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»TP und TK zugleich«, murmelte Luke. »Das ist bei mir passiert, aber ich hab’s verborgen gehalten. Wenigstens hab ich das versucht.«

»Wenn die Kinder bereit sind… äh… eingesetzt zu werden, kommen sie vom Vorder- in den Hinterbau. Dort zeigt man ihnen Filme, auf denen immer wieder dieselbe Person zu sehen ist, zu Hause, bei der Arbeit, in der Freizeit, bei Familientreffen. Am Ende bekommen sie ein Triggerbild zu sehen, durch das die Stass-Lichter erzeugt werden. Außerdem stellt es eine Verbindung zwischen ihnen her. Es ist nämlich so… solange sie allein sind, sind ihre Fähigkeiten trotz der Verstärkung relativ klein, aber wenn sie zusammen sind, nimmt ihre Kraft auf bestimmte Weise zu… dafür gibt’s einen mathematischen Begriff, aber…«

»Exponentiell«, sagte Luke.

»Den weiß ich nicht. Ich bin müde. Wichtig ist sowieso nur, dass die Kinder eingesetzt werden, um bestimmte Leute zu eliminieren. Manchmal sieht das nach einem Unfall aus, manchmal nach Selbstmord, manchmal nach Mord. Aber es sind immer die Kinder. Dieser Politiker, Mark Berkowitz? Das waren die Kinder. Und Jangi Gafoor, der sich vor zwei Jahren angeblich versehentlich in seiner Bombenwerkstatt in Kundus in die Luft gesprengt hat? Das waren auch die Kinder. Allein in meiner Zeit im Institut gab es mehrere Hundert solche Todesfälle. Man würde meinen, dass das ohne Sinn und Verstand geschieht – zum Beispiel hat sich vor sechs Jahren ein argentinischer Dichter mit Natronlauge umgebracht–, und ich kann keinen Zusammenhang sehen, aber es muss einen geben, denn die Welt existiert ja noch. Einmal habe ich Mrs. Sigsby, die große Chefin, sagen hören, dass wir wie Leute sind, die ständig ein Boot retten, das sonst sinken würde, und ich glaube ihr.«

Maureen rieb sich die Augen, dann beugte sie sich vor und blickte konzentriert in die Kamera.

»Sie brauchen ständig Nachschub an Kindern mit einem hohen BDNF-Spiegel, weil die im Hinterbau verbraucht werden. Sie kriegen Kopfschmerzen, die immer schlimmer werden, und jedes Mal wenn sie die Stass-Lichter oder Dr. Hendricks mit seiner Wunderkerze sehen, verlieren sie mehr von sich selbst. Wenn man sie am Ende auf den Rübenacker schafft – so wird Station A vom Personal genannt–, ist es so, als würden sie an fortgeschrittenem Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz leiden. Ihr Zustand verschlimmert sich immer weiter, bis sie sterben, normalerweise an Lungenentzündung, weil es auf dem Rübenacker absichtlich kalt ist. Manchmal ist es so…« Sie hob die Schultern. »Ach Gott, es ist so, als würden sie vergessen, wie man den nächsten Atemzug tut. Um die Leichen loszuwerden, hat das Institut ein hochmodernes Krematorium.«

»Nein«, sagte Sheriff John leise. »O nein.«

»Das Personal im Hinterbau arbeitet in langen Schichten, das heißt, es ist ein paar Monate im Dienst und hat dann ein paar Monate frei. Das muss so sein, weil die Atmosphäre dort toxisch ist. Aber weil keiner vom Personal einen hohen BDNF-Spiegel hat, läuft der Prozess langsamer ab. Bei manchen scheint fast überhaupt nichts zu passieren.«

Wieder trank sie etwas Wasser.

»Die zwei Ärzte dort sind allerdings praktisch die ganze Zeit im Einsatz, weshalb beide allmählich den Verstand verlieren. Das weiß ich, weil ich es gesehen habe. Die Haushälterinnen und Hausmeister sind abwechselnd im Vorder- und im Hinterbau, aber viel kürzer. Die Leute in der Cafeteria auch. Ich weiß, das sind eine Menge Informationen, und es gibt noch mehr zu sagen, aber mehr schaffe ich jetzt nicht. Deshalb muss ich aufhören, aber ich will dir noch etwas zeigen, Luke. Dir und allen, die jetzt mit dir zusammen sind. Es ist schwer, so etwas anzuschauen, aber ich hoffe, du schaffst es, weil ich mein Leben riskiert habe, um es aufzunehmen.«

Sie holte zitternd Luft und versuchte zu lächeln. Luke fing zu weinen an, zuerst lautlos.

