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»Dann töte mich doch«, sagte Animah trotzig.

Lassar schüttelte den Kopf. »Ihr seid sehr schnell bei der Hand mit diesem Wort«, sagte er tadelnd. »Warum sollte ich das tun? Es ist eine Verschwendung, ein Menschenleben fortzuwerfen ohne einen zwingenden Grund. Nein – ich lasse dich gehen, Animah. Wenn du mir einen Dienst erweist.«

»Was soll ich dir bringen?«, fragte Animah böse. »Karelians Kopf – oder nur den Gwenderons?«

Lassar ohrfeigte sie.

Er schlug beinahe ruhig zu, ohne Zorn oder gar Hass, aber sehr hart. Animah taumelte einen Schritt zurück, presste die Hand gegen das Gesicht, kämpfte mit aller Macht gegen das Bedürfnis an, sich einfach auf ihn zu stürzen.

»Hörst du mir jetzt zu?«, fragte Lassar ruhig. »Wie gesagt – es gibt etwas, das du für mich tun kannst, und es ist wenig im Vergleich zu dem, was du dafür bekommst, deine Freiheit nämlich. Du wirst –«

Jemand klopfte gegen die Tür. Lassar brach mitten im Wort ab, runzelte verärgert die Stirn und fuhr mit einem Ruck herckum. »Was ist?!«, rief er zornig. »Ich hatte Befehl gegeben, mich nicht zu stören!« Trotzdem öffnete er die Tür und trat einen halben Schritt zurück, den Becher noch immer in der linken Hand. Animah erkannte einen der beiden Krieger, die sie hier heraufgebracht hatten. Der Mann senkte ängstlich das Haupt und begann mit rascher, sehr leiser Stimme zu sprechen, und obwohl Animah seine Worte nicht verstand, registrierte sie sehr wohl, dass sich Lassars Miene mit jedem Augenblick weickter verdüsterte. Was immer es für eine Nachricht war, die der Mann brachte, sie schien Lassar nicht zu gefallen.

»Ausgerechnet jetzt«, murmelte Lassar schließlich. Er seufzckte, blickte abwechselnd von Animah zu dem Krieger und wieckder zurück und nickte schließlich, wenn auch mit allen Anzeichen von Widerwillen. »Gut«, sagte er. »Es tut mir Leid, wenn wir unsere Unterhaltung unterbrechen müssen, aber ich werde anderenorts gebraucht. Ich muss dich leider um etwas Geduld bitten. Du wirst dich sicherlich nicht langweilen. Braddoc hier wird dir Gesellschaft leisten.« Damit trat er auf den Gang hinckaus und Animah blieb allein mit dem Krieger zurück.

8

Erst als die Männer ihn aus dem Wald hinaus und auf den Fluss gezerrt hatten, begann er wieder halbwegs klar zu sehen. Aus den schwarzen und roten Schlieren vor seinen Augen wurden die Umrisse von Männern und der flackernde Lichtschein der Brände. In den Geruch von Blut und Niederlage mischte sich der Qualm lodernden Pechs und verschmorenden Holzes. Sein Arm war noch immer taub, und obwohl er jetzt aus eigener Kraft lief, zerrten ihn die Männer noch immer grob hinter sich her; immer ein bisschen schneller, als er laufen konnte, sodass er mehr als einmal fiel und meterweit über das Eis geschleift wurde, ehe er wieder auf die Füße kam.

Und er war nicht der einzige Gefangene. Aus dem Wald drangen noch immer Schreie und wütende Rufe, das Stampfen von Hufen und das Brechen und Splittern von Geäst, aber mehr und mehr Reiter kamen bereits zurück, gefangene oder verckwundete – vielleicht tote – Rebellen hinter sich herschleifend, und in einer der mühsam vorwärts stolpernden Gestalten erkannte er zu seinem Entsetzen Gwenderon, noch am Leben und bei Bewusstsein, aber wie er selbst zu schwach, sich gegen die Schläge und Tritte zu wehren, die auf ihn herunterprasselten.

Quer über den Fluss wurden sie zum Hauptlager der Soldaten gezerrt, hindurch zwischen zwei hellauf brennenden Flößen, die fünfzig oder mehr von Lassars Kriegern vergeblich zu löckschen versuchten. Die Hitze nahm Cavin den Atem und strich wie eine glühende Hand über sein Gesicht, und das Eis knisterte bedrohlich unter seinen Füßen. Wo die harten Hufe der Pferde es berührten, entstanden Risse und kleine, halbmondförmige Vertiefungen, die sich rasend schnell mit Wasser füllten. Die Hitze war so gewaltig, dass das Eis unter den Flößen zu schmelzen begann, obwohl Cavin wusste, dass es noch immer mehr als meterdick war. Vielleicht, überlegte er, hatten sie im Nachhinein doch Erfolg gehabt. Vielleicht würde dieser eine Brand ausreichen, dass die Eisdecke über dem Fluss wie eine gewaltige Glasscheibe riss und in tausend Scherben zersprang, und Lassars Flotte so den Fluchtweg abschnitt. Das alles würde nichts daran ändern, dass er und Gwenderon und vermutlich auch Karelian und alle anderen, die an diesem Angriff teilgenommen hatten, mit dem Leben dafür bezahlten. Aber möglicherweise hatten sie Lassar doch in seiner eigenen Falle gefangen.

Für einen Moment tröstete ihn diese Vorstellung sogar über den Gedanken an seinen eigenen Tod hinweg; aber wirklich nur für einen Moment, denn als sie die brennenden Flöße passiert hatten und seine Augen aufhörten, vor Hitze und unerträgcklich grellem Licht zu tränen, sah er, wie lächerlich gering der Schaden war, den sie wirklich angerichtet hatten: Zwei der gewaltigen Eisflöße waren verloren, zwei weitere brannten und würden vielleicht gelöscht werden oder auch unbrauchbar sein, aber dahinter, unbeschädigt und in der Dunkelheit der Nacht an sprungbereit geduckte, schwarze Ungeheuer erinnernd, erhockben sich Dutzende der riesigen Flöße, jedes einzelne eine beckwegliche Festung, hinter deren Brustwehren sich gewaltige Katapulte und Schleudermaschinen erhoben. Das Eis unter den beiden brennenden Flößen würde brechen; schon jetzt zitterte der Fluss unter Cavins Füßen und von den beiden Flammensäulen aus wuchsen handbreite, knisternde Risse, die sich mit der gewaltigen Bresche vereinigten, die der Erdrutsch am gegenüberliegenden Ufer in die Eisdecke geschlagen hatte. Aber selbst wenn der gesamte Bereich dazwischen einbrechen sollte, hatten sie kaum ein Viertel des Flusses blockiert. Die verbleickbende Straße aus Eis war mehr als breit genug, Lassars gewaltige Flotte sicher zu transportieren.

Sie erreichten das Lager, einen gewaltigen Kreis aus Zelten und rasch improvisierten Laubhütten, der sich zu einem Drittel auf den Fluss hinausgeschoben hatte und schwarz vor Kriegern war. Ein derber Tritt ließ ihn stolpern und fallen, und Lassars Krieger zerrten ihn die letzten vierzig, fünfzig Meter über das Eis hinter sich her, bis sie das Flussufer erreicht hatten und die Böschung ihn unsanft bremste.

Cavin blieb einen Moment mit geschlossenen Augen liegen und wartete darauf, dass sie ihn wieder schlugen oder grob auf die Füße zerrten, aber weder das eine noch das andere geschah. Ganz im Gegenteil lösten sich sogar die Stricke, die seine Arme auf den Rücken fesselten, und als er aufsah, bemerkte er, dass die Krieger in den schwarzen Lederharnischen ein paar Schritte zurückgetreten waren und einen weiten Kreis um ihn, Gwenderon und die Hand voll anderer Gefangener bildeten. Von dem Dutzend Männer, das sie begleitet hatte, waren vier herbeigeschleift worden; die anderen mussten entweder entkommen oder tot sein.

Mühsam erhob sich Cavin auf Hände und Knie, kroch zu Gwenderon hinüber und half ihm, sich ebenfalls in die Höhe zu stemmen. Im flackernden Licht der Brände wirkte Gwenderons Gesicht fahl und gleichzeitig wie mit Blut übergossen. Seine Augen waren glasig.

»Bist du verletzt?«, fragte er.

Gwenderon schüttelte den Kopf, sog schmerzhaft die Luft ein und spuckte Blut. »Nein«, stöhnte er. »Es ist nichts. Ich habe einen Zahn verloren, glaube ich. Vielleicht zwei.«

»Dabei wird es wohl nicht bleiben«, murmelte Cavin düster. Er versuchte vergeblich seiner Stimme einen scherzhaften oder wenigstens aufmunternden Klang zu verleihen. Sein Lächeln geriet zur Grimasse. »Karelian?«, fragte er.

Gwenderon schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er entkommen.«

»Das ist er«, sagte eine Stimme. »Aber nur, weil ich meinen Männern befohlen habe, euch und eure Begleiter lebendig zu fangen und lieber entkommen zu lassen, bevor sie euch töten.«

Der Kreis ihrer Bewacher hatte sich geteilt und ein besonders hoch gewachsener, in das schwarze Leder Lassars gehüllter Krieger war auf Cavin und Gwenderon zugetreten. In seiner rechten Hand glänzte ein gewaltiges, zweischneidig geschliffecknes Schwert, wie um seine Worte sofort ad absurdum zu führen. Ein dünnes, vollkommen humorloses Lächeln verzog seine Lippen, als er Cavins Blick bemerkte.