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Statt einer Antwort hob Lassar die Linke und machte erneut diese rasche, flatternde Geste.

Dicht hinter Gwenderon klirrte Metall. Der Waffenmeister drehte sich herum, hob instinktiv sein Schwert – und sah, wie der Krieger, den er gerade niedergeschlagen hatte, mit langsackmen, umständlichen Bewegungen wieder auf die Füße kam. Sein Helm war zerschmettert, aber hinter dem furchtbaren Riss war nur wogende Schwärze, kein Fleisch und kein Blut.

Es ist tot, glaubte er Gessets Worte noch einmal zu hören. Es lebt nicht, Gwenderon.

Und plötzlich begriff er, wie Recht der Raett mit seinem ungläubigen Ausruf gehabt hatte. Wie sollte er einen Gegner töckten, der nie gelebt hatte?

Der Krieger hob seinen Schild auf, bückte sich nach dem Morgenstern und kam mit wiegenden Schritten näher. Gwenderon wich ein Stück vor ihm zurück, wechselte das Schwert von der Rechten in die Linke und hob die Hand. Gesset sprengte heran, reichte ihm den kleinen runden Schild, den er am Sattel getragen hatte, und entfernte sich wieder. Gwenderon dankte im Stillen den Göttern dafür, dass der Raett instinktiv das Richtige erkannt hatte und nicht versuchte, neben ihm gegen Lassars Krieger zu kämpfen.

Langsam begannen sich die beiden ungleichen Gegner zu umkreisen. Der Morgenstern des Riesen wirbelte wie ein schwarzes Todesrad über seinem Helm, aber er hatte aus seicknem Fehler gelernt und griff nun nicht mehr mit ungestümer Wut an, sondern beschränkte sich darauf, Gwenderon vor sich herzutreiben und auf eine Gelegenheit zu warten, einen entscheidenden Hieb anbringen zu können. Immer wieder zuckte sein Morgenstern herunter und immer wieder riss er die Kette mit der stachelbewehrten Kugel zurück, ehe sie Gwenderon wirklich erreichte.

Er spielt mit mir, dachte Gwenderon. Dieser Kampf war nichts als ein böses, zynisches Spiel, dessen Anblick Lassar für die Niederlagen entschädigen mochte, die er ihm beigebracht hatte.

Wieder sauste der Morgenstern herab, aber diesmal wich ihm Gwenderon nicht aus, sondern duckte sich im letzten Moment unter der tödlichen Stahlkugel hindurch, schlug mit dem Schild nach dem Waffenarm des Riesen und stieß gleichzeitig nach seiner Kehle. Sein Schwert schrammte über den Rand des riecksigen schwarzen Schildes, wurde abgelenkt und traf das Visier des Giganten.

Mit einem hässlichen Knirschen bohrte sich die Klinge durch den fingerbreiten Sehschlitz, glitt ohne fühlbaren Widerstand durch den Helm hindurch und brach dicht über seinem Scheitel wieder hervor.

Der Gigant taumelte, beugte sich wie ein stürzender Baum nach vorne, ließ Schild und Morgenstern fallen und griff nach der Klinge. Gwenderon schrie vor Schrecken auf, packte den Schwertgriff mit beiden Händen und zerrte mit aller Macht daran, aber die Waffe hatte sich im geborstenen Helm des Riecksen verkeilt; er bekam sie nicht frei.

Ein Tritt traf sein Knie und schien sein Bein zu spalten. Gwenderon keuchte, fiel nach hinten und rollte sich im letzten Moment zur Seite, als der Riese über ihm zusammenbrach.

Diesmal dauerte es nur Sekunden, bis sich die schwarze Gestalt wieder zu bewegen begann. Gwenderon hatte sich kaum auf Hände und Knie hochgestemmt und seine Benommenheit abgeschüttelt, als Lassars Krieger auch schon wieder aufstand, langsamer als das erste Mal und mit ungeschickteren, noch trägeren Bewegungen, aber unaufhaltsam. Fast gemächlich zog er das Schwert aus seinem Helm, warf es Gwenderon vor die Füße und wandte sich um, um abermals Schild und Morgenstern aufzuheben.

»Du Teufel!«, zischte Gesset. Gwenderon blickte erschrocken hoch und sah, dass der Raett sein Pferd herumgezwungen hatte und bis auf Armeslänge an Lassar herangeritten war. Seine Rechte umklammerte das Schwert, das er aus dem Gürtel gezogen hatte.

»Wie lange willst du dieses grausame Spiel noch treiben?«, schrie der Raett. »Wenn du uns töten willst, dann tu es – aber quäle ihn nicht noch. Dieser Kampf ist nicht fair!«

Lassar bedachte ihn mit einem gelangweilten Blick. »Ich hackbe niemals behauptet fair zu sein«, sagte er. »Du solltest deine Kräfte schonen, Rattengesicht. Du wirst sie noch brauchen.«

Gesset keuchte vor Wut, riss sein Schwert hoch über den Kopf und schlug nach Lassar.

