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Stackhouse verriet ihm, dass die Challenger in der Nähe von Alcolu warte und wo – er hatte eigentlich keine andere Wahl. »Sobald Sie Beaufort erreichen, kann Mrs. Sigsby Ihnen genau den Weg beschreiben. Aber jetzt muss ich noch einmal mit Mr. Ellis sprechen.«

»Ist das wirklich nötig?«

»Es ist sogar unerlässlich.«

Wieder entstand eine kurze Pause, dann meldete sich der Junge. »Was wollen Sie?«

»Ich nehme an, du warst mit deinen Freunden in Kontakt«, sagte Stackhouse. »Vielleicht vor allem mit einem, nämlich mit Mr. Dixon. Nicht nötig, das zu bestätigen oder zu leugnen, ich weiß, dass die Zeit knapp ist. Falls du nicht genau wissen solltest, wo die sich gerade befinden…«

»Sie sind im Tunnel zwischen Vorder- und Hinterbau.«

Das war beunruhigend. Dennoch ließ Stackhouse sich nicht beirren.

»Das stimmt. Wenn wir zu einer Verständigung gelangen, kommen deine Freunde raus und sehen die Sonne wieder. Andernfalls pumpen wir Chlorgas in den Tunnel, wodurch sie langsam und schmerzhaft sterben werden. Ansehen werde ich mir das nicht; sobald ich die Anordnung gegeben habe, bin ich hier weg. Das sage ich dir, weil ich den Eindruck habe, dass dein neuer Freund Tim dich gerne aus dem Deal, über den wir gerade reden, heraushalten würde. Das kommt aber nicht infrage. Verstehst du das?«

Nach kurzem Zögern sagte Luke: »Ja, das verstehe ich. Ich komme mit ihm.«

»Gut. Sind wir fertig?«

»Nicht ganz. Kann man mit dem Telefon von Mrs. Sigsby auch aus dem Flugzeug anrufen?«

Im Hintergrund hörte Stackhouse, wie Mrs. Sigsby das bestätigte.

»Dann halten Sie Ihr Telefon bereit, Mr. Stackhouse«, sagte Luke. »Wir müssen später wieder mit Ihnen sprechen. Und kommen Sie nicht auf die Idee abzuhauen. Falls doch, werde ich’s erfahren. Wir haben eine Polizeibeamtin dabei, und wenn ich der sage, sie soll das Heimatschutzministerium informieren, wird sie das tun. Worauf in jedem Flughafen im Land ein Foto von Ihnen hängen wird, und dann nützt Ihnen kein gefälschter Ausweis auf der Welt. Dann sind Sie wie ein Hase auf offenem Feld. Haben Sie mich verstanden?«

Zum zweiten Mal war Stackhouse so perplex, dass er nichts erwiderte.

»Ob Sie mich verstanden haben?«

»Ja«, sagte er.

»Gut. Wir melden uns dann, um die Einzelheiten zu besprechen.«

Damit beendete der Junge den Anruf. Stackhouse legte das Telefon behutsam auf den Schreibtisch, wobei ihm auffiel, dass seine Hand leicht zitterte. Teilweise aus Angst, hauptsächlich aber vor Wut. Wir melden uns dann, hatte der Junge gesagt, als wäre er ein Topmanager aus Silicon Valley und Stackhouse ein kleiner Sesselfurzer, der nach seiner Pfeife tanzen musste.

Abwarten, dachte er. Das werden wir ja noch sehen.

42

Luke reichte Tim das Telefon, als wäre er froh, es loszuwerden.

»Woher weißt du denn, dass er einen gefälschten Ausweis hat?«, fragte Wendy. »Hast du das in seinen Gedanken gelesen?«

»Nein«, sagte Luke. »Aber ich möchte wetten, dass er massenhaft so Zeug hat – Reisepässe, Führerscheine, Geburtsurkunden. Bestimmt haben viele von denen so was. Vielleicht nicht die Pfleger, die MTAs und die Leute in der Cafeteria, aber die an der Spitze ganz sicher. Die sind alle wie Eichmann oder Walther Rauff, einer von den Typen, die auf die Idee mit den mobilen Gaskammern gekommen sind.« Luke sah Mrs. Sigsby an. »So jemand wie Rauff hätte gut zu Ihren Leuten gepasst, oder?«

»Selbst wenn Trevor gefälschte Dokumente haben sollte, ich habe keine«, sagte Mrs. Sigsby.

