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Sobald die Challenger in der Nähe des Wagens gestoppt hatte, verstummten die Triebwerke. Einen Moment war Tim sich diesbezüglich nicht ganz sicher, denn er hörte ein leises Summen.

»Das kommt nicht vom Flugzeug«, sagte Luke. »Das sind die Kids. Je näher wir ihnen sind, desto stärker wird es.«

Tim ging nach vorn, legte den großen roten Hebel um, mit dem man die Tür öffnete, und klappte die Gangway aus. Deren Ende kam gut einen Meter vor der Fahrertür des Suburbans auf dem Asphalt auf.

»Okay«, sagte er, während er zu den anderen zurückging. »Da sind wir. Aber bevor wir aussteigen, Mrs. Sigsby, habe ich noch was für Sie.«

Auf dem Konferenztisch der Maschine hatte er einen Stapel Hochglanzbroschüren mit den verschiedenen Wundertaten der inexistenten Maine Paper Industries entdeckt, dazu ein halbes Dutzend Basecaps mit dem Namen des Pseudounternehmens. Eine Kappe reichte er Mrs. Sigsby, eine zweite hatte er für sich selbst reserviert.

»Setzen Sie die auf, und ziehen Sie sie in die Stirn. Sie haben kurze Haare, da sollten alle drunterpassen.«

Mrs. Sigsby betrachtete die Mütze mit Widerwillen. »Wozu?«

»Sie steigen als Erste aus. Falls uns jemand auflauert, wäre es mir lieb, wenn Sie die Schüsse abkriegen.«

»Wieso sollte man denn jemand hierherschicken, wo wir doch dort hinfahren?«

»Da das zugegebenermaßen unwahrscheinlich ist, haben Sie sicher nichts dagegen, die Erste zu sein.« Tim setzte ebenfalls seine Basecap auf, nur andersherum, sodass das verstellbare Band sich über seine Stirn spannte. Luke fand, dass er zu alt dafür war – das war etwas für Kids–, aber er hielt den Mund. Vielleicht wollte Tim sich damit ja hochputschen.

»Evans«, fuhr Tim fort. »Sie gehen direkt hinter ihr.«

»Nein«, sagte Dr. Evans. »Ich werde dieses Flugzeug nicht verlassen. Ich bin nicht mal sicher, ob ich das überhaupt könnte. Mein Fuß tut viel zu weh. Ich kann ihn überhaupt nicht belasten.«

Tim überlegte einen Moment, dann sah er Luke an. »Was meinst du dazu?«

»Er sagt die Wahrheit«, antwortete Luke. »Er müsste die Treppe runterhüpfen, und die ist steil. Nicht dass er runterfällt.«

»Eigentlich hätte ich gar nicht dabei sein dürfen«, sagte Dr. Evans. Aus seinem linken Auge quoll eine dicke Träne. »Schließlich bin ich Mediziner!«

»Sie sind ein medizinisches Monster«, sagte Luke. »Sie haben zugesehen, wie Kinder beinahe ertrunken sind – und dabei dachten, sie würden wirklich ertrinken–, und Sie haben sich Notizen gemacht. Manche Kinder sind durch eine extreme Reaktion auf die Spritzen, die sie von Ihnen und Hendricks bekommen haben, tatsächlich gestorben. Und die, die überlebt haben, hatten kein richtiges Leben mehr, oder? Ich sag Ihnen was, ich würd Ihnen gern auf den Fuß da treten. Richtig den Absatz reinbohren.«

»Nein!«, kreischte Evans. Er kauerte sich in den Sitz und zog den geschwollenen Fuß hinter den anderen.

»Luke!«, sagte Tim.

»Keine Angst«, sagte Luke. »Ich würd’s zwar wirklich gern, aber ich tu’s nicht. Sonst wäre ich ja wie der da.« Er sah Mrs. Sigsby an. »Aber Sie haben keine andere Wahl. Stehen Sie auf, und steigen Sie die Treppe da runter!«

Mrs. Sigsby setzte die Basecap auf und erhob sich mit so viel Würde, wie sie zustande brachte. Luke wollte ihr folgen, aber Tim hielt ihn zurück. »Du gehst hinter mir. Weil du am wichtigsten bist.«

Luke widersprach ihm nicht.

Auf der obersten Treppenstufe blieb Mrs. Sigsby stehen und hob die Hände in die Luft. »Ich bin’s, Mrs. Sigsby! Falls jemand da unten ist, bloß nicht schießen!«

Luke fing klar auf, was Tim dachte: So sicher, wie sie behauptet hat, ist sie sich nicht.

Niemand reagierte; kein äußeres Geräusch außer von den Grillen, kein inneres Geräusch außer dem leisen Summen. Langsam stieg Mrs. Sigsby die Gangway hinab, wobei sie sich am Geländer festhielt, um ihr verwundetes Bein zu schonen.

Tim klopfte mit dem Pistolengriff an die Tür des Cockpits. »Danke, meine Herren. Es war ein guter Flug. Einen Passagier haben Sie übrigens noch an Bord. Schaffen Sie ihn hin, wohin Sie wollen.«

»Am besten in die Hölle«, sagte Luke. »One-Way, ohne Rückflugticket.«

Als Tim auf die Gangway trat, machte er sich auf einen Schuss gefasst – schließlich hatte er nicht erwartet, dass Mrs. Sigsby sich lautstark zu erkennen gab. Das hätte er natürlich tun sollen, aber es kam ohnehin kein Schuss.

»Auf den Beifahrersitz«, sagte er zu Mrs. Sigsby. »Luke, du setzt dich direkt hinter sie. Ich hab zwar die Pistole, aber du musst mir Deckung geben. Falls sie versucht, mir in die Quere zu kommen, wendest du einen von deinen mentalen Tricks an. Verstanden?«

»Klar«, sagte Luke und stieg hinten ein.

Mrs. Sigsby setzte sich und legte den Gurt an. Als sie die Hand ausstreckte, um die Tür zu schließen, schüttelte Tim den Kopf. »Noch nicht.« Er ließ eine Hand auf der Türkante liegen, während er Wendy anrief, die sicher und geborgen in ihrem Zimmer in der Econo Lodge in Beaufort wartete.

»Der Adler ist gelandet.«

»Wie läuft es?« Die Verbindung war so gut, als stünde Wendy neben ihm. Das wünschte er sich kurz sogar, bis ihm einfiel, wohin sie wollten.

»Bisher prima. Bleib wach. Ich ruf dich an, sobald es vorüber ist.«

Falls ich das dann noch kann, dachte er. Anschließend ging er zur anderen Seite des Wagens und stieg ein. Der Schlüssel lag im Becherhalter. Er nickte Mrs. Sigsby zu. »Jetzt können Sie die Tür zumachen.«

Während sie das tat, warf sie ihm einen verