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Karil leistete der Anweisung des Kommandanten Folge.

Tei Eron versank in tiefes Nachdenken. Träge wie ein Strom in flachem Gelände flossen seine Gedanken dahin, ohne irgendeine Gemütsbewegung in ihm hervorzurufen. Es kam ihm plötzlich zum Bewußtsein, daß ihn seit dem Abflug von der Erde das eigentümliche Gefühl einer gewissen Weltentfremdung nicht mehr verlassen hatte.

Ein solches Gefühl mochte dem Menschen im Urzustand des Lebens eigentümlich gewesen sein. Es war eine Empfindung völligen Losgelöstseins, des Freiseins von allen Verpflichtungen und allen Sorgen um die Zukunft. So oder ähnlich hatten wohl früher die Menschen in Zeiten großer Not, langer Kriege oder schwerer sozialer Erschütterungen empfunden, nachdem sie das Stadium der inneren Anteilnahme an den Ereignissen bereits überwunden hatten und sich willenlos dem Schicksal in die Arme warfen. Tei Eron hatte alles Vergangene, alle Erinnerungen an das, was er auf der Erde zurückgelassen hatte, von sich abgeschüttelt, und zwar für immer und unter Verzicht auf jede Möglichkeit des Widerrufs. Zwischen der Vergangenheit, von der er sich gelöst, und der Zukunft, der er sich noch nicht zugewandt hatte, war eine Kluft von Hunderten von Jahren. Jenseits dieser Kluft lag für ihn etwas gänzlich Neues, das keine Verbindung mehr zu seinem früheren Erdendasein hätte. Er hatte in dieser Hinsicht keine Pläne, Gefühle und Wünsche., Seine Aufgabe bestand darin, die Ausbeute der Weltraumreise, all das, was man dem Kosmos abgerungen hatte, auf die Erde zu bringen, wo man sehnsüchtig darauf wartete. Deshalb behagte es ihm wenig, daß jetzt die Reise durch ein Abenteuer mit Ungewissem Ausgang unterbrochen werden sollte, daß sich etwas ereignet hatte, wodurch die Erfüllung ihres eigentlichen Auftrags in den Hintergrund gedrängt wurde.

Ganz anders geartet waren die Gedanken Mut Angs während dieser Zeit des Wartens, die für ihn eine Zeit höchster Nervenanspannung war, wenn er sich das auch nicht anmerken ließ. Der Kommandant versuchte, sich das Leben auf dem ihnen entgegenfliegenden Raumschiff vorzustellen. Er malte sich im Geiste aus, wie wohl das fremde Schiff aussähe, wie seine Besatzung beschaffen sei, was für ein Leben an Bord herrsche. Und er war der festen Meinung, daß alles ganz ähnlich sein müsse wie bei ihnen, den Erdmenschen.

Plötzlich fühlte Mut Ang, der in Gedanken versunken auf den Fußboden starrte, an der jähen Bewegung seiner Gefährten, daß auf dem Leuchtschirm des Radars ein Lichtzeichen erschienen sein mußte. Er sah aber beim Aufblicken den leuchtenden Punkt schon nicht mehr, so schnell war dieser wieder verschwunden. Die Signalglocke hatte bei dem Aufleuchten kaum angeschlagen, so kurz war es gewesen. Die Raumfahrer sprangen auf und beugten sich weit über die Pulttische vor, in dem instinktiven Bestreben, dem Leuchtschirm möglichst nahe zu sein. Wenn es sich auch nur um das flüchtige Auftauchen eines Lichtpunktes gehandelt hatte — welche gewaltige Bedeutung war in diesem Aufblitzen enthalten! Jetzt stand eindeutig fest, was man bisher nur gehofft und sehnlich gewünscht hatte: Das fremde Raumschiff hatte wirklich gewendet und war zurückgekehrt. Die Unendlichkeit des Kosmos hatte es also nicht für immer verschlungen! Damit stand auch fest, daß das fremde Schiff von Wesen gesteuert wurde, die nicht weniger geschickt und erfahren in der interstellaren Raumschiffahrt waren als die Menschen der Erde; denn sie hatten es vermocht, den Kurs des Rückfluges zur ersten Begegnungsstelle ebenso exakt und rasch festzulegen wie sie selbst, die Erdmenschen. Jetzt aber waren die fremden Raumfahrer dabei, aus einer riesigen Entfernung die „Tellur“ mit ihrem Suchstrahl abzutasten. Zwei unfaßbar kleine Pünktchen, winziger als zwei Stecknadelkuppen auf dem Erdball, die sich in einer undurchdringlichen Finsternis verloren hatten, suchten einander und hatten sich gefunden! Und andererseits verbargen sich hinter diesen Pünktchen zwei gewaltige Welten, angefüllt mit ungeheuren Energien und riesigem Wissen, und beide Welten berührten sich in diesem Augenblick über die Lichtbündel ihrer Radarstrahlen hinweg.

