Выбрать главу

Klick, und durch den lästigen Film aus Staub und Fett hindurch sah Stackhouse weitere Kinder auf Ebene E, beinahe ein Dutzend. Sie trieben sich vor der Aufzugtür herum. Offenbar warteten sie darauf, dass die aufging und die übrigen Meuterzwerge herausströmten. Ganz in der Nähe befand sich der Tunnel, der zum Vorderbau führte. Nicht gut.

Stackhouse griff nach dem Hörer des Festnetztelefons und hörte nur Stille. Offenbar hatte Fellowes aufgelegt. Stackhouse verfluchte die vergeudete Zeit, während er erneut dessen Nummer wählte. »Können Sie den Strom für den Aufzug im Hinterbau abstellen? Damit der im Schaft stecken bleibt?«

»Keine Ahnung«, sagte Fellowes. »Eventuell. Vielleicht steht es im Handbuch für Notfallmaßnahmen. Moment, ich sehe mal…«

Aber es war schon zu spät. Auf Ebene E öffnete sich die Aufzugtür, die Flüchtlinge vom Rübenacker tappten heraus und blickten sich in dem gefliesten Flur um, als gäbe es etwas zu sehen. Das war schlimm, aber Stackhouse sah etwas noch Schlimmeres. Selbst wenn Heckle und Jeckle noch so viele Schlüsselkarten einsammelten und verbrannten, würde das nichts nützen, denn eines von den Kindern – es war der Pimpf, der Ellis gemeinsam mit der Haushälterin zur Flucht verholfen hatte – hielt eine solche Karte in der Hand. Damit konnte er nicht nur die Tür zum Tunnel öffnen, sondern auch die zu Ebene F im Vorderbau. Und wenn die Meute in den Vorderbau gelangte, konnte wer weiß was passieren.

Einen schier endlosen Moment lang saß Stackhouse völlig reglos da. Fellowes quäkte ihm etwas ins Ohr, aber das kam aus weiter Ferne. Denn jetzt hielt der kleine Scheißkerl die Karte tatsächlich an den Sensor und führte seine fröhliche Schar in den Tunnel. Noch knapp zweihundert Meter, dann hatten sie den Vorderbau erreicht. Hinter dem letzten schloss sich die Tür, und der Flur war leer. Als Stackhouse auf eine andere Kamera umschaltete, sah er, wie die Kinder durch den gefliesten Tunnel tappten.

Dr. Hendricks kam hereingestürmt, der gute, alte Donkey Kong mit flatterndem Hemdzipfel, halb offenem Hosenschlitz und rot geränderten, hervorquellenden Augen. »Was ist da los? Was…«

Zu allem Überfluss fing auch noch das Spezialtelefon mit seinem Brrt-brrt-brrt an. Stackhouse hob die Hand, um Hendricks zum Schweigen zu bringen. Das Telefon schnarrte unablässig weiter.

»Andy, die sind jetzt im Tunnel. Sie kommen hierher, und sie haben eine Schlüsselkarte. Wir müssen sie aufhalten. Haben Sie irgendeine Idee?«

Er erwartete nichts als weitere Panik, aber Fellowes überraschte ihn. »Ich glaube, ich könnte die Schlösser abschalten.«

»Was?«

»Die Karten deaktivieren kann ich nicht, aber ich kann die Schlösser blockieren. Die Codes sind computergeneriert, deshalb…«

»Wollen Sie damit sagen, dass man die Bälger einsperren kann?«

»Tja, sozusagen.«

»Dann tun Sie’s! Und zwar sofort!«

»Was ist denn passiert?«, fragte Hendricks. »Meine Güte, ich wollte gerade für heute Schluss machen, da hat der Alarm…«

»Klappe«, sagte Stackhouse. »Aber bleiben Sie hier. Vielleicht brauche ich Sie.«

Das Spezialtelefon plärrte immer noch. Ohne den Blick von dem Tunnel und den hindurchtappenden Strohköpfen abzuwenden, griff er danach. Womit er an jedes Ohr ein Telefon hielt wie jemand in einer alten Slapstickkomödie. »Was ist? Was gibt es?«

»Wir sind vor Ort, und der Junge ist tatsächlich da«, sagte Mrs. Sigsby. Die Verbindung war so gut, als hätte sie im Nebenraum gesessen. »Ich erwarte, dass er sich in Kürze wieder in unseren Händen befindet.« Sie machte eine Pause. »Oder tot ist.«

»Gut für Sie, Julia, aber wir haben hier ein Problem. Es hat eine…«

»Egal was es ist, kümmern Sie sich drum. Hier geht es gleich los. Ich rufe Sie wieder an, sobald wir die Stadt hinter uns gelassen haben.«

Damit legte sie auf. Das war Stackhouse egal, denn wenn Fellowes auf seinem Computer kein Kunststück zustande brachte, gab es vielleicht nichts, wohin Julia zurückkehren konnte.