Und obwohl Luke nicht in ihren Kopf eindringen konnte – den hatte sie vor ihm verschlossen–, ging er davon aus, dass sie die Wahrheit sagte. Für Menschen wie sie gab es einen bestimmten Ausdruck, und der lautete fanatisch. Eichmann, Mengele und Rauff waren opportunistische Feiglinge gewesen, die geflohen waren; ihr fanatischer Führer war geblieben und hatte Selbstmord begangen. Luke war sich ziemlich sicher, dass diese Frau das ebenfalls tun würde, wenn sich ihr die Gelegenheit bot. Falls das relativ schmerzfrei möglich war.

Er stieg in den Wagen, wobei er darauf achtete, nicht an den verwundeten Fuß von Dr. Evans zu stoßen. »Mr. Stackhouse meint, er hat mich im Visier, aber das stimmt nicht.«

»Nein?«, sagte Tim.

»Nein. Ich habe ihn im Visier.«

In der zunehmenden Dämmerung flackerten vor Lukes Augen die Stass-Lichter auf. Die Schiebetür des Vans rollte von selbst zu.

DAS GROSSE TELEFON

1

Bis Beaufort war es im Wagen weitgehend still. Einmal versuchte Dr. Evans, ein Gespräch in Gang zu bringen, um den anderen erneut zu versichern, er wäre an allem völlig unschuldig. Daraufhin stellte Tim ihn vor die Wahl, entweder die Klappe zu halten und sich damit zwei von den Oxycodon-Tabletten zu verdienen, die Doc Roper zur Verfügung gestellt hatte, oder weiterzureden und die Schmerzen in seinem verwundeten Fuß auszuhalten. Evans entschied sich fürs Schweigen und für die Pillen. In dem braunen Gläschen waren danach nur noch wenige übrig. Tim bot eine Mrs. Sigsby an, die sie trocken hinunterschluckte, ohne sich zu bedanken.

Tim wollte wegen Luke, dass es ruhig blieb, denn der war jetzt der Kopf des Unternehmens. Die meisten Leute hätten es zwar als verrückt bezeichnet, einem Zwölfjährigen eine Strategie zuzutrauen, die Kinder im Tunnel zu retten, ohne dabei selbst ums Leben zu kommen, aber Wendy verhielt sich ebenfalls ruhig. Sie und Tim wussten, was Luke getan hatte, um bis nach DuPray zu gelangen, und sie hatten ihn seither handeln sehen. Sie wussten Bescheid.

Worüber genau wussten sie Bescheid? Nun, sie wussten, dass der Junge da nicht nur extrem viel Mumm hatte, sondern auch ein echtes Genie war. Diese Verbrecher vom Institut hatten ihn gekidnappt, um sich ein Talent zunutze zu machen, mit dem er wenig mehr zustande brachte als ein paar Zaubertricks, jedenfalls bevor es verstärkt worden war. Sie hielten seine Intelligenz für eine bloße Begleiterscheinung von dem, worauf sie es abgesehen hatten. Damit waren sie wie Wilderer, die einen fünf Tonnen schweren Elefanten abschlachteten, um an vierzig Kilo Elfenbein zu gelangen.

Tim bezweifelte, dass Dr. Evans sich dieser Ironie bewusst war, aber Mrs. Sigsby wäre dazu wohl in der Lage gewesen. Allerdings nur, wenn sie einer bestimmten Vorstellung Raum gelassen hätte – dass eine geheime Einrichtung, die viele Jahrzehnte überdauert hatte, von genau dem zu Fall gebracht werden konnte, was man für belanglos gehalten hatte, nämlich von dem beeindruckenden Intellekt dieses Kindes.

2

Gegen neun Uhr abends, und kurz nachdem sie die Stadtgrenze von Beaufort hinter sich gelassen hatten, forderte Luke Tim auf, ein Motel zu suchen. »Stell den Wagen aber nicht davor ab«, fügte er hinzu. »Fahr nach hinten.«

In der Boundary Street gab es eine Econo Lodge, deren rückwärtiger Parkplatz von Magnolien beschattet wurde. Tim hielt hinten am Zaun und stellte den Motor ab.

»Hier verlässt du uns, Officer Wendy«, sagte Luke.

»Tim?«, sagte Wendy. »Wovon redet er da?«

»Davon, dass du dir ein Zimmer besorgen sollst, womit er recht hat«, sagte Tim. »Du bleibst hier, wir fahren weiter.«

»Komm wieder her, sobald du den Zimmerschlüssel hast«, sagte Luke. »Und bring ein paar Blatt Papier mit. Hast du einen Kugelschreiber?«

»Natürlich, und mein Notizbuch hab ich auch dabei.« Sie klopfte auf die Vordertasche ihrer Uniformhose. »Aber…«

»Wenn du wiederkommst, erkläre ich dir alles, so gut es geht, aber im Grunde läuft es darauf hinaus, dass du unsere Versicherungspolice bist.«