sprache geschrieben worden. Alle Vornamen, Beinamen und humoristischen Redewendungen lassen den englischen Ursprung erkennen. Das ist ein Umstand, der nicht übersehen werden darf! Ich habe mich aus Liebhaberei mit Sprachforschung befaßt und besonders das Werden der ersten Weltsprache studiert. Das Englische war in der Vergangenheit eine der weitestverbreiteten Sprachen. Vielleicht kam es dem Schriftsteller darauf an, dem Leser seiner Zeit gleichsam einen Spiegel vorzuhalten und ihm dadurch die Augen zu öffnen für die Erkenntnis, daß der damalige blinde Glaube an die Unerschütterlichkeit beziehungsweise an die unbegrenzte Dauer der gerade bestehenden Gesellschaftsordnung ein Irrtum und sinnlos war. Die Langsamkeit, mit der sich beispielsweise in der antiken Welt die Sklavenhaltergesellschaft oder später die Epoche des Feudalismus entwickelte, und die erzwungene Langmut, mit der die Völker des Altertums ihre Unterdrückung ertrugen, wurden fälschlicherweise vielfach als ein Anzeichen der Stabilität überhaupt aller Formen der menschlichen gesellschaftlichen Beziehungen angesehen: der Sprachen, der Religionen und vor allem der letzten spontanen Gesellschaftsordnung, des Kapitalismus. Es gab viele, die glaubten, der gefährliche Zustand der gesellschaftlichen Ungleichheit gegen Ende des Kapitalismus könne sich niemals wieder ändern. Das Englische war bereits damals ein Überbleibsel aus vergangener Zeit, denn es enthält in Wirklichkeit zwei verschiedene Sprachen, eine Schriftund eine Lautsprache. Dadurch wird es ganz ungeeignet für unsere Übersetzungsmaschinen. Es ist erstaunlich, wie der Autor nicht begreifen konnte, daß sich eine Sprache um so mehr und um so schneller verändert, je rascher die Veränderung der menschlichen Beziehungen und der Vorstellungen von der Welt vor sich geht!
Die halbvergessene antike Sprache Sanskrit erwies sich als eine Sprache, die in ihrem Aufbau äußerst klar und streng logisch ist. Deshalb wurde sie zur Grundsprache für die Übersetzungsmaschinen gemacht. Es dauerte jedoch nicht lange, da hatte sich aus ihr die erste Weltsprache unseres Planeten herausgebildet. Allerdings hat sie seit damals noch viele Veränderungen durchgemacht. Auch sind die früheren menschlichen Vornamen nicht von Bestand gewesen, die vielfach auf religiöse Überlieferungen zurückgingen oder aus ganz fremden, teilweise bereits damals toten Sprachen stammten.“
„Jaß Tin hat eine sehr wichtige Bemerkung gemacht“, mischte sich Mut Ang jetzt in die Unterhaltung ein. „Schlimmer und gefährlicher als wissenschaftliche Unkenntnis oder eine unrichtige Methode sind Trägheit und das bewußte Festhalten an solchen Formen des gesellschaftlichen Aufbaus, die sich bereits in den Augen der Zeitgenossen offensichtlich nicht bewährt haben und deshalb ungerechtfertigt sind. Abgesehen von den verhältnismäßig seltenen Fällen einfacher Unwissenheit, fand sich die Bereitschaft zur Verteidigung solcher überholter Zustände in gewissen Schichten der Bevölkerung, denen es besser als der großen Mehrheit der Menschen ging und die auf Kosten der anderen lebten. Was bedeuteten schon für sie die ganze Menschheit, das Schicksal unseres Planeten, seine Energiereserven, die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Bewohner?
Der unvernünftige Abbau der Bodenschätze, der Raubbau, der an den Wäldern getrieben wurde, die Erschöpfung des Fischreichtums der Flüsse und der Ertragsfähigkeit von Grund und Boden, die äußerst gefährlichen Versuche zur Schaffung verschiedener Arten mörderischer Atomwaffen — all das zusammengenommen war kennzeichnend für die Tätigkeit und die Weltanschauung jener, die fortwährend darum bemüht waren, daß ja alles Veraltete und längst überholte erhalten bleibe. Daß dadurch die Mehrheit der Menschen ständig litt und in ewiger Angst und Furcht lebte, kümmerte sie wenig. Besonders ein giftiges Unkraut war es damals, das sich entwickelt hatte und üppig emporschoß und das mit Schlagworten über angebliche ausschließliche Privilegien und die Überlegenheit einer Gruppe, Klasse oder Rasse von Menschen über andere alles neben sich zu verdrängen und eine Rechtfertigung für jegliche Arten von Gewalt, Mord und Krieg zu erbringen suchte — all das, was später unter der Bezeichnung ,Faschismus‘ zusammengefaßt worden ist.
Der unterdrückte Teil der Gesellschaft hat jedoch stets einen erbitterten Kampf gegen das Aufhalten der Weiterentwicklung geführt. Je stärker der Druck der bevorzugten Gruppe wurde, um so stärker wurde der Widerstand gegen sie und um so heftigere Formen nahm der Kampf an. übertragen Sie das auf den Kampf zwischen bevorrechteten und unterdrückten Ländern untereinander! Aus der Geschichte ist Ihnen der Kampf zwischen Völkern der neuen, der sozialistischen Gesellschaft und der alten, der kapitalistischen, zur Genüge bekannt. Sie werden jetzt die Ursache für die Entstehung der Kriegsideologie und der Propaganda einer angeblichen Unvermeidlichkeit von Kriegen, sei es nun auf unserem Planeten oder sogar im kosmischen Raum, begreifen. Hierin erblicke ich das Grundübel, die Wurzel alles Bösen, das Herz jener Schlange, die, wo immer man ihr begegnet, unbedingt zubeißen wird, weil sie eben ohne ihren giftigen Biß gar nicht existieren kann. Erinnern Sie sich noch, wie feindselig mit rötlichgelbem Licht jener Stern glühte, den wir passiert haben, als wir unserem Ziele zusteuerten?“