Gwenderons Schrei kam zu spät. Lassar zuckte nicht einmal mit einer Wimper, aber der Schattenkrieger, der sich bisher so plump bewegt hatte, schien plötzlich zu einem wirbelnden Schemen zu werden. Schneller, als Gwenderons Auge der Beckwegung folgen konnte, rühr er herum, sprang auf Gesset zu und fing das Schwert mit der bloßen Hand auf. Sein gepanzerter Handschuh zerbarst unter der Wucht des Hiebes, aber er war ein Wesen, das keinen Schmerz kannte. Seine Finger schlossen sich um das Schwert und zerbrachen es, als wäre es aus Glas; gleichzeitig holte er mit dem linken Arm zu einem gewaltigen Hieb aus und schlug Gesset aus dem Sattel.

Der Raett kreischte, überschlug sich zwei-, dreimal in der Luft, prallte Meter entfernt mit vernichtender Wucht auf den Boden und blieb wimmernd liegen.

Lassar schürzte die Lippen. »Schade«, sagte er bedauernd. »Das ging beinahe zu schnell. Ich hoffe doch, dass Ihr mir die Freude bereitet, Euch tapferer zu schlagen, Gwenderon.« Dackmit hob er die Hand und bedeutete seinem Krieger, sich erneut dem Waffenmeister zuzuwenden.

Gwenderon schluckte krampfhaft. In seinem Mund war ein bitterer Geschmack und er begann jede Stunde der Ruhe, um die er seinen Körper während der letzten Tage betrogen hatte, schmerzhaft zu vermissen. Für einen ganz kurzen Moment war er versucht, einfach aufzugeben und auf den Tod zu warten. Aber dann nahm er sein Schwert auf, überzeugte sich mit einem raschen Blick vom festen Sitz seines Schildes und wich Schritt für Schritt vor dem näher kommenden Schattenkrieger zurück. Etwas in seinen Bewegungen hatte sich verändert. Gwenderon vermochte nicht genau zu sagen, was es war – aber er spürte, dass es diesmal ernst war. Die beiden ersten Angriffe waren wenig mehr als, ein Spiel gewesen.

Diesmal würde ihn der Krieger töten.

Schritt für Schritt wich Gwenderon vor Lassar und dem schweigenden Giganten zurück. Der Riese hatte seinen Schild nicht mehr aufgenommen, sondern trug nur noch den Morgenstern. Gwenderon verfolgte die pendelnde Bewegung der tödlichen Stahlkugel gebannt. Der Gigant wechselte die Waffe ein paar Mal von der Rechten in die Linke und wieder zurück, und jedes Mal wurde der Rhythmus, in dem die Kugel schwang, schneller, seine Bewegungen fließender. Wie eine Maschine, dachte Gwenderon schaudernd, die umso perfekter funktionierte, je länger sie sich bewegte.

Plötzlich sprang der Gigant vor, schlug nach Gwenderons Kopf und versuchte gleichzeitig, nach seinem Bein zu treten, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gwenderon duckte sich unter dem Schlag weg, schlug mit dem Schwert nach dem Knie des Angreifers und zerschmetterte seinen Beinschutz. Der Gigant taumelte, fing sich aber sofort wieder und griff mit der freien Hand nach Gwenderons Kehle. Seine Finger schnappten wie die Zähne einer Bärenfalle zu, verfehlten Gwenderons Hals um Millimeter und rissen ein handgroßes Stück Leder aus seicknem Wams. Gwenderon keuchte, kam aus dem Gleichgewicht und schlüpfte im letzten Moment unter der abermals zupackenden Klaue des Riesen hindurch, verlor aber dabei endgültig die Balance und fiel auf ein Knie hinab. Sofort wirbelte er herum und hoch, aber diesmal war seine Bewegung nicht schnell genug.

Er sah den Morgenstern im letzten Moment heranrasen, riss den Schild in die Höhe und wusste, dass er zu langsam reagiert hatte, bevor ihn die kindskopfgroße Stahlkugel traf und seine Rippen brach.

Der Schmerz war unbeschreiblich. Gwenderons Lungen schienen zu explodieren. Er spürte kaum, wie er von den Füßen gerissen und wie eine Puppe vier, fünf Schritte weit davongeschleudert wurde. Sein ganzer Körper war Schmerz, ein unckbeschreiblich grauenvoller, pulsierender Schmerz, dem eine noch schlimmere, tödliche Lähmung folgte. Er fiel, überschlug sich ein halbes Dutzend Mal und prallte gegen etwas Weiches, Warmes, das seinen Sturz bremste. Er wollte atmen, aber es ging nicht; er bekam keine Luft mehr und hatte nur noch Blut im Mund, konnte nicht einmal mehr schreien oder irgendetwas tun, um seiner Qual Ausdruck zu verleihen. Warmes Blut lief an seiner Seite herunter und tränkte sein Wams und seine Hose.