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»Eine reine Vorsichtsmaßnahme, mein König«, sagte er spöttisch. »Man hat mich gewarnt, dass Ihr sehr ungestüm werden könnt. Und wie ich sehe, war diese Warnung tatsächlich nicht unberechtigt.«

»Wer seid Ihr?«, fragte Cavin verwirrt.

»Ihr wollt reden, König Cavin?«, fragte der Riese. »Ich habe Euer Wort, dass ich die Waffe wegstecken kann?«

»Schieb sie dir in den Hintern«, stöhnte Gwenderon. Trotz der Schmerzen, die ihm die Bewegung bereiten musste, stand er auf und trat mit einem humpelnden Schritt neben Cavin.

»Was soll das heißen – Ihr habt Befehl gegeben, uns lebendig zu fangen?«, fragte Cavin. »Hat Lassar Euch diesen Befehl gegeben? Will er uns unbedingt lebend haben?«

»Er will, dass ihr lebt«, bestätigte der Riese. Der feine Unterckschied, den seine Worte machten, fiel Cavin sehr wohl auf, aber der Mann fuhr fort, ohne ihm Gelegenheit zu einer entsprechenden Frage zu geben: »Versteht mich nicht falsch, Köcknig Cavin – ich gab Befehl, Euch und Eure Leute gefangen zu setzen, aber nicht, um Euch als Gefangene nach Hochwalden zu bringen.« Er seufzte, schüttelte übertrieben den Kopf und schob sein Schwert mit einem heftigen Ruck in den Gürtel zurück. »Ein paar Eurer Männer sind verletzt, fürchte ich«, sagte er, »und sehr viele der unseren tot. Das alles wäre nicht nötig gewesen.«

Cavin sah ihn fragend an, schwieg aber, und zu seiner Erckleichterung hielt sich auch Gwenderon zurück, obwohl er in ohnmächtigem Zorn die Fäuste ballte und Cavin sicher war, dass er nichts lieber getan hätte, als sich auf den Krieger zu stürzen, ganz gleich, ob er waffenlos war oder nicht.

»Ich bin in Lassars persönlichem Auftrag hier, um Euch eine Botschaft zu überbringen, mein König«, fuhr der Riese fort.

»Ist ihm eingefallen, dass alles nur ein schreckliches Missckverständnis war und er sich wieder in sein Rattenloch zurückzieht?«, fauchte Gwenderon.

Cavin blickte ihn wütend an. »Schweig, Gwenderon«, sagte er streng. An den Krieger gewandt fuhr er fort: »Eine Botckschaft? Für mich? Wie lautet sie?«

»Mein Herr und König bietet Euch Frieden an, König Cavin«, antwortete der Riese. »Einen Waffenstillstand für einen Tag und eine Nacht, gerechnet vom nächsten Sonnenaufgang an. Das, und freies Geleit für Euch und Eure Begleiter.«

»Freies Geleit? Wohin?«

»Nach Hochwalden, Herr«, antwortete der Krieger. »Ich soll Euch Folgendes ausrichten: Es ist zu viel Blut geflossen, auf beiden Seiten, und es ist zu viel und zu sinnlos getötet worden. Mein Herr bedauert, was geschehen ist, und bittet Euch, zu ihm auf die Burg Eurer Väter zu kommen, um mit ihm zu reden.«

»Wozu?«, fragte Cavin spöttisch. »Um über unsere Kapitulacktion zu verhandeln?«

Der Krieger blieb ernst. »Das weiß ich nicht, Herr. Doch Lassar, mein König, trug mir auf, jeden Kampf zu vermeiden und Euch zu versichern, dass er es ehrlich meint.«

»Seit wann kennt er dieses Wort?«, fragte Gwenderon.

»Es ist sein fester Wille, den Frieden im Schwarzeichenwald wiederherzustellen, König Cavin«, fuhr der Krieger ungerührt fort. »Was bisher geschehen ist, soll vergessen sein. Ihr und Eure Begleiter seid frei. Ich habe Befehl, Euch sicher nach Hochwalden zu geleiten, wenn es Euer Wunsch ist.«

»Und … wenn nicht?«, fragte Cavin misstrauisch.

»Könnt Ihr gehen, wohin es Euch beliebt«, antwortete der Krieger ernst. Plötzlich lächelte er und fügte, in etwas weniger feierlichem Ton, hinzu: »Aber Ihr werdet verstehen, wenn ich Eure Waffen fordere. Liefert sie ab und zieht Euch in den Wald zurück oder folgt mir und meinen Männern nach Hochwalden. Ganz gleich, wie Ihr Euch entscheidet – von jetzt an bis zum nächsten Sonnenaufgang werden die Waffen schweigen.«

»Das ist ein Trick!«, behauptete Gwenderon aufgebracht. »Ihr glaubt diesem … diesem Söldner doch nicht etwa, Cavin?«

»Ich bin so wenig Söldner wie Ihr, Gwenderon«, sagte der Krieger scharf. »Ihr mögt mit den Zielen meines Herrn so wecknig einverstanden sein wie ich mit den Euren, Gwenderon, aber ich habe ihm die Treue geschworen und ich werde diesen Schwur halten. So wie ich mit meinem Leben dafür bürge, dass sein Wort nicht gebrochen wird.« Er zögerte einen winzigen Moment, und als er weitersprach, klang seine Stimme abfällig, aber auch sehr entschlossen. »Nehmt Euer Schwert und behaltet mich als Geisel hier, Gwenderon, wenn Ihr Lassars Wort nicht traut.«

»Als Geisel?« Gwenderon lachte, aber es klang nicht echt. »Seit wann hätte Lassar jemals etwas um das Leben seiner Krieger gegeben, Söldner?«

»Jetzt halt endlich den Mund, Gwenderon«, fauchte Cavin. »Ich glaube ihm.«

Gwenderons Augen wurden rund vor Unglauben. »Ihr … glaubt Lassar?«

»Nicht Lassar – ihm.« Cavin deutete mit einer Kopfbewegung auf den schwarz gepanzerten Riesen, atmete hörbar ein und straffte sich, so weit es seine geschundenen Muskeln zuckließen. Wenn er schon nicht wie ein König aussah, wollte er sich wenigstens so benehmen.

»Ihr habt meine Worte gehört«, sagte er. »Ich glaube Euch. Und ich nehme Euer Angebot an, meine Männer zu nehmen und mich zurückzuziehen. Unsere Waffen jedoch nehmen wir mit. Aber ich gebe Euch mein Wort als König, den Waffenstillckstand zu respektieren.« Er deutete auf den Wald auf der anderen Seite des Flusses. »Ihr stellt die Arbeiten ein. Kein Baum, kein Busch wird mehr gefällt bis zum nächsten Sonnenaufgang.«

»Für die Dauer des Waffenstillstandes«, bestätigte der Krieger. »Was soll ich meinem Herrn als Antwort bringen?«

»Dass Ihr seine Botschaft ausgerichtet habt«, antwortete Cavin. »Und dass ich sie gehört habe und darüber nachdenken werde.«

»Das wird Lassar nicht genügen«, sagte der Krieger. »Er wird –«

»Er wird meine Entscheidung respektieren«, unterbrach ihn Cavin kalt. »Vielleicht glaube ich ihm und komme, vielleicht auch nicht. Reitet zurück und richtet ihm genau das aus.«

»Sonst nichts?«

»Doch«, sagte Cavin ruhig. »Sagt ihm auch noch dies: Dieser Wald ist heilig und ich und die Meinen werden jeden einzelnen Baum auf seinem Boden mit unserem Leben verteidigen. Ganz gleich, wie ich mich entscheide – für jeden Baum, den ihr fällt, wird einer der Euren sterben. Und nun ruft Eure Männer zurück und lasst uns gehen.«

Einen Moment lang starrte ihn der riesenhaft gewachsene Krieger noch an, und Cavin hatte das sehr sichere Gefühl, dass es noch eine Menge gegeben hätte, was er sagen wollte. Aber dann zuckte er nur mit den Achseln, trat beiseite und machte eine Bewegung mit der Hand.

»Ihr seid frei.«

Und das waren sie. Auch wenn Cavin es erst glaubte, als sie den Fluss verlassen hatten und in die Sicherheit des Waldes eintauchten.

9

Lassar kam nicht nach wenigen Minuten zurück, wie er gesagt hatte, sondern blieb eine Viertel-, dann eine halbe, schließlich eine ganze Stunde. Der Krieger, den er zu Animahs Bewachung zurückgelassen hatte, stand mit überkreuzten Armen vor der Tür, so reglos wie eine Statue; nur seine Augen verrieten überhaupt, dass in ihm noch so etwas wie Leben war, denn ihr Blick war sehr wach, und obwohl sich in seinem Gesicht während der ganzen Zeit nicht ein Muskel rührte, war Animah sicher, dass ihm nicht die kleinste ihrer Bewegungen entging.

Nach einer Weile begann sie unruhig zu werden. Sie wusste noch immer nicht, warum Lassar sie überhaupt hatte kommen lassen, und was ihn davon abgehalten hatte, ihr sein Angebot zu unterbreiten, das zweifellos nur aus Verrat und Lüge bestehen konnte – oder ob diese unvorhergesehene Unterbrechung vielleicht Teil seines Planes war, denn auch das war möglich –, aber Lassar hatte ihr, ob nun beabsichtigt oder nicht, doch mehr verraten, als er vielleicht gewollt hatte. Zumindest wusste sie, dass Gwenderon und Karelian noch am Leben waren und – jedenfalls glaubte sie dies aus Lassars Worten zu schließen – dass sich auch Prinz Cavin nicht mehr in seiner Gewalt, sondern mittlerweile bei den Rebellen befand. Informationen, die für sie wichtiger waren, als Lassar in seiner Überheblichkeit annehmen mochte, denn sie gaben ihr das zurück, was die Folterknechte des Schattenkönigs in den letzten sechs Monaten methodisch zu zerstören versucht hatten: ihren Kampfeswillen. Lassar mochte glauben, dass sie keine Gefahr mehr für ihn darstellte, und zweifellos stimmte das im Moment sogar. Aber wenn es ihr gelang, aus der Burg zu fliehen und sich zu Karelian und den anderen durchzuschlagen … Sie hatte eine Menge gesehen in den letzten sechs Tagen. Mehr, als Lassar auch nur ahnte, denn ihre Gedanken zu lesen hieß nicht, sie auch alle zu kennen. Ganz und gar nicht.