Das Lächeln auf Als Gesicht jagte Tommy noch größere Angst ein als das von Winchester. Es war ein Wahnsinn darin zu erkennen, der vorher nicht da gewesen war.
„Du hättest mir nur mehr Autorität verleihen sollen“, sagte Albert grimmig. „Darum habe ich diese drei Idioten umgebracht – Hsu, Li und Lao. Und diese beiden hier.“ Dann wandte er sich zu Mike um, der immer noch halb benommen auf dem Boden lag.
„Und ihn.“
„Keiner von denen hätte dir helfen können. Ich hätte dir helfen können. Jetzt werde ich nur mir selbst helfen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich das Herz des Drachen wieder erwecken kann, werde ich der mächtigste Mann in Chinatown sein.“
Tommy blickte Al genauso verächtlich an, wie der Alte ihn immer ansah.
„Du glaubst, dass du etwas Besseres bist als ich. Aber du bist nur ein Narr, der Glück hatte.“
„Und ich werde gleich noch mehr Glück haben.“
Das Letzte, was Tommy Shin jemals hörte, war der Knall, mit dem sich eine Kugel auf den Weg in sein Gehirn begab.
Achtzehn
Als Nakadai der Tod durch die Hand des Dämons ereilt hatte, war das unvorstellbar schmerzhaft gewesen. Als die Flammen wüteten, ihm das Fleisch von den Knochen brannten und das Leben aus seinem Körper trieben, wusste er, dass der Dämon noch weitaus mehr mit ihm vorhatte, als eine friedliche Stadt in einen blutrünstigen Mob zu verwandeln.
Die Intensität des Schmerzes ließ ihn irgendwann ohnmächtig werden – zum letzten Mal, betete er. Als der Schmerz erst einmal vergangen war, gab es nichts, das ihn ersetzen konnte. Alles war einfach ein großes Nichts. Für eine Millisekunde glaubte Nakadai, dass er endlich den Frieden gefunden hatte, den er seit jenen dunklen Tagen suchte, in denen sein Meister in Ungnade gefallen war.
Dieser Moment der Hoffnung war flüchtig.
Die Feuer, die ihn getötet hatten, kehrten zurück. Obwohl er ihre Hitze und zerstörerische Kraft nicht spürte, brachten sie ihn zurück ins Land der Lebenden.
Als er dort ankam, stand eine alte, runzlige Frau vor ihm.
„Ich bin Miko“, hatte sie gesagt. „Du bist mein Großonkel. Und du wirst tun, was ich sage.“ Sie hielt ein Hakenschwert in den Händen, in das die Runen „Durchstoße das Herz des Drachen“ eingraviert waren.
So sehr er es auch versuchte, Nakadai konnte nicht sprechen. Nicht einmal, um sich zu vergewissern, dass dieses verwitterte Weib ein Nachkomme seines pummeligen zweijährigen Neffen war, den er noch zu Lebzeiten kennengelernt hatte. Außerdem konnte er seinen Körper nicht kontrollieren.
Durch den Schleier der Flammen erzählte die Frau, die sich Miko nannte, dass sie den Zauberspruch kannte, mit dem der Dämon ihn verbannt hatte. Die Macht ihres Geburtsrechts erlaubte ihr, den Vorfahren zurück ins Land der Lebenden zu rufen.
Sie sprach von Ausländern, die kurz nach Nakadais Tod an ihre Küsten gekommen waren, und davon, wie ihr schlechtes Wesen Japan korrumpiert hatte. Sie erzählte ihm von ihrer Tochter, die einen Chinesen geheiratet hatte. Sie war über den Ozean in die Vereinigten Staaten gegangen und hatte einen Sohn geboren.
Das war die letzte Demütigung gewesen und hatte Miko zum Handeln gezwungen. Sie hatte ihre Tochter enterbt und ihr den Kontakt zur Familie verwehrt. Sie hatte die Familiengeschichte durchforscht, um etwas zu finden, dass ihr die Macht verleihen konnte, der Korruption ein Ende zu machen. Dabei hatte sie von Nakadai erfahren.
Sie hatte Meister des Okkulten aufgesucht und ihre Künste studiert. Sie hatten ihr geholfen, einen Gegenzauber zu schaffen, der ihn auf die Erde zurückbrachte und in eine Waffe verwandelte. Aber sie kannte die Gefahren, die in allem Bösen lauerten, und so hatte sie das Schwert schmieden lassen.
Es war als Sicherheit gedacht, falls der Dämon zurückkehrte und versuchte, die Kontrolle zurückzuerlangen.