»Andy! Sind Sie noch dran?«

»Bin ich.«

»Haben Sie es geschafft?«

Stackhouse verspürte die furchtbare Gewissheit, dass Fellowes ihm mitteilen würde, das alte EDV-System habe sich ausgerechnet diesen kritischen Moment ausgesucht, um sich aufzuhängen.

»Ja. Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher. Die Nachricht auf meinem Bildschirm lautet: Orange Schlüsselkarten ungültig, neuen Autorisierungscode eingeben.«

Dass Andy Fellowes sich »ziemlich sicher« war, beruhigte Stackhouse nicht im Mindesten. Er beugte sich auf seinem Stuhl vor und verschränkte die Hände, während er auf den Computermonitor starrte. Hendricks trat hinter ihn und spähte ihm über die Schulter.

»Mein Gott, was tun die denn da unten?«

»Die kommen uns holen, nehme ich an«, sagte Stackhouse. »Wir werden gleich herausfinden, ob sie das schaffen.«

Die Parade aus potenziellen Flüchtlingen verließ das Blickfeld der Kamera. Stackhouse tippte auf die Taste, mit der man das Bild umschaltete, und sah Corinne Rawson, die sich den Kopf von Phil in den Schoß gelegt hatte. Dann hatte er die richtige Kamera gefunden. Sie war auf die Tür zu Ebene F vom Vorderbau gerichtet, die sich am anderen Ende des Tunnels befand. Die Kinder erreichten sie gerade.

»Jetzt geht’s ans Eingemachte«, sagte Stackhouse. Er ballte die Fäuste so fest, dass sich die Fingernägel in die Handflächen bohrten.

Dixon hob die orangefarbene Karte und hielt sie vor den Sensor. Dann griff er nach dem Türknauf, und weil daraufhin nichts geschah, entspannte sich Stackhouse endlich. Neben ihm stieß Hendricks Luft aus, die stark nach Bourbon roch. Im Dienst zu trinken war ebenso verboten wie die Mitnahme eines Mobiltelefons, doch darüber wollte Stackhouse sich jetzt keine Gedanken machen.

Fliegen in einem Marmeladenglas. Mehr seid ihr jetzt nicht mehr, Jungs und Mädels. Und was euch als Nächstes erwartet…

Tja, das ging ihn glücklicherweise nichts mehr an. Was mit denen geschah, sobald das Problem in South Carolina aus der Welt geschafft war, lag in der Verantwortung von Mrs. Sigsby.

»Deshalb bezahlt man dich ja so fürstlich, Julia«, sagte er, lehnte sich zurück und beobachtete, wie einige von den Kids – jetzt von Wilholm angeführt – sich auf den Rückweg machten und an der Tür rüttelten, durch die sie gekommen waren. Ohne Erfolg. Wilholm, diese Nervensäge, warf den Kopf zurück. Sein Mund ging auf. Leider gab es da unten kein Mikrofon, sonst hätte Stackhouse den frustrierten Schrei genießen können.

»Wir haben das Problem eingedämmt«, sagte er zu Hendricks.

»Hm«, machte der.

Stackhouse drehte sich zu ihm um. »Was soll das heißen?«

»Vielleicht nicht ganz.«

28

Tim legte Luke die Hand auf die Schulter. »Wenn du dich wieder in der Lage dazu fühlst, sollten wir jetzt wirklich reingehen und die Sache klären. Erst mal kriegst du eine Cola, und dann…«

»Moment«, sagte Luke wieder, den Blick auf das Händchen haltende Paar gerichtet, das die Straße überquerte. Die beiden hatten die drei an der Mündung der Durchfahrt stehenden Personen offenkundig nicht gesehen, da ihre Aufmerksamkeit auf die Polizeistation gerichtet war.

»Die sind bestimmt von der Autobahn abgefahren und haben sich verirrt«, sagte Wendy. »Jede Wette. Mit so was haben wir jeden Monat ein paarmal zu tun. Kommst du jetzt bitte wieder rein?«

Luke achtete nicht auf sie. Er spürte die anderen Kinder zwar noch – jetzt wirkten sie bestürzt–, aber sie waren so weit hinten in seinen Gedanken, als kämen ihre Stimmen durch einen Lüftungsschlitz aus einem anderen Zimmer. Diese Frau… die mit dem Blumenkleid da drüben…