Выбрать главу

»Kann ich noch etwas für Sie tun?«, fragte der Kellner.

»Nein, danke«, sagte Bonnie. »Ich fürchte, dass, was ich brauche, haben Sie hier nicht.«

Auf dem Hollywood Boulevard parkte sie in zweiter Reihe vor dem Super Star Grill. In dem mit Kacheln und Chrom dekorierten Raum dröhnte Meatloafs »Bat Out Of Hell« aus den Lautsprechern. Bonnie kaufte sich einen Mega-Chili-Hotdog mit extra Zwiebeln und Kraut und machte ein schöne Sauerei in ihrem Auto. Während sie aß, betrachtete sie sich im Rückspiegel.

Das ist also der Tod, dachte sie. Eine 34-Jährige mit Chilisoße im Gesicht. Sie stopfte den letzten Bissen in den Mund und fuhr mit klebrigen Händen los. Schon an der Vine Street konnte sie vor Tränen kaum noch die Straße sehen.

Duke entschuldigt sich

Das Dutzend Rosen, das auf dem Küchentisch verwelkte, hatte Duke ihr gekauft. Er trug ein ausgebleichtes schwarzes Harley-Davidson-T-Shirt, als er aus dem Garten ins Haus trat und noch den Rauch von seiner letzten Zigarette ausblies. Sie wollte nicht, dass er im Haus rauchte.

»Es tut mir Leid, okay?«, sagte er.

Sie stellte die Einkaufstüten auf die Anrichte. »Was tut dir Leid? Jeder hat mal einen freien Tag verdient.«

»Das mit diesem mexikanischen Hühnchen. Das war…«

»Idiotisch? Allerdings. Aber das war gestern und heute ist heute und danke für die Blumen. Was haben sie dir dafür abgeknöpft?«

Duke zuckte mit den Achseln und stellte sich dumm. »Die waren sozusagen… na ja, ich hab nicht viel gezahlt.«

»Wie viel ist nicht viel?«

»Umsonst, okay?«

Bonnie nahm den Strauß vom Tisch. »Du hast ein Dutzend Rosen umsonst gekriegt? Hast du die von einem Grab geklaut, oder was?«

»Rita drüben im Blumenladen. Ich hab ihr von dieser Geschichte erzählt und sie hatte wohl irgendwie Mitleid.«

»Bitte? Und jetzt weiß Rita, dass wir uns über Hühnchen mexikanisch gestritten haben? Wem hast du’s denn noch erzählt? Jimmy vom Fernsehgeschäft vielleicht? Karen in ihrem Schönheitssalon? Und wenn ich das nächste Mal einkaufen gehen, stecken die ganzen Glucken die Köpfe zusammen und singen »La Cucaracha.«

Duke schlug mit der Faust auf die Spüle. »Warum musst du immer so verdammt witzig sein, hä? Warum kann ich nicht einmal etwas sagen, ohne dass du einen beschissenen Sketch daraus machst. Ich hab Rosen für dich gekauft, um dir zu sagen, dass es mir Leid tut, oder? Die Rosen kamen von Herzen. Und was sagst du? >Hast du die von einem beschissenen Grab geklaut?«<

Vorsichtig legte Bonnie die Rosen wieder auf den Tisch. Es war schon nach sieben, und sie hätte schon längst mit dem Kochen anfangen sollen.

»Gestern um diese Zeit haben sich drei kleine Kinder gerade bettfertig gemacht«, sagte sie.

»Was?«, sagte Duke. Er war offenbar völlig verwirrt. »Was für Kinder?«

»Eines war neun, eines sieben und eines vier Jahre alt. Ich kenne sogar ihre Namen.«

»Na toll. Wovon zum Teufel redest du da eigentlich?«

Sie blickte auf die Küchenuhr. »Das war gestern. Heute sind sie tot.«

»Was?«, sagte Duke wieder. Bonnie kam zu ihm, legte ihre Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. »Hey, ich krieg keine Luft.«

»Du musst dich nicht entschuldigen und mir keine Blumen schenken oder irgendwas tun. Ich bin schuld. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.«

»Du arbeitest einfach zu viel, das ist alles. Warum hörst du nicht mir der Putzerei auf. Das ist doch wirklich keine schöne Arbeit. Wir brauchen die Kohle, das ist mir klar, aber wir könnten dann ja auch den Pick-up verkaufen und so käme dann auch ein bisschen was rein. Und weißt du, was ich noch mache? Ich besorg mir einen Job, okay? Ich schwör’s. Egal, was. Ich führ Hunde Gassi, wenn’s sein muss. Ich mach alles, ich schwör’s.«

»Ich dachte, du kannst Hunde nicht ausstehen.«

»Wollen mir ja nicht alle in den Arsch beißen wie dieser Riesenschnauzer.«

Bonnie musste lachen. Das erste Mal an diesem Tag.

Der nächste Morgen

Sie stand nackt auf den kalten Badezimmerfliesen vor dem Spiegel.

Größe: Eins vierundsechzig Wunschgewicht: Sechsundsechzig Kilo Realgewicht: dreiundsiebzig Kilo

Ray klopfte an die Tür. »Bist du bald fertig, Mom? Ich verpass noch den Bus.«

»Ich fahre dich.« Es war, als müsse sie sich ansehen, um sich davon zu überzeugen, dass es sie überhaupt gab.

Putzen

Zwei ihrer drei Teilzeitkräfte, Ruth und Esmeralda, halfen ihr an diesem Tag.

Jodie hatte sich den Arm verbrannt und fiel zwei Wochen aus. Ruth trug einen kirschroten Trainingsanzug und hatte sich die Haare mit einem gelben Gummi streng zurückgebunden. Esmeralda war eine untersetzte, schweigsame Mexikanerin. Mit den dunklen Ringen unter ihren Augen sah sie aus, als hätte sie seit Wochen nicht mehr geschlafen. Wie gewöhnlich trug sie auch an diesem Tag Schwarz, und ihre schwarzen Schnürschuhe quietschten nervtötend auf dem Küchenfußboden.

Zusammen rollten sie den Teppich im Wohnzimmer ein. Dafür mussten sie die Couch anheben, die so schwer war, dass sie danach ganz außer Atem waren.

»Ich bin langsam zu alt für diese Arbeit«, schnaufte Ruth.

»Du musst einfach ein bisschen mehr trainieren. Warum kommst du nicht endlich mal zu meiner Tai-Chi-Chüon-Gruppe?«

»Warum sollte ich da hingehen, du gehst ja auch nicht hin.«

»Ich war letzte Woche. Oder die Woche davor? Egal. Man muss sich eben die Zeit dafür nehmen, aber immer geht’s nicht. Ich hab einfach so viel zu tun.«

Esmeraldas Stimme klang angespannt, als sie sagte: »Der Fleck hier geht durch bis aufs Parkett.«

Bonnie sah sich die Stelle näher an. Aaron Goodmans Blut war durch das Teppichgewebe und die Unterlage gedrungen und hatte einen kunstvollen braunen Fleck auf dem Holz hinterlassen. Wie ein Rorschach-Test, dachte sie.

»Das ist Eiche, also sollten wir das meiste mit Sodiumperborat rauskriegen.«

Esmeralda bekreuzigte sich. »Ich fang dann wohl mal besser mit der Wand an.«

»Bis du sicher? Das ist aber echt ekelhaft.«

»Nein, kein Problem, ich mach die Wand.«

»Irgendwas nicht in Ordnung?«, fragte Bonnie.

»Ich habe Schmerzen im Knie und kann es nicht gut beugen.«

»Das meine ich nicht. Du hast dich bekreuzigt.«

Esmeralda sah sie mit leerem Blick an und machte dann eine wegwerfende Geste. »Aus Respekt vor den Toten. Das ist alles.«

»Okay… Also, Ruth macht den Boden und ich fange mal mit den Betten an.«

Anderthalb Stunden lang zischte Bonnies Dampfreiniger im Schlafzimmer und dröhnte Ruths Staubsauger im Wohnzimmer und dem Rest der Wohnung. Esmeralda schrubbte energisch im Rhythmus an der Wand.

Normalerweise sang Bonnie bei der Arbeit. »Love, ageless and evergreen…«. Aber in Naomis Schlafzimmer verstummte sie. Sie konnte die blutigen Handabdrücke über dem Bett nicht ansehen, aber wegwischen konnte sie sie auch nicht. Es schien ihr fast, als würde sie durch das Tilgen dieser Spuren auch die letzten schmerzhaften und verwirrten Momente in Naomis Leben auslöschen.

Als hätte all das nie stattgefunden.

Bonnie überlegte, welche letzten Gedanken Naomi über ihren Vater hatte, als sie auf allen vieren über den Boden kroch. Die Vorstellung, dass sie ihn vielleicht um Hilfe angefleht haben könnte, war unerträglich.

Mit Lappen und Desinfektionsspray in den Händen kam Esmeralda in den Raum. »Ich bin fertig mit der Wand«, sagte sie. Und dann wischte sie ohne zu zögern Naomis Fingerabdrücke weg.