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Ein Bienenstock, dachte sie. Das sind wir jetzt. Ein Schwarm von paranormal veranlagten Bienen.

Kalisha stand auf und blickte sich um. Sie waren immer noch im Tunnel gefangen, daran hatte sich nichts geändert, aber sie hatte den Eindruck, dass die Gruppenkraft stärker geworden war. Vielleicht war das der Grund, weshalb die Kinder aus Station A nicht eingeschlafen waren, obwohl es ziemlich spät sein musste; Kalishas Zeitgefühl war immer gut gewesen, und jetzt dachte sie, dass es mindestens halb zehn sein musste, vielleicht auch etwas später.

Das Summen war lauter denn je und hatte eine Art zyklischen Rhythmus angenommen: mmm-MMM-mmm-MMM. Sie sah mit Interesse (aber ohne große Überraschung), dass die Leuchtstofflampen an der Decke demselben Rhythmus folgten, indem sie heller wurden, ein bisschen dunkler und dann wieder heller.

TK, die man tatsächlich sehen kann, dachte sie. Auch wenn sie uns absolut nichts nützt.

Pete Littlejohn, der Junge, der sich vorher ständig auf den Kopf geklopft und dabei ja-ja-ja-ja-ja-ja gerufen hatte, kam auf sie zugesprungen. Damals im Vorderbau war Pete einerseits herzig und andererseits nervig gewesen wie ein kleiner Bruder, der sich ständig an einen hängte und zu lauschen versuchte, wenn man sich unter Freundinnen Geheimnisse erzählte. Mit seinem feuchten Mund, seinem herabhängenden Unterkiefer und seinen leeren Augen bot er jetzt einen Anblick, der schwer zu ertragen war.

»¿Me escuchas?«, fragte er. »Hörst du mich?«

»Du hast es also auch geträumt«, sagte Kalisha.

Anstatt darauf zu reagieren, wandte Pete sich wieder seinen umherwandernden Gefährten zu. Jetzt sagte er etwas, was sich nach staizez minni anhörte. Weiß Gott, was für eine Sprache das ist, dachte sie, aber bestimmt bedeutet es dasselbe wie sonst auch.

»Ich höre dich«, sagte Kalisha zu niemand Bestimmtes. »Aber was willst du eigentlich?«

Ungefähr in der Hälfte des Tunnels hatte jemand etwas mit Malkreide an die Wand geschrieben. Kalisha ging hin, um es sich anzusehen, wobei sie mehreren durch die Gegend trottenden Kids ausweichen musste. In großen violetten Buchstaben stand da: RUF DAS GROSE FON AN. NIM DAS GROSE FON AB. Also träumten die Kids aus Station A es tatsächlich auch, nur waren sie dabei wach. Da ihr Gehirn weitgehend ausgelöscht war, träumten sie vielleicht ohnehin die ganze Zeit. Was für eine fürchterliche Idee, nur zu träumen, zu träumen und zu träumen, ohne je fähig zu sein, in die reale Welt zurückzufinden.

»Du also auch, hm?«

Das war Nicky. Seine Augen waren vom Schlaf verquollen, die Haare standen in alle Richtungen ab. Damit sah er irgendwie niedlich aus. Kalisha hob die Augenbrauen.

»Der Traum. Großes Haus, immer größere Telefone? So ähnlich wie in Die 500 Hüte des Bartholomew Cubbins?«

»Die Hüte von wem?«

»Das ist ein Buch von Dr. Seuss. Bartholomew will vor dem König seinen Hut lüften, aber jedes Mal, wenn er einen abnimmt, ist ein größerer und prächtigerer drunter.«

»Hab ich nicht gelesen, aber das mit dem Traum stimmt schon. Ich glaube, der kam von Avery.« Sie deutete auf den Avester, der völlig erschöpft weiterschlief. »Zumindest hat er bei dem angefangen.«

»Kann sein, aber vielleicht empfängt ihn Avery auch von irgendwoher und gibt ihn verstärkt weiter. Ist wohl nicht so wichtig.« Nicky betrachtete die Botschaft an der Wand, dann blickte er sich um. »Die Rüben sind aber unruhig heute Nacht.«

Kalisha sah ihn finster an. »Nenn sie nicht so. Das ist ein Wort für Sklaven. Du sagst ja auch nicht Nigger zu mir.«

»Okay«, sagte Nicky. »Dann sind eben die geistig Behinderten heute Nacht unruhig. Klingt das besser?«

»Ja.« Sie schenkte ihm ein Lächeln.