»Luke, dir bei der Flucht zu helfen war die schwerste Entscheidung meines Lebens, obwohl mir der Tod ins Auge blickt und obwohl mich auf der anderen Seite die Hölle erwartet, daran habe ich keinen Zweifel. Es war schwer, weil das Boot, von dem ich gesprochen habe, jetzt womöglich sinkt, und daran werde ich schuld sein. Deshalb musste ich mich zwischen deinem Leben und dem von den Milliarden Menschen auf der Erde entscheiden, deren Leben vom Werk des Instituts abhängt, ohne dass sie es wissen. Ich habe mich für dich entschieden, was Gott mir vergeben möge.«

Der Bildschirm wurde blau. Tag Faraday griff nach der Tastatur des Laptops, aber Tim hielt seine Hand fest. »Moment.«

Man sah ein statisches Flimmern, es rauschte, und dann begann ein neues Video. Die Kamera bewegte sich einen Flur mit dickem, blauem Teppichboden entlang. Periodisch hörte man ein kratzendes Geräusch, ab und zu wurde das Bild dunkel, als würde eine Jalousie herunterfahren.

Das filmt sie durch eine kleine Öffnung, die sie in die Brusttasche ihrer Uniform gemacht hat, dachte Luke. Durch ein Loch oder einen Riss. Das Kratzen kommt vom Stoff, der über das Mikrofon reibt.

Er bezweifelte, dass man im tiefen Wald von Maine Mobilfunkempfang hatte, aber Handys waren im Institut wahrscheinlich trotzdem streng verboten, weil die Kameras ja funktionieren würden. Wenn man Maureen erwischt hätte, hätte man ihr garantiert nicht nur den Lohn gekürzt oder ihr gekündigt. Sie hatte also tatsächlich ihr Leben riskiert. Das ließ die Tränen schneller fließen. Luke spürte, wie Officer Gullickson – Wendy – den Arm um ihn legte. Dankbar lehnte er sich an sie, richtete den Blick jedoch unverwandt auf den Bildschirm. Jetzt sah er endlich den Hinterbau, den Ort, dem er entkommen war. Den Ort, an dem sich Avery inzwischen zweifellos aufhielt, falls er überhaupt noch am Leben war.

Die Kamera kam an zwei geöffneten Türen rechts vorüber. Maureen drehte sich kurz zur Seite, um den Betrachtern einen Vorführraum mit etwa zwei Dutzend Plüschsesseln zu zeigen. Eine kleine Schar Kinder saß darin.

»Raucht das Mädchen da etwa?«, fragte Wendy.

»Ja«, sagte Luke. »Offenbar kriegt man auch im Hinterbau Zigaretten. Das Mädchen gehört zu meinen Freunden, sie heißt Iris Stanhope. Man hat sie weggebracht, bevor ich geflohen bin. Ob sie wohl noch am Leben ist? Und wenn sie’s ist, ob sie dann wohl noch denken kann?«

Die Kamera schwenkte auf den Flur zurück. Einige weitere Kinder begegneten Maureen und blickten ohne wahrnehmbares Interesse zu ihr auf, bevor sie aus dem Bild verschwanden. Ein Pfleger in einem roten Kittel tauchte auf. Seine Stimme klang gedämpft, weil das Telefon in der Brusttasche steckte, aber die Worte waren verständlich: Er fragte Maureen, ob sie sich freue, wieder da zu sein. Maureen entgegnete, ob er sie für verrückt halte, worauf er lachte. Dann sagte er etwas über Kaffee, aber der Stoff der Tasche raschelte so laut, dass Luke nichts mehr verstand.

»Trägt er da am Gürtel eine Pistole?«, fragte Sheriff John.

»Das ist ein Schockstock«, sagte Luke. »So eine Art Taser. Die Dinger haben einen Regler, mit dem man die Stromstärke einstellen kann.«

»Verdammte Scheiße«, sagte Frank Potter.

Die Kamera kam an zwei weiteren offenen Türen vorüber, diesmal auf der linken Seite, dann blieb Maureen nach gut zwei Dutzend Schritten vor einer Tür stehen, die geschlossen war. STATION A stand in roten Lettern darauf. Mit leiser Stimme sagte Maureen: »Das ist der Rübenacker.«