Castiel schüttelte den Kopf.
„Sehr gut. Sam hat die beiden vorherigen Manifestationen des Herzens des Drachen recherchiert.“
Dean bog rechts ab und man konnte den Singer-Schrottplatz sehen. Bobby wird es nicht gefallen, Cass hier zu sehen, dachte er verbissen. Und als hätte der Engel seine Gedanken gelesen, sah er Castiel leicht zusammenzucken.
„Alles klar, Cass?“
Castiel schluckte und räusperte sich.
„Bobby mag es nicht, wenn ich bei ihm zu Hause bin. Er ist immer noch sehr … wütend über seinen Zustand und meine Unfähigkeit, ihn zu heilen. Ich glaube nicht, dass er mich sehen will.“
„Cass, ich bin sicher, er wird sich daran …“
„Ich überlasse euch jetzt euch selbst“, unterbrach ihn Castiel und verschwand.
Plötzlich wünschte sich Dean, er hätte einen Drink, aber er schüttelte den Kopf und fuhr weiter.
In einem Moment war Castiel da, im nächsten wieder nicht. Egal, wie oft das passierte, er fand es noch immer verstörend. Deshalb wollte er keinesfalls mit dabei sein. Nicht, wenn es kein absoluter Notfall war. Es hatte sich bewährt, um von Zachariah wegzukommen.
In diesen Fall nicht.
Er bog in die Einfahrt ein und parkte den Impala neben einem Schrottauto, an dem Bobby vor seiner Verletzung gearbeitet hatte. Seither stand es unberührt da. Es war immer noch eine offene Frage, ob er je wieder würde laufen können. Auch wenn es immer noch möglich war, einen Schrottplatz vom Rollstuhl aus zu betreiben, wusste Dean, dass Bobby nicht gerade glücklich darüber war.
Kann ihm deswegen keinen Vorwurf machen.
Und wenn die vier die Welt nicht davor retten konnten, in Flammen aufzugehen, dann war das auch egal.
Drinnen saß Sam mit einem dampfenden Becher Kaffee am Küchentisch. Ein Blick zur Kaffeemaschine sagte Dean, dass gerade eine frische Runde gemacht wurde und die Kanne fast voll war.
„Hey“, sagte Sam ohne von den Papierbergen aufzusehen, die er durchsah. Sie kamen wahrscheinlich alle gerade frisch aus Bobbys Laserdrucker. „Wie ist es gelaufen?“
„Nun, Sprit, Essen und Unterkunft werden für eine Weile kein Problem sein“, antwortete er und ging zur Anrichte herüber. „Cass hat mir von der Frisco-Sache erzählt.“
Nickend blickte Sam jetzt hoch.
„Ja, basierend auf dem, was er mir erzählt hat, habe ich mal nachgeschaut. Dieser Geist ist im Dezember 1969 erschienen und erneut im Dezember 1989.“
„Alle zwanzig Jahre also? Dann ist es keine Überraschung, dass er zurück ist“, sagte Dean, nahm sich einen Becher von Bobbys Spüle und schenkte sich einen Kaffee ein. „Cass hat gesagt, dass es kein richtiger Drache ist.“
„Nun, ich bin mir da nicht so sicher“, sagte Sam und reichte ihm einige Papiere. „Wir haben aufgeschlitzte Leichen und welche, die kross gebraten wurden.“
„Ja, aber Drachen?“, fragte Dean und nahm die Papiere.
„Ich meine, komm schon! Das stammt doch direkt aus einem Märchen.“
„Dean, du warst in der Hölle, ich habe die Apokalypse ausgelöst und wir sollten eigentlich von einem Erzengel und dem Teufel besessen sein. Und jetzt wirst du skeptisch?“
„Ja, eigentlich …“ Dean blickte auf den Ausdruck, der oben auf dem Stapel lag.
Dann zündete der Gedanke.
„Verdammterschweinehund …“
Sam runzelte die Stirn.
„Was?“
Dean hielt seinem Bruder den Ausdruck unter die Nase. Es war die Kopie eines Artikels des San Francisco Chronicle von 1969, mit allen Fotografien. Er zeigte mit dem Finger auf jemanden, der bei den Aufnahmen in der Menge stand.
„Schau dir den Kerl an.“
Sam kniff die Augen zusammen.
„Ich kann ihn nicht …“ Dann sah er näher hin. „Sorry, ich erkenne ihn nicht.“
„Oh. Nein, das dachte ich auch nicht.“ Dean nahm den Ausdruck und begann zu lesen. Die Geschichte handelte zur Hälfte von einem Pärchen, das in der Nähe des Winterland Ballroom ums Leben gekommen war – dort hatten in den sechziger und siebziger Jahren große Konzerte stattgefunden. Und die Person, auf die er gezeigt hatte, war ein glatzköpfiger Mann mit einem sehr düsteren Gesichtsausdruck.
