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Eine sanfte, im Einzelnen kaum wahrnehmbare Bewegung lief durch die Dreierreihe der Dämonenkrieger. Gleichzeitig lebte der Wind wieder auf und blies Hitze und loderndes rotes Licht über die Mauerkrone und durch das offen stehende Tor.

»Die beiden Krieger«, flüsterte Guarr an seinem Ohr. »Lassars Kreaturen. Wo sie sind, ist auch er nicht weit. Wenn wir sie töten, haben wir vielleicht eine Chance.«

Cavin nickte, aber er tat es mehr, um Guarr zu beruhigen, denn aus irgendeinem anderen Grund. Selbst wenn es ihnen möglich gewesen wäre, sie zu töten – was Cavin bezweifelte –, sie wären nicht einmal in ihre Nähe gekommen. Zwischen ihnen und den beiden Riesenkriegern befanden sich tausend von Lassars schwarzen Kreaturen.

Zehn für jeden von uns, dachte Cavin düster. Es war kein sehr fairer Kampf.

Wieder lief diese rasche, irgendwie organische Bewegung durch die Reihe der Angreifer, dann, wie auf ein unhörbares Kommando hin, setzte sich die dreifache Mauer aus Stahl und tödlichem Eisen in Bewegung.

»Jetzt!«, rief Guarr.

Bogensehnen sirrten. Guarrs Speer zischte durch die Luft, zermalmte Schild und Brustharnisch eines Eisenkriegers und warf den Mann zu Boden; gleichzeitig fand ein halbes Dutzend Pfeile seine Ziele und riss weitere Krieger von den Füßen.

Die Lücken in der feindlichen Phalanx schlossen sich beinahe schneller, als sie entstanden waren. Die Dreierreihe der Däckmonen stampfte weiter heran, seelenlos, gleichmäßig, ohne ihren Vormarsch auch nur im Geringsten zu beschleunigen oder zu unterbrechen.

Eine zweite Pfeilsalve schlug den Angreifern entgegen und wieder marschierte die Reihe der unheimlichen schwarzen Krieger ungerührt weiter.

Dann waren sie heran und mit einem Male zerfiel die geordcknete Angriffsreihe in ein, zwei Dutzend kleinere Gruppen, die sich in stummer Verbissenheit auf Cavins Krieger stürzten und sie mit ihren fürchterlichen Morgensternen angriffen.

Aber nur seine Krieger.

Es ging beinahe zu schnell, als dass Cavin und Guarr auch nur Zeit fanden, wirklich zu begreifen, was geschah. Die Angreifer waren den Rebellen zehn zu eins überlegen und hier, auf der ungeschützten freien Fläche des Hofes, kam ihre zahlenmäßige Übermacht zehnmal stärker zur Geltung als drinnen in der Burg oder bei der Schlacht im Wald, wo die Verteidiger noch immer die Chance gehabt hatten, sich zurückzuziehen und sie einzeln in Kämpfe zu verwickeln. Der Kampf – das Schlachten, dachte Cavin entsetzt – dauerte nicht einmal eine Minute. Die schwarzen Giganten rasten heran und walzten die Verteidiger einfach nieder.

Fünfzig Herzschläge nach Beginn des Kampfes gab es nur noch Cavin und Guarr.

Und tausend schweigende schwarze Krieger, die einen undurchdringlichen Kreis um sie bildeten …

»Guarr!«, keuchte Cavin. »Was bedeutet das?«

Der Raett starrte ihn aus entsetzt geweiteten Augen an. Seine Hände zitterten so heftig, dass er kaum mehr in der Lage schien, das Schwert zu halten. »Ich … ich weiß es nicht«, stammelte er. »Lassar! Dieser Teufel! Er …« Er brach ab, fuhr herum, schrie plötzlich gellend auf und schlug mit wütenden Schwerthieben auf die Reihe der Riesenkrieger ein.

Lassars Kreaturen wehrten sich nicht einmal. Guarrs Schwert fuhr splitternd durch Schilde und Panzer, zermalmte Helme und Harnische, fuhr hierhin und dorthin und warf zehn, fünfckzehn, zwanzig der seelenlosen Kreaturen zu Boden, ehe der Raett keuchend in seiner Raserei innehielt. Er wankte, fiel auf die Knie, ließ sein Schwert fallen und fing den Sturz im letzten Moment mit den Händen auf. Sein Atem raste. Kleine hystericksche Laute kamen über seine Lippen, während er vollends nach vorne fiel. Wimmernd stemmte er sich wieder hoch. Seine Hand tastete über den Boden und suchte das Schwert.

»Lass es sein, Freund«, sagte Cavin leise. »Er spielt doch nur mit uns.«

Guarr hob den Kopf. Sein Gesicht war vor Erschöpfung und Entsetzen verzerrt und in seinen Augen glomm ein Feuer, das Cavin schaudern ließ. »Tötet mich«, wimmerte er. »Ich flehe Euch an, Cavin! Erschlagt mich! Gebt mir einen … ehrenvollen Tod!«

»Kein Tod ist ehrenvoll, du Narr.«

Cavin drehte sich betont langsam herum – und sah Lassar in die Augen. Er starrte ihn einen Herzschlag lang hasserfüllt an und lächelte. »Lassar«, sagte er. »Ihr habt Euch lange Zeit gelassen.«

»Ihr seid nicht sehr überrascht mich zu sehen«, stellte Lassar fest.

