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Er stakste zu seinem Wagen und verschwand mit quietschenden Reifen. Bonnie sah ihm noch hinterher und wollte in ihren Wagen steigen, als Kyle Lennox wieder auftauchte. Er trug jetzt Khakis und ein schwarzes Poloshirt und rief ihr zu: »Bonnie, warten Sie noch!«

Sie sah ihm entgegen und legte die Hand über die Augen, weil sie gegen die Sonne sehen musste. Er hüpfte aufgeregt auf sie zu. »Und? Wie war’s?«

»Gut. Warum?«

»Ganz schön gruselig, oder?«

»Wenn man nicht muss, geht man nicht rein.«

»Ich hab gehört, dass der Junge… also, dass der praktisch…« – er senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern – »… an der Tür geklebt hat.«

Bonnie zuckte die Achseln. »Über solche Details darf ich wirklich nicht reden. Ich mach hier nur sauber.«

»Aber er klebte doch an der Tür, stimmt’s?«

»Also gut: ja. Er brannte und versuchte die Tür zu öffnen. Er blieb daran hängen.«

Langsam und mit bewundernd aufgerissenen Augen schüttelte Kyle Lennox den Kopf. »Das ist so ekelhaft. Ich find’s unglaublich, wie cool Sie bleiben. Wie schaffen Sie das nur?«

»Sie sind im Fernsehen, und wie man so was machen kann, verstehe ich auch nicht. Ich hätte jedenfalls wahnsinnige Angst vor der Kamera. Ich habe sogar Angst vor Videokameras.«

»Sagen Sie mal, hätten Sie nicht Lust, morgen zu meiner kleinen Pool-Party zu kommen? Nichts Großes, nur ein paar Freunde vom Studio, Autoren und Produzenten und so. Würde mich freuen.«

»Wie bitte?«

»Eine Party, Bonnie. Und Sie sind eingeladen. Ich freue mich schon darauf, wenn Sie Gene Ballard kennen lernen. Das ist unser Regisseur. Er wird begeistert von Ihnen sein.«

»Ich verstehe nicht ganz. Wie kennen uns doch gar nicht, warum laden Sie mich zu Ihrer Party ein?«

»Hey, Sie sind mir einfach sympathisch, da muss man sich doch nicht gut kennen. Und ich bewundere Ihre Arbeit. Tun Sie mir den Gefallen und kommen Sie, ich würde mich wirklich freuen. Wird alles ganz locker, und Sie treffen Ihre Lieblingsserienstars. Vielleicht kriegen Sie sogar ein kleine Rolle, wenn Gene Sie mag. Wer weiß?«

»Wann ist diese Party?«

»Morgen Abend um sechs bei mir. Nun sagen Sie schon Ja.«

Bonnie hatte das Gefühl, in einem Traum zu sein. Der Mann ihr gegenüber war wirklich Kyle Lennox, und er lud sie wirklich zu einer Pool-Party mit den Größen der Fernsehbranche ein.

»Okay«, sagte sie schließlich und nickte. »Ich komme, warum eigentlich nicht.«

Bonnie besucht ihre Mutter

»Du hättest mir vorher sagen sollen, dass du kommst«, sagte ihre Mutter vorwurfsvoll, »dann hätte ich wenigstens einen Salat machen können.«

»Schon gut, Mom, ich brauche keinen Salat. Ich hab vorhin schon einen Cheeseburger bei Rusty’s gegessen.«

»Cheeseburger? Hast du eine Ahnung, wie viel Fett und Cholesterin in dem Zeug drin ist? Kein Wunder, dass du so zugenommen hast.«

»Danke, zu freundlich. Ich habe übrigens gerade ein paar Kilo abgenommen.«

»Seit über drei Wochen hast du dich nicht gemeldet. Jetzt kommst du mich plötzlich besuchen und rufst vorher nicht einmal an.«

»Aber jetzt bin ich da, also hör schon auf zu meckern.«

Mrs Mulligan wuselte im Wohnzimmer herum, schob Zeitschriften auf dem Tisch zusammen, klopfte Kissen auf und jagte ihre stinkende, fauchende Katze vom Sofa, weil Bonnie sie nicht mochte.

Mrs Mulligan war klein und rund, hatte kleine runde Hände und Füße und weißes toupiertes Haar wie ein Baumwollballen. Mrs Mulligan sah aus wie Bonnie mit Pausbacken und Schweinsäuglein. Sie lebte in einem Haus in Reseda, das aussah wie alle Häuser in Reseda: respektabel, sauber, bürgerlich und mit gepflegtem Rasen im Vorgarten. Von einem Bild an der Wand grinste Bonnies verstorbener Vater wie Alfred E. Neumann auf sie herunter. Das Foto war auf Leinwand gezogen worden, sodass es in seinem Goldrahmen wie ein Gemälde aussah. Unter dem Bild hingen in einem weiteren Rahmen seine Feuerwehrorden in einer Reihe.