Dean hatte das Gesicht an zwei Wendepunkten seines Lebens gesehen. Einmal als Kind, als Bilder von ihm die Wände ihres Hauses in Lawrence, Kansas geziert hatten. Diese Bilder wurden vernichtet, als ihr Haus während des Angriffs des Dämons Azazel 1983 Feuer gefangen hatte. Mary, die Mutter von Dean und Sam, war dabei umgekommen. Sam, der zu dieser Zeit erst sechs Monate alt war, konnte sich natürlich nicht an die Bilder erinnern.
Das zweite Mal war vor einem Jahr gewesen, als Castiel Dean ins Jahr 1973 zurückgeschickt hatte und er Samuel und Deanna Campbell und ihre Tochter Mary kennengelernt hatte, seine Großeltern und seine Mutter. Zu Deans großem Entsetzen waren sie ebenfalls Jäger gewesen. Die Campbell-Eltern wurden 73 von Azazel getötet.
Der glatzköpfige Mann war Samuel Campbell – sein Großvater. Und anscheinend waren sie auf einer der Familienjagden der Campbells hinter dem Herzen des Drachen her gewesen.
1969
Drei
Moondoggy fand die ganze Sache vollkommen uncool.
Es hatte so wie immer angefangen: Moondoggy brauchte Geld für Gras. Das war nichts Ungewöhnliches, weil Moondoggy Schwierigkeiten damit hatte, sich eine einträgliche Anstellung zu sichern. Dealer dagegen hatten damit Schwierigkeiten, ihm Gras zu verkaufen, wenn er nicht dafür zahlen konnte.
Das war nicht fair, er wollte ja arbeiten. Michael James Verlander hatte beschlossen sich ‚Moondoggy‘ zu nennen, nachdem er zu kiffen begonnen hatte und vor sechs Jahren nach San Francisco gezogen war. Er fand nur diese ganze ‚Anweisungen ausführen‘-Szene nicht so hip. Das hatte seine Karriere als Roadie aus der Bahn geworfen. Er war sogar gut gewesen und hatte für Dead, Ten Years After und ein paar andere gearbeitet.
In letzter Zeit aber bekam er nicht mehr so viele Gigs.
Aber in einem war Moondoggy schon immer gut gewesen – im Finden von Sachen.
Als Albert Chao sich eines Nachts in der Bar an seinen Tisch setzte und ihm erzählte, dass er nach einem Papier suche, das zu einem Zauberspruch gehöre, war er dabei. Seine Ex war Kellnerin in dieser Bar und Albert war Stammgast.
Moondoggy kannte ein paar Leute, die mit dieser Art von unheimlichem Zeug arbeiteten. Albert versprach einen ganzen Batzen Kohle und das bedeutete, dass Moondoggy wieder mehr Gras kaufen konnte.
Zuerst ging er zu dem Head-Shop in Haight-Ashbury, wo Ziggy seine Comics verkaufte. Ziggy war die ganze Zeit auf der Jagd nach irgendwelchem freakigen Zeug, bis zu seiner Beinverletzung. Jetzt lief er auf Krücken und schrieb und zeichnete Comics über einen Typen, der Monster jagte.
Moondoggy kaufte sich einen seiner Comics und im Austausch dafür nannte ihm Ziggy den Namen eines Kerls in der Tenderloin Street. Der Tenderloin-Typ sagte ihm im Austausch für den Comic einen weiteren Namen. Das kam Moondoggy gelegen, weil er Ziggys Comics hasste und ihn sowieso weggeworfen hätte.
Dann stieß er auf Schwierigkeiten.
Der Tenderloin-Typ hatte ihn zu ’ner Braut namens Sunflower zurück in die Haight Street geschickt, die nach echt gutem LSD suchte. Ihr üblicher Dealer war von den Bullen hopsgenommen worden und ihre anderen hatten nur Stoff, der schon durch zu viele Hände gewandert war.
Das war aber nicht die Schwierigkeit. Moondoggy schlug sich nie mit Acid herum – dem Zeug, das deinen Geist erweitern sollte. Er zog es eher vor, seinen zu betäuben. Aber er wusste, wo man das beste LSD der Bay Area bekam. Im Austausch dafür, dass er Sunflower dem Acid-King vorstellte, konnte Moondoggy sich endlich das Zauberspruchfragment für Albert Chao sichern.