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In der Tür des Flugzeugs erschienen Denny und Louis, zwischen sich eine lange Metallkiste. Die bugsierten sie die Gangway hinunter und schleppten sie in den Terminal.

Mrs. Sigsby seufzte. »Tja, das hätten wir erwarten können. Wir haben es sogar erwartet. Es geht doch um eine kleine Stadt, oder? Mit einer entsprechend kleinen Polizeibehörde?«

»Außerdem mitten in der Pampa«, ergänzte Stackhouse. »Was eine gute Sache ist. Aber das ist noch nicht alles. Unser Mann sagt, der Sheriff fährt einen großen alten Pick-up, Modell Titan, silberfarben, und der steht weder vor der Polizeistation noch auf dem Parkplatz für die städtischen Angestellten dahinter. Deshalb hat Hollister einen Spaziergang zu dem kleinen Supermarkt gemacht. Er sagt, die beiden Kameltreiber, die dort arbeiten – sein Ausdruck, nicht meiner–, wüssten über alles und jeden Bescheid. Derjenige, der gerade im Dienst war, hat ihm erzählt, der Sheriff hätte sich eine Packung Zigarillos besorgt und gemeint, er würde jetzt zu seiner Mutter fahren, die in einem Altersheim oder einem Hospiz in der nächsten Stadt lebt. Und die nächste Stadt ist etwa dreißig Meilen weit entfernt.«

»Und wieso soll das gut für uns sein?« Mrs. Sigsby fächelte sich mit dem Kragen ihrer Bluse Luft zu.

»Es ist zwar nicht gesagt, dass die Cops in einem Kaff wie DuPray sich um die Vorschriften scheren, aber wenn sie’s tun, halten sie den Jungen einfach fest, bis ihr Chef wiederkommt. Damit der entscheiden kann, was unternommen werden soll. Wie lange brauchen Sie noch bis dorthin?«

»Zwei Stunden. Wir könnten es schneller schaffen, aber wir haben gewisse Hilfsmittel dabei, und da wäre es unklug, das Tempolimit zu überschreiten.«

»Das wäre es in der Tat«, sagte Stackhouse. »Hören Sie, Julia. Die Hillbillys in DuPray können jederzeit Kontakt mit der Polizei von Minneapolis aufnehmen. Vielleicht haben sie das sogar schon getan. Aber ob so oder so, es ist völlig ohne Belang. Das ist Ihnen doch klar, oder?«

»Natürlich.«

»Über alle anderen Schlamassel, die eventuell beseitigt werden müssen, machen wir uns später Gedanken. Kümmern Sie sich vorläufig nur um unseren Ausreißer.«

Damit meinte er, sie sollten ihn töten, was wohl wirklich nötig sein würde. Ellis und alle, die versuchten, ihnen in die Quere zu kommen. Falls es dazu kam, musste sie später zum Nullfon greifen, aber wenn sie der sanften, lispelnden Stimme am anderen Ende versichern konnte, dass das Hauptproblem gelöst worden sei, kam sie vielleicht mit dem Leben davon. Vielleicht behielt sie sogar ihren Job, aber sie würde sich jedenfalls mit ihrem Leben zufriedengeben.

»Ich weiß, was zu tun ist, Trevor. Lassen Sie mich jetzt meine Arbeit machen.«

Damit legte sie auf und betrat den Terminal. Die klimatisierte Luft in dem kleinen Wartesaal traf ihre verschwitzte Haut wie ein Schlag mit der flachen Hand. Denny Williams wartete auf sie.

»Sind wir bereit?«, fragte sie.

»Ja, Ma’am. Klar zum Gefecht. Sobald Sie es mir sagen, übernehme ich die Führung.«

Auf dem Flug von Erie nach Alcolu hatte Mrs. Sigsby sich mit ihrem I-Pad beschäftigt. »An Ausfahrt 181 machen wir kurz halt. Dann werde ich Ihnen das Kommando über die Operation übergeben. Sind Sie damit einverstanden?«

»Selbstverständlich.«

Die anderen warteten bereits draußen. Allerdings standen dort keine schwarzen SUVs mit getönten Scheiben, nur wieder drei Familienkutschen in unauffälligen Farben: Blau, Grün und Grau. Orphan Annie wäre enttäuscht gewesen.

