»König Cavin«, sagte er. »Ihr bringt es immer wieder fertig, mich zu überraschen. Ich erwartete eigentlich nicht, Euch auf diese Weise wieder zu sehen.« Sein Blick glitt demonstrativ über Cavins und Gwenderons durchnässte Kleider. »Hat Euch mein Bote die Nachricht nicht so überbracht, wie ich sie ihm auftrug, oder misstraut Ihr der Brücke, die Euer Vater anlegen ließ, oder zieht Ihr es immer vor, einen See zu durchschwimmen, statt trockenen Fußes hinüberzugelangen?«
»Wir ziehen es vor«, sagte Gwenderon an Cavins Stelle, »uns mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass kein Hinterhalt auf uns wartet.«
Lassar lachte meckernd und schüttelte den Kopf. »Sei’s drum«, sagte er. »Ich freue mich jedenfalls, Euch gesund und wohlbehalten wieder zu sehen.«
Gwenderon sog scharf die Luft ein, aber Cavin brachte ihn mit einer raschen Geste zum Verstummen.
»Ich danke Euch für Eure Worte, Lassar«, begann er steif.
»Aber es fällt mir nicht leicht, ihnen zu glauben. In den letzckten sechs Monaten habt Ihr nichts unversucht gelassen meine Freunde und mich zu vernichten.«
Lassar lächelte erneut. Es wirkte fast echt. »Manchmal ist man gezwungen Dinge zu tun, die einem im Grunde zuwider sind«, antwortete er. »Als Sohn eines Königs solltet Ihr das wissen, Cavin.«
»Warum hast du uns kommen lassen, Lassar?«, fragte Gwenderon ärgerlich. »Nur um Belanglosigkeiten auszutauschen?«
»Gwenderon – bitte!«, sagte Cavin scharf, aber Lassar lächelte nur über die Worte des Waffenmeisters. »Lasst ihn, König Cavin«, sagte er. »Euer Waffenmeister hat Recht. Unser beider Zeit ist zu kostbar, um sie mit Belanglosigkeiten zu vertun. Ich freue mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid.«
Er schwieg einen Moment, trat zurück, maß Cavin und Gwenderon abwechselnd mit Blicken und deutete dann mit einer Kopfbewegung auf das niedergebrannte Haupthaus Hochwaldens. »Gehen wir hinein, um zu reden. Es ist kalt.«
Cavin schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Sagt, was Ihr zu sagen habt, Lassar. Hier.«
Lassar runzelte die Stirn, widersprach aber nicht mehr. »Wie Ihr wollt, mein König.«
»Und nennt mich nicht so«, fuhr Cavin in merklich schärferem Ton fort. »Ich bin kein König mehr, Lassar. Ihr habt meine Burg verbrannt und meine Untertanen erschlagen. Wenn ich jemals ein Königreich besessen habe, so habt Ihr es mir genommen.«
In Lassars Augen blitzte es. »Das könnte sich ändern«, sagte er.
»Wie meint Ihr das?«
»Ich habe Euch gerufen, Cavin«, begann Lassar, »um Euch einen Vorschlag zu unterbreiten. Es ist viel geschehen, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind.«
»Ich weiß«, warf Gwenderon spöttisch ein. »Ihr seid dabei, Euren Krieg zu verlieren, Lassar.«
Lassars Kopf ruckte mit einer zornigen Bewegung herum. Aber er hatte sich fast sofort wieder in der Gewalt. »Ich sehe«, sagte er kalt, »Ihr seid gut informiert.«
»Gute Nachrichten verbreiten sich schnell«, bestätigte Gwenderon böse.
Cavin hob die Hand. »Schweig, Gwenderon. Wir wollen wecknigstens hören, was Lassar zu sagen hat.«
Lassar lächelte. »Ich danke Euch, Cavin. Ihr werdet sehen, dass es sich lohnt. Ich habe Euch einen Vorschlag zu machen.«
»Welchen?«, schnappte Gwenderon. »Wollt Ihr Euch von den höchsten Mauern Hochwaldens stürzen?«
»Verdammt noch mal, halt endlich den Mund, Gwenderon!«, sagte Cavin wütend. Zu Lassar gewandt fuhr er fort: »Und Ihr, Lassar, solltet sagen, was zu sagen ist, und dann gehen. Fast jeder hier im Schwarzeichenwald hasst Euch und nicht alle sind so beherrscht wie Gwenderon und ich. Ich kann nicht für Eure oder die Sicherheit Eurer Männer garantieren, wenn Ihr uns nur hierher habt kommen lassen, um uns zu verspotten.«
Lassars Lächeln gefror zu einer Grimasse. »Das sind große Worte«, sagte er, »für einen Mann, der noch vor Augenblicken seine Machtlosigkeit betont hat. Aber zumindest habt Ihr Mut bewiesen, hierher zu kommen. Ich könnte Euch verhaften und als Geisel behalten. Oder töten.«
»Das könntet Ihr«, bestätigte Cavin ungerührt. »Aber glaubt Ihr im Ernst, Ihr würdet diesen Ort lebend verlassen, wenn mir oder Gwenderon auch nur ein Haar gekrümmt würde?«
Einen Moment lang starrte Lassar den jungen König mit unckbewegtem Gesicht an, dann stieß er hörbar die Luft zwischen den Zähnen aus, schlug mit einer heftigen Geste seine Kapuze zurück und lachte; sehr leise und ohne die geringste Spur eines echten Gefühles.