Karil schwenkte den Strahl des Hauptradars von Teilstrich „488“ nach Teilstrich „375“ und wiederholte dies mehrfach. Auch das helle Pünktchen tauchte auf dem Leuchtschirm wieder auf, verschwand abermals, huschte erneut über den schwarzen Spiegel, plötzlich von einem abklingenden Pfeifsignal begleitet.

Mut Ang übernahm jetzt selbst die Bedienung des Radargerätes. Er begann damit, den Radarstrahl innerhalb des Anflugraumes des sich nähernden Raumschiffes eine gewaltige Spirale beschreiben zu lassen, die von der Peripherie des riesigen in den Raum gezeichneten Kreises nach innen verlief.

Die Fremden machten offensichtlich dieses Manöver nach. Nach längerem unruhigem Hin und Her blieb das Lichtpünktchen schließlich innerhalb des dritten Ringes des schwarzen Spiegels haften. Nur die zitternden Bewegungen beider Raumschiffe ließen es noch ein wenig herumtanzen. Die Signalglocke ertönte jetzt ununterbrochen, und zwar so laut, daß sie abgedämpft werden mußte. Es war kein Zweifel mehr: Auch der Radarstrahl der „Tellur“ war von den Suchgeräten des fremden Raumschiffes eingefangen worden, und beide Schiffe flogen nun direkt aufeinander zu, wobei sie sich in der Stunde um 400 000 Kilometer näherten.

Tei Eron entnahm der Rechenmaschine die von ihr ermittelten Ergebnisse und stellte fest, daß zwischen den beiden Raumschiffen eine Entfernung von ungefähr 3 Millionen Kilometern lag. Es würde also bei gleichbleibender Geschwindigkeit noch sieben Stunden bis zum Zusammentreffen der beiden Schiffe dauern. In einer Stunde konnte mit der Totalbremsung begonnen werden, wodurch die Begegnung noch einige Stunden hinausgeschoben werden würde, sofern das fremde Raumschiff ebenfalls zur Bremsung schritt und dabei mit ähnlichen Werten arbeitete. Sonst wäre es nicht ausgeschlossen, daß man abermals aneinander vorüberraste und die Begegnung wiederum in weite Ferne gerückt würde.

Einige Zeit später setzte das fremde Raumschiff weit kräftiger eis die „Tellur“ zur Geschwindigkeitsabbremsung an und wiederholte das Bremsmanöver nochmals, nachdem es die Verlangsamung des Fluges bei dem Erdschiff festgestellt hatte. In stark verminderter Geschwindigkeit kamen sich beide Schiffe näher und naher. Die Besatzung der „Tellur“ war jetzt geschlossen in der Kommandozentrale versammelt, und die Raumfahrer verfolgten in dem schwarzen Radarspiegel das Anwachsen des Lichtpünktchens zu einem leuchtenden Fleck.

Das waren die Radarstrahlen der „Tellur“, die auf den fremden Schiffskörper aufprallten, dort reflektiert wurden und zur Ausgangsstelle zurückkehrten. Der Fleck nahm nach und nach die Gestalt eines winzigen, von einer dicken Walze umgebenen Zylinders an — eine Form, die auch nicht entfernt an jene der „Tellur“ erinnerte. Nach noch weiterer Annäherung konnte man deutlich an den beiden Enden des Zylinders kuppelartige Auswölbungen erkennen.

Die glänzenden Umrisse wurden größer und größer, bis sie schließlich, nachdem sie den Rand der großen schwarzen Scheibe erreicht hatten, undeutlich wurden und zerflossen.

Nun gab Mut Ang mit fester Stimme seine Anweisung: „Alles die Plätze einnehmen! Endphase der Bremsung!“

Tief wurden die Menschen in die Sessel hineingepreßt, es wurde ihnen rot und schwarz vor Augen, kalter Schweiß bedeckte ihre Gesichter.

Der Flug der „Tellur“ hatte aufgehört. Ohne Eigenbewegung hing sie im luftleeren Raum, wo es kein „oben“ oder „unten“, kein „rechts“ oder „links“ gab, umgeben von der eisigen Nacht der kosmischen Unendlichkeit, über 100 Parsec von ihrem Heimatstern entfernt — der gelblich schimmernden Sonne! Sofort nachdem die Raumfahrer wieder zur Besinnung gekommen waren, schalteten sie die Leuchtschirme des direkten Sehfeldes und den riesigen Lichtstrahler ein, aber es war nichts zu sehen außer einem scharf abgegrenzten Nebelschimmer vor ihnen, ziemlich weit links von der Schiffsnase aus. Als der Strahler wieder ausgeschaltet war, schlug den Beobachtern aus dem Leuchtschirm plötzlich ein so starkes hellblaues Licht entgegen, daß ihnen jede Möglichkeit genommen war, irgend etwas zu erkennen.