„Und jetzt wirst du mir helfen, das Land von der verfluchten Plage aus dem Westen zu befreien“, hatte die alte Frau gesagt und er merkte, dass ihr Geist längst dem Wahnsinn Platz gemacht hatte. „Zusammen werden wir Japan zurück in seine noble Glanzzeit führen.“
Aber die Jahre hatten sowohl an ihrem Körper als auch an ihrem Geist gezehrt, und bevor Nakadai eine von Mikos Aufgaben erledigen konnte, ergab sie sich ihrem hohen Alter und starb.
Er fiel zurück in glückselige Vergessenheit, bis zu dem Tag, an dem ihr Großenkel, Albert Chao, den gleichen Zauber nutzte. Das war das Halbblut, das Miko so in Rage versetzt hatte. Unter seinem Einfluss musste er armselige Rachefantasien ausführen, bis er glücklicherweise durch die Hand einer Frau aus dem Westen erneut gebannt wurde.
Als er zwanig Jahreszeiten später wieder zurückkehrte, war er wieder in den Händen von Albert Chao. Sein Nachkomme war weniger armselig, hatte aber immer noch eine gemeine Ader. Nur Mikos Schwert – das aus irgendeinem Grund von einem Ausländer geführt wurde – hielt ihn davon ab, noch mehr Schaden anzurichten.
Erneut entschwebte er in die Leere und hoffte, dass es diesmal für immer sein würde. Aber er wusste selbst nur zu gut, dass der Dämon das niemals zulassen würde.
* * *
Dean stand zwischen einem zappligen Sammy und einem geduldigen Onkel Bobby an der Gepäckausgabe des Flughafens von Sioux Falls.
Jedes Mal, wenn jemand durch die Tür kam, schlug sein kleines, zehnjähriges Herz etwas schneller. Und immer, wenn es nicht Dad war, war er ernüchtert.
Er wollte nur, dass Dad sicher nach Hause kam. Der Teil mit ‚sicher‘, das wusste er, war schon einmal der Fall.
Dad hatte Onkel Bobby letzte Nacht angerufen, als Dean eigentlich schon im Bett sein sollte. Aber anders als Sammy konnte er nicht schlafen. Als das Telefon klingelte, hatte er sich leise aus dem Bett zum Treppenabsatz geschlichen. Dann hatte er zugehört, was Onkel Bobby am Telefon in der Küche sagte.
„Gut … Ja, okay.“ Es gab eine Pause, während John am anderen Ende der Leitung sprach. „Ja, ich dachte mir schon, dass Wallace sein Geschäft versteht. Was? … Oh, ja, sicher. Das ist sinnvoll. Nun, schick das Schwert mit der Post. Du willst das Teil bestimmt nicht durch den Metalldetektor mitnehmen und den Volltrotteln, die sich um das Sperrgepäck kümmern, würde ich auch nicht trauen. Da hätten wir Glück, wenn das verdammte Ding nicht aus Versehen in der äußeren Mongolei landen würde.“
„Lass das einfach über mein FedEx-Konto laufen, um Himmels willen … In Ordnung. Ich packe es weg, wenn es ankommt. Falls wir es in zwanzig Jahren noch einmal brauchen. Ja, wir holen dich vom Flughafen ab – ich bringe sogar den Impala mit. Er läuft jetzt schön rund, brauchte nur ’nen Ölwechsel und musste ein bisschen eingestellt werden.“
„Was? … Ja, ich sagte ‚wir‘. Ich bringe die Jungs mit. Sie freuen sich auf dich … Warum sollte ich sie nicht mitbringen … Gut …“
„Okay, bis dann, John.“
Nachdem er das Piepen gehört hatte, als Onkel Bobby den Hörer auflegte, war Dean glücklich gewesen. Dad war am Leben – und so wie er mit Onkel Bobby geredet hatte, genauso störrisch wie immer.
Das bedeutete, es ging ihm gut.
Als er am Flughafen wartete, verstand er, warum es für Dad so wichtig war, viel unterwegs zu sein. Mehr als Sammy es jemals konnte. Sammy hatte Mom nicht richtig gekannt, er war noch ein Baby gewesen, als sie starb. Dean konnte sich nicht vorstellen, dass sein kleiner Bruder jemals verstehen konnte, was mit ihr passiert war.
Wenn er ehrlich war, verstand er es selbst nicht so ganz. Es gab Tage – auch wenn er das gegenüber niemandem zugeben wollte –, an denen er sich nicht mal mehr erinnern konnte, wie sie aussah.
Irgendein Monster hatte Mom umgebracht und Dad würde nicht ruhen, bis er es gefunden und erledigt hatte. Nebenbei tötete er andere Monster, die die Mütter von anderen Kindern umgebracht hatten.