»Sollte ich?«, fragte Cavin. »Ich wäre überrascht gewesen, wenn Ihr nicht gekommen wäret. Einen so melodramatischen Auftritt könnt Ihr Euch doch nicht entgehen lassen.«

Lassar schüttelte tadelnd den Kopf. »Ihr beleidigt mich, Cavin«, stellte er fest. »Immerhin habe ich das nur zu Eurer Unterhaltung arrangiert. Ich hätte es mir weiß Gott einfacher machen können.«

»Mit einem Pfeil in den Rücken?«, fragte Cavin kalt. »Wie bei Faroan? Oder bei meinem Vater? Oder auf elegantere Art – wie bei Karelian und seinem eigenen Kind?«

Lassar runzelte verwirrt die Stirn. »Sein … Kind? Die Amazone war seine Tochter?« Er lächelte dünn. »Interessant. Das gibt dem Ganzen eine aparte Note, findest du nicht?«

»Du Teufel«, keuchte Cavin. »Du –«

Lassar bewegte ärgerlich die Hand. »Schweigt! Ich habe mir Eure Unverschämtheiten lange genug anhören müssen. Aber jetzt ist der Spaß vorbei.«

»Lasst wenigstens Guarr gehen, wenn Ihr mich töten wollt –«, begann Cavin, wurde aber sofort von Lassar unterbrochen: »Wer sagt, dass ich Euch töten will, Cavin?«

Cavin starrte ihn an. »Wenn Ihr nicht –«

»Glaubt Ihr im Ernst, ich hätte all dies nur getan, um Euch umzubringen, Ihr Narr?«, unterbrach ihn Lassar abfällig. »Ihr seid noch dümmer, als ich bisher annahm. Ich trachte Euch nicht nach dem Leben. Das habe ich niemals getan.«

»Was … was habt Ihr vor?«, fragte Cavin stockend. Eine dumpfe, noch unformulierte Ahnung begann sich wie ein übler Geschmack in ihm breit zu machen.

»Geduld, mein junger Freund«, antwortete Lassar. »Nur noch ein wenig Geduld, und Ihr werdet alles erfahren.« Er hob die Hand und machte eine befehlende Geste. Die Dreierreihe der schwarzen Krieger teilte sich und Lassars Wächter kamen herckbei, zwei gewaltige schwarze Schlachtrösser am Zügel führend. Lassar machte eine einladende Geste.

»Wenn ich Euch bitten dürfte, Cavin? Und Euch auch, Guarr.«

Einer seiner Krieger unterstrich die Worte mit einem rüden Stoß in Cavins Rücken. Cavin taumelte, stolperte an Lassar vorbei und fiel beinahe, als ihn ein zweiter, noch härterer Stoß traf. Dann griffen harte, eisengepanzerte Fäuste nach seinen Armen und zerrten ihn mit brutaler Kraft in den Sattel des Schlachtrosses.

Cavin wehrte sich nicht. Er wollte und konnte nicht mehr kämpfen. Jetzt nicht mehr. Er hatte den Kampf seines Lebens gekämpft, vielleicht den größten und wichtigsten Kampf, den jemals ein Mensch ausgefochten hatte – und verloren.

Sein Blick glitt über das unregelmäßige Rechteck des Hofes, verharrte einen Moment auf den Leichen der Männer, die zu ihm und Guarr gehörten, tastete weiter und suchte den gigantickschen Baum im Herzen der Festung. Seine Krone leuchtete rot im Widerschein der Flammen, fast, als brenne auch er. Selbst die Schatten, die er warf, waren rot. Versagt, dachte Cavin matt. Er hatte versagt.

»Warum das alles, Lassar?«, fragte er.

Lassar antwortete nicht gleich. Bevor er es tat, richtete er sich ein wenig im Sattel auf und sah sich um. Die Festung war in einen Ring von Feuer eingeschlossen. Der Himmel brannte. Vielleicht brannte die ganze Welt.

»Würdet Ihr mir glauben, wenn ich Euch sagte, dass es nötig war, König Cavin?«, fragte er.

»Nötig?« Cavin lachte bitter, deutete auf den flammenden Himmel über der Burg und dann auf die erschlagenen Männer und Raetts. »Der Tod dieser unschuldigen Männer? Der Tod deiner eigenen Krieger? Du hast nicht nur mein Heer vernichtet. Du hast gesiegt, aber du hast sehr viel für diesen Sieg beckzahlt.«

»Und ich werde mehr dafür bekommen, als du dir je träumen lässt, du Narr!«, fuhr Lassar auf, nun wieder so zornig und hart, wie Cavin ihn kannte. Aber er beruhigte sich auch ebenso schnell wieder.