»Wie geht es deinem Kopf, Sha?«

»Besser. Gut sogar. Und deinem?«

»Auch.«

»Meinem auch«, sagte George, während er sich zu den beiden gesellte. »Danke der Nachfrage. Habt ihr auch den Traum gehabt? Immer größere Telefone und hallo, hörst du mich?«

»Haben wir«, sagte Nicky.

»Das letzte Telefon, kurz bevor ich aufgewacht bin, war größer als ich. Außerdem ist das Summen jetzt stärker.« Dann fügte er in demselben beiläufigen Ton hinzu: »Was meint ihr, wie lange es noch dauert, bis sie auf die Idee kommen, uns zu vergasen? Ich wundere mich, dass sie das noch nicht getan haben.«

6

Viertel vor zehn auf dem Parkplatz der Econo Lodge in Beaufort, South Carolina.

»Ich höre«, sagte Stackhouse. »Wenn du dir von mir helfen lässt, können wir vielleicht gemeinsam eine Lösung finden. Lass uns darüber reden.«

»Nein danke«, sagte Luke. »Sie sollen bloß zuhören. Und machen Sie sich Notizen, weil ich’s nicht zweimal sagen will.«

»Ist dein Freund Tim noch…«

»Wollen Sie den USB-Stick oder nicht? Wenn nicht, können Sie gerne weiterreden. Aber wenn Sie ihn wollen, halten Sie verflucht noch mal den Mund!«

Tim legte Luke die Hand auf die Schulter. Auf dem Beifahrersitz schüttelte Mrs. Sigsby betrübt den Kopf. Luke musste nicht erst ihre Gedanken lesen, um zu wissen, was sie dachte: Da versuchte ein Junge sich an etwas, was die Aufgabe eines Mannes wäre.

Stackhouse seufzte. »Na gut. Stift und Papier sind bereit.«

»Erstens: Den USB-Stick hat Officer Wendy zwar nicht, den haben wir dabei, aber sie kennt die Namen von meinen Freunden – Kalisha, Avery, Nicky, Helen und noch ein paar andere – und weiß, wo die herkommen. Falls deren Eltern tot sind wie meine, wird das ausreichen, auch ohne den Stick eine Untersuchung in Gang zu bringen. Dazu muss Wendy kein einziges Wort über paranormal veranlagte Kinder oder die ganzen Mordanschläge sagen. Man wird das Institut finden, und selbst wenn Sie es geschafft haben sollten abzuhauen, Stackhouse, würden die Leute, von denen Sie bezahlt werden, Sie aufspüren und zur Strecke bringen. Wir sind also Ihre beste Überlebenschance. Ist das bei Ihnen angekommen?«

»Erspar mir deine Überredungskünste. Wie heißt Officer Wendy mit Nachnamen?«

Tim, der sich nah zu Luke beugte, um beide Seiten des Dialogs mitzubekommen, schüttelte den Kopf. Den Rat hätte Luke allerdings gar nicht gebraucht.

»Geht Sie nichts an. Zweitens: Kontaktieren Sie das Flugzeug, mit dem Ihr Stoßtrupp hierhergekommen ist. Sagen Sie den Piloten, die sollen sich im Cockpit einschließen, sobald sie uns kommen sehen.«

Tim flüsterte zwei Wörter. Luke nickte.

»Aber bevor sie das tun, sollen sie die Gangway herunterklappen.«

»Wie sollen sie erkennen, dass ihr es seid?«

»Daran, dass wir in einem von den Vans sitzen, mit denen Ihre Killer zu uns gekommen sind.« Luke genoss diese Mitteilung an Stackhouse, weil er ihm damit etwas unter die Nase rieb: Mrs. Sigsby hatte zum Schlag ausgeholt und danebengetroffen.

»Das heißt, wir sehen den Piloten und den Kopiloten nicht, und die sehen uns nicht. Wenn wir dort landen, von wo die Maschine gestartet ist, bleiben die beiden im Cockpit. Ist so weit alles klar?«

»Ja.«

»Drittens: Ich will, dass ein Van auf uns wartet, einer mit neun Sitzen, genau wie der, mit dem wir gerade aus DuPray gekommen sind.«

»So einen haben wir nicht.«

»Unsinn. In Ihrer kleinen Siedlung gibt’s einen ganzen Fuhrpark. Hab ich mit eigenen Augen gesehen. Also, wollen Sie sich mit mir einigen, oder soll ich mir die Mühe sparen?«