Fotos von Bonnies fünf großen Brüdern standen in Massen herum: Daryl am Abschlusstag der Feuerwehrakademie. Robert bei seiner Verlobung mit Nesta. Craig nach dem Gewinn der Highschool-Schwimmmeisterschaften. Barry mit seinem ersten Auto. Richard mit gebrochenem Bein. Mark Hamill hatte auf dem Gips unterschrieben und Mom hatte ihn immer noch irgendwo in der Garage.

Das einzige Foto von Bonnie zeigte sie bei der Erstkommunion. Sie sah so süß und unschuldig aus als Zwölfjährige in dem weißen Seidenkleid. Als sie sich selbst als Kind sah, kamen Bonnie beinahe die Tränen. So viel Vertrauen in die Zukunft. So viel Hoffnung.

»Es ist Schwerstarbeit, das Haus in Ordnung zu halten, das sag ich dir. Richard lässt seine Socken einfach überall liegen.«

»Es ist perfekt wie immer, Mom.«

»Du hättest vorher anrufen sollen, dann hätte ich noch ein bisschen aufgeräumt.«

»Warum kümmert sich Richard nicht selbst um seine Socken?«

Ihre Mutter hielt inne und sah Bonnie an, als hätte die plötzlich eine Fremdsprache benutzt: Socken? Richard? Selbst? Kümmern?

Sie gingen in die Küche und Bonnies Mutter arrangierte auf einem Teller Butterscotch-Brownies und Kokosmakronen.

»Weißt du«, sagte Bonnie, »ich hätte Lust, nach Hawaii zu gehen. Ganz allein. Ich hätte Lust, eine Tasche zu packen und nach Hawaii zu gehen. Ich möchte auf einem Berg stehen und einen Vulkanausbruch beobachten.«

»Einen Vulkanausbruch? Und was soll aus deiner Familie werden?«

»Was soll aus mir werden?«

Ihre Mutter trug Keksteller und Kaffee auf einem Tablett ins Wohnzimmer. »Du hättest nie mit dieser furchtbaren Reinigungsfirma anfangen sollen. Das tut dir nicht gut.«

»Es gefällt mir. Es gibt mir das Gefühl, einen kleinen Beitrag zu leisten.«

»Einen Beitrag dazu, dass du krank wirst.«

»Aber es ist doch genau das, was eine Frau deiner Meinung nach im Leben tun sollte, oder? Putzen. Aufräumen. Schau dich an. Du hast nie etwas anderes gemacht als Aufräumen.«

»Aber keine fremden Leichen. Ich darf nicht mal daran denken.«

»Ich räume keine Leichen auf, Mom. Das macht die Gerichtsmedizin. Okay, manchmal räume ich kleine Leichenteile auf. Haare, Zähne und so. Ich hab mal sieben Zehen unter einem Wäschetrockner gefunden, nachdem einer seine Freundin mit einer Kettensäge ermordet hat.«

Angeekelt fuchtelte Mrs Mulligan mit den Händen vor ihrem Gesicht. »Ich will das nicht hören. Wenn Duke sich nur endlich aufraffen und eine geregelte Arbeit finden könnte, müsstest du das nicht tun. Wie geht es Duke eigentlich?«

»Wie immer. Er hat sich für einen Job im Century Plaza vorgestellt. Als Barkeeper.«

»Ich habe nie verstanden, was du an dem Mann findest.«

»Das weiß ich. Du sagst es mir ja oft genug. Gerade eben noch.«

»Was ist mit deiner anderen Stelle bei dieser Kosmetikfirma?«

»Die bin ich wohl los. Das war wohl mehr eine… Periode.«

Bonnies Mutter starrte sie an: »Bei Gott, Bonnie Mulligan, ich schwöre, dass ich manchmal keine Ahnung habe, wovon du redest.«

Bonnie setzte langsam ihre Kaffeetasse ab. »Mom, was würdest du tun, wenn ein berühmter und reicher Fernsehstar dich zu einer Party einladen würde?«

»Was? Worüber redest du denn jetzt schon wieder? Was für eine Party?«

Bonnie hatte sich geschworen, niemandem von Kyle Lennox zu erzählen. Es sollte ihr Geheimnis bleiben. Ihre Mutter, Duke und Ray und andere würden ihr nur erklären, dass sie alles falsch verstanden hätte und die Party eine Riesenenttäuschung würde und überhaupt keine Stars auftauchen würden. Und am Schluss hätte Bonnie sich vor allen lächerlich gemacht.

Und doch fand sie das alles so aufregend, dass sie es jemandem erzählen musste. Irgendwem, irgendwie.