»Gut«, sagte er. »Nun, nachdem wir dem Protokoll Genüge getan und uns gegenseitig unsere Überlegenheit demonstriert haben, können wir vielleicht reden.«
»Bitte«, sagte Cavin steif.
»Ich werde gleich zur Sache kommen«, begann Lassar nach einer neuerlichen, sekundenlangen Pause. »Es ist viel gescheckhen, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben. Ich weiß, dass Ihr mich hasst, und ich gestehe, dass Ihr allen Grund dazu habt. Und ich weiß auch, dass Ihr noch immer ein mächtiger Mann seid, Cavin, ganz egal was Ihr behauptet. Ihr seid mehr König dieses Waldes, als es Euer Vater oder irgendeiner seiner Vorgänger jemals war. Ihr Eurerseits wisst, dass sich meine Pläne nicht überall so entwickeln, wie ich es mir gewünscht hätte.«
Cavin nickte. »Gwenderon hat es gesagt. Ihr verliert Euren Krieg.«
»Das würde ich nicht sagen«, antwortete Lassar. »Ich habe Rückschläge hinnehmen müssen, das mag sein. Aber ich bin noch immer mächtig genug mich meiner Feinde zu erwehren. Ich könnte den Schwarzeichenwald bis auf die Wurzeln niederbrennen lassen, wollte ich das. Ich könnte Euch aber auch Euer Haus und Euer Reich zurückgeben, Cavin.«
»Was soll das?«, fauchte Gwenderon. »Ein neuer Trick, Lassar? Wer, glaubt Ihr, würde Euch noch ein einziges Wort glauckben, nach allem, was Ihr getan habt?«
»Ich hoffe, Ihr glaubt mir, Cavin«, antwortete Lassar. »Ich appelliere weder an irgendein Gefühl noch bitte ich Euch um Vergebung. Das wäre ziemlich albern. Ich schlage Euch ein Geschäft vor, mehr nicht. Einen Handel zwischen Königen.«
»Welchen Handel?«, fragte Cavin steif.
»Ich biete Euch Frieden«, sagte Lassar. »Ich gebe Euch mein Wort, dass weder ich noch irgendeiner meiner Diener oder Verbündeten je wieder einen Fuß über die Grenzen Eures Waldes setzen wird, und ich biete Euch darüber hinaus ein Schuldgeld für das, was Euch und den Euren angetan wurde. Die Höckhe dieser Entschädigung könnt Ihr selbst nach eigenem Ermessen bestimmen. Und ich biete Euch Hochwalden.«
Cavin starrte den Herrn der Schatten an. »Ihr bietet was?«, fragte er verwirrt.
»Hochwalden«, wiederholte Lassar. »Die Burg Eurer Väter. Ich habe sie zerstört, weil ich zornig war und mich von Gefühlen leiten ließ, wo klares Überlegen angebracht gewesen wäre. Ein Fehler, wie ich jetzt einsehe. Ich bin bereit Wiedergutmachung zu leisten.«
»Wollt Ihr einen Zauberspruch aufsagen und die Burg wieder aufbauen?«, fragte Gwenderon wütend.
»Das kann ich nicht«, antwortete Lassar.
»Nein?« Gwenderons Stimme troff geradezu vor Hohn. »Das ist sonderbar – ein so mächtiger Zauberkönig wie Ihr.«
»Seid kein Narr, Gwenderon«, fauchte Lassar, aber eher ungeduldig als wirklich zornig. »Ich bin hier, Euch einen ernst gemeinten Vorschlag zu machen. Hochwalden war nur eine Burg. Sie kann wieder aufgebaut werden. Es mag ein Jahr dauckern oder auch zwei, aber sie kann mächtiger und schöner wieckder erstehen, als sie jemals war. Ich biete euch die Gelegenheit dazu.«
»Das ist ein Trick!«, behauptete Gwenderon erregt. »Glaubt ihm nicht, Herr. Er lügt!«
Lassar seufzte. »Mit Verlaub, Gwenderon, Ihr seid ein Narr«, sagte er ruhig. »Glaubt ihr, ich käme hierher, wenn ich nicht willens wäre mein Wort zu halten? Ich könnte Euch und Eure lächerliche Rebellion zerquetschen, wenn ich es wollte. Stattckdessen biete ich Euch Frieden.«