16

Als die Karawane mit Team Gold an der Ausfahrt 181 die Autobahn verließ, befand sie sich mitten im Nirgendwo. Es gab eine Tankstelle und ein Waffle House, aber das war auch alles. Latta, der nächste Ort, war zwölf Meilen entfernt. Fünf Minuten nach dem Waffle House wies Mrs. Sigsby, die vorn im ersten Van saß, Denny an, hinter ein Restaurant zu fahren, das anscheinend etwa um die Zeit dichtgemacht hatte, als Obama Präsident geworden war. Selbst das Schild mit der Aufschrift WIRD NACH DEN BEDÜRFNISSEN DES PÄCHTERS RENOVIERT sah trostlos aus.

Die Metallkiste, die Denny und Louis aus der Challenger geschleppt hatten, wurde geöffnet, und Team Gold bewaffnete sich. Die meisten Mitglieder von Ruby Red und Opal wählten die Glock 37, weil das die Waffe war, die sie bei ihren Extraktionsmissionen trugen. Tony Fizzale bekam ebenfalls eine, und Denny sah mit Freude, dass er sofort den Schlitten zurückzog, um sich zu vergewissern, dass die Kammer leer war.

»Wäre nett, ein Holster zu haben«, sagte Tony. »Ich will mir das Ding eigentlich nicht hinten in den Gürtel stecken wie jemand von ’ner Straßengang.«

»Verstau es vorläufig einfach unter deinem Sitz«, sagte Denny.

Mrs. Sigsby und Michelle Robertson bekamen je eine SIG Sauer P238, die klein genug war, in ihre jeweilige Handtasche zu passen. Als Denny auch Dr. Evans eine anbot, hob der Arzt die Hände und wich einen Schritt zurück. Tom Jones von Team Opal beugte sich zu dem tragbaren Waffenarsenal hinunter und holte eines von zwei Sturmgewehren, Modell HK33, heraus. »Wie wär’s dann damit, Doc? Mit einem Magazin mit dreißig Schuss und stark genug, ’ne Kuh durch die Scheunenwand zu blasen. Ein paar Blendgranaten sind auch dabei.«

Evans schüttelte den Kopf. »Ich bin nur unter Protest dabei. Wenn Sie den Jungen töten wollen, weiß ich nicht recht, wieso ich überhaupt dabei bin.«

»Ihren Protest können Sie sich sonst wohin stecken«, sagte Alice Green, ebenfalls von Team Opal. Das wurde mit der Sorte Gelächter aufgenommen – spröde, nervös, ein bisschen irre–, das man nur hörte, wenn bei einer Operation Schusswaffengebrauch angesagt war.

»Das reicht«, sagte Mrs. Sigsby. »Doktor Evans, es ist durchaus möglich, dass wir den Jungen lebendig aufgreifen können. Denny, haben Sie einen Stadtplan von DuPray auf Ihrem Tablet?«

»Ja, Ma’am.«

»Dann leiten Sie jetzt ab sofort diese Operation.«

»Ausgezeichnet. Kommt mal näher, Leute. Sie auch, Doc, nicht so schüchtern!«

In der brütenden Nachmittagshitze versammelten sich alle um Denny Williams. Mrs. Sigsby warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Viertel nach sechs. Noch eine Stunde bis zum Ziel, vielleicht auch etwas mehr. Sie waren leicht im Verzug, was angesichts des Tempos, mit dem man alles organisiert hatte, akzeptabel war.

»Da ist das Stadtzentrum von DuPray, soweit man von so was sprechen kann«, sagte Denny Williams. »Besteht eigentlich nur aus der Hauptstraße. Auf halber Höhe ist das Büro des Sheriffs, direkt zwischen dem Rathaus und dem DuPray Mercantile.«

»Was soll denn das sein?«, fragte Josh Gottfried von Team Opal.

»So was wie ein Kaufhaus«, sagte Robin Lecks.

»Eher ein Ramschladen, wie es sie früher gab.« Die Bemerkung kam von Tony Fizzale. »Ich hab zehn Jahre in Alabama verbracht, hauptsächlich bei der Militärpolizei, und ich kann euch sagen, dass man sich in diesen kleinen Orten im Süden vorkommt, als wäre man in ’ner Zeitmaschine fünfzig Jahre zurückgereist. Bis auf Walmart. Den gibt es praktisch überall.«

»Schluss mit dem Geschwätz«, sagte Mrs. Sigsby und forderte Denny mit einem Nicken auf weiterzumachen.

»Es ist nicht besonders kompliziert«, sagte Denny. »Wir parken hier hinter dem Kino, das schon lange geschlossen ist. Dann lassen wir uns von unserem Kontaktmann bestätigten, dass die Zielperson sich immer noch in der Polizeistation befindet. Michelle und ich spielen ein Ehepaar auf einer Urlaubsreise, die uns durch die wenig besuchten Orte im amerikanischen Süden führt…«