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Trotzdem war es reines Glück, das ihm das Leben rettete.

Der Angriff kam so schnell, dass seine Augen die Bewegung kaum wahrnahmen. Der Krieger sprang nicht aus der Dunkelckheit oder aus den Schatten hervor, sondern war einfach da, von einem Sekundenbruchteil zum anderen: ein Riese in einer dunkel schimmernden Eisenrüstung, gut zwei Köpfe größer als Cavin und mit Schild und Dolch bewaffnet.

Und einem Morgenstern, dessen stachelbewehrte Kugel im gleichen Augenblick nach Cavins Schädel schlug.

Der junge König duckte sich, verlor auf den schmalen Stufen den Halt und torkelte rücklings die Treppe hinunter; halb gegen die Wand gestützt, halb fallend. Dort, wo er eine halbe Sekunde zuvor noch gestanden hatte, krachte die Eisenkugel des Morgensterns gegen die Wand, riss Funken und kleine scharfkantige Splitter aus dem Stein und zuckte wie eine angreifende Schlange zurück.

Cavin torkelte weiter, stolperte über den Toten, der am Fuße der Treppe lag, stürzte zu Boden und rollte sich instinktiv zur Seite, als der Gigant nachsetzte und mit seiner fürchterlichen Waffe nach ihm schlug.

Mit einem verzweifelten Satz kam Cavin wieder auf die Fückße, brachte sich mit einem fast grotesk anmutenden Sprung in Sicherheit, als die Eisenkugel schon wieder nach ihm schlug, und hieb blindlings zurück. Sein Schwert prallte am hochgerissenen Schild des Kriegers ab, aber der Hieb brachte den Angreifer aus der Balance. Er torkelte, fiel, von der Wucht seines eigenen Schlages nach vorne gerissen, gegen die Wand. Aber als Cavin mit hoch erhobenem Schwert auf ihn eindrang, war er bereits wieder auf den Beinen und herum, fing den Schlag mit dem Stiel seines Morgensterns auf und schlug Cavin gleichzeitig die Kante seines Schildes gegen den Hals.

Cavin stürzte, ließ seine Waffe fallen, schlug beide Hände gegen die Kehle und rang verzweifelt nach Atem. Der Schlag war nicht sehr heftig gewesen, aber er bekam keine Luft mehr. Vor seinen Augen begannen blutige Schleier einen irren Veitckstanz aufzuführen; er krümmte sich, sah den Angreifer wie einen eisernen Todesengel über sich auftürmen und seine Waffe mit beiden Händen schwingen und trat nach seinen Beinen.

Der Riese wich instinktiv aus, prallte aber gegen die Wand und verlor für einen Moment die Balance. Cavin stemmte sich hoch, rang würgend um Atem und versuchte die Waffe zu heckben, aber das Schwert schien plötzlich Zentner zu wiegen. Er hatte die Klinge noch nicht halb erhoben, als der Fremde schon wieder angriff.

Cavin setzte alles auf eine Karte. Er ignorierte den rasenden Morgenstern, tauchte unter der Kugel hindurch und warf sich mit der Schulter gegen den vorgereckten Schild des Riesen. Gleichzeitig schrammte sein Schwert über den Brustpanzer des Angreifers, fand eine kaum fingernagelbreite Lücke in der mattschwarzen Eisenpanzerung und stieß hindurch.

Der Fremde schrie auf, schleuderte Cavin mit einem Schildckstoß zu Boden und krümmte sich. Der Schild entglitt seinen Händen, und aus dem Brustteil seiner Rüstung drang dunkelrocktes Blut. Die Wunde war sicher nicht gefährlich genug ihn sofort zu töten, aber die Ablenkung reichte Cavin, den Kampf endgültig zu entscheiden. Er schlug die Waffenhand des Fremckden beiseite, warf sich mit weit ausgebreiteten Armen nach vorn, umklammerte die Beine des Kriegers mit beiden Armen – und brachte ihn mit einem entschlossenen Ruck zu Fall. Wie ein stürzender Baum kippte der Riese nach hinten. Sein Helm prallte dröhnend auf die unterste Treppenstufe. Ein dumpfer, knirschender Laut drang unter dem geschwärzten Eisen hervor, dann öffneten sich die gepanzerten Fäuste des Riesen und seine Bewegungen erstarben.

Länger als eine Minute blieb Cavin stöhnend auf den Knien gekauert. Dunkle Bewusstlosigkeit wollte seine Gedanken verckschleiern; sein Herz hämmerte so heftig, dass er jeden Schlag wie einen schmerzhaften Hieb bis in die Fingerspitzen zu fühlen glaubte, aber er drängte den Schmerz zurück, zwang sich mit verzweifelter Kraft, mühsam ein- und auszuatmen, und stemmte sich schließlich torkelnd wieder auf die Beine. In seicknen Ohren rauschte das Blut, und als er sich nach seinem Schwert bückte, wurde ihm erneut schwindlig. Die Treppe und der Korridor schienen vor seinem Blick zu verschwimmen. Er sah nur noch Schemen und blutiges Rot.

Dann drangen Geräusche durch den immer dichter werdenden Schleier, und irgendetwas war an diesen Lauten, das ihm neue Kraft gab. Er fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht, um die Tränen aus seinen Augen zu wischen, ergriff sein Schwert und begann, halbwegs gegen die Wand gestützt und noch immer gegen Übelkeit und Schwäche ankämpfend, die gewundene Treppe hinunterzutaumeln. Der Lärm, der ihm entgegenschlug, wurde stärker.

Aber es dauerte lange, bis Cavin begriff, dass er Kampflärm hörte.

Wie von Sinnen rannte er los.

26

Der Kampf war vorbei, als er die Halle erreichte. Im ersten Moment war er geblendet, denn das grellrote Licht der Flammen verwandelte das Tor in ein Rechteck von unerträglicher Helligkeit. Aber er hörte Schreie und das Klirren von Stahl, Laute, die ihm nur zu vertraut waren. Dann erkannte er Schatten, die miteinander rangen. Instinktiv hob Cavin sein Schwert und hieb nach einer riesigen Gestalt, die mit erhobener Waffe auf ihn zutorkelte, traf aber nicht und kam auch nicht zu einem zweiten Hieb, denn der Mann taumelte weiter, und Cavin sah erst jetzt die beiden Pfeile, die aus seinem Rücken ragten.

Die Halle hatte sich in ein Chaos verwandelt. Überall lagen Tote und Verwundete, die meisten davon Lassars Männer, denn die Angreifer mussten hoffnungslos in der Minderzahl gewesen sein. Hier und da wurde noch gekämpft, aber Cavin kam nicht mehr dazu, selbst in das Geschehen einzugreifen. Wer von Lassars Männern noch lebte, sah sich plötzlich einem Feind gegenüber, der mit der Kraft der Verzweiflung kämpfte und nichts mehr zu verlieren hatte.

Er schob sein Schwert in den Gürtel zurück, hielt nach Guarr Ausschau und hob den Arm, als er den Raett unweit des Ausganges entdeckte. Guarr stieß einen schrillen Pfiff aus und eilte auf ihn zu.

»Wo kommt Ihr her?«, fragte Guarr. »Wo sind Karelian und –«

»Tot«, unterbrach ihn Cavin. »Beide.« Guarr sah ihn fragend an, aber Cavin sprach nicht weiter. Es ging Guarr nichts an, was wirklich geschehen war. Niemand sollte es erfahren. Diese letzte Lüge Lassars galt nur ihm.

»Sind noch mehr Krieger oben?«

Cavin schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht«, antwortete er. »Ich … bin einem begegnet. Er ist tot. Die hier müssen vercksucht haben sich den Weg nach draußen zu erkämpfen. Wahrckscheinlich haben sie nicht mit unserer Rückkehr gerechnet und sind in Panik geraten. Ich verstehe nicht, wo sie herkommen.«

»Aber ich«, sagte Guarr ernst. »Komm.« Ohne ein weiteres Wort der Erklärung wandte er sich um und humpelte auf den Ausgang zu.

Die Tür war geborsten und halb aus den Angeln gerissen; einer der Riesenkrieger lehnte daran wie ein bizarrer Schmetterckling, von einem geschleuderten Speer an das Holz genagelt und mit halb erhobenen, totenstarren Händen. Der Anblick erschreckte Cavin fast mehr, als es der eines lebenden Angreifers gekonnt hätte, denn er führte ihm mit schmerzhafter Wucht vor Augen, was ihre Feinde wirklich waren: keine lebenden Wecksen, sondern Dinge, die töteten, gnadenlos und präzise wie Mackschinen.

Cavin fuhr erschrocken zusammen, als er sah, worauf ihn Guarr aufmerksam machen wollte. Die Dunkelheit war blutig rotem Licht gewichen, das den Hof in ein unheimliches Muster von flackerndem Rot und hin- und herhuschenden Schatten verwandelte. Die Flammen hatten die Festung jetzt von allen Seiten eingeschlossen und die Luft flimmerte vor Hitze. Trotzckdem waren Lassars Krieger überdeutlich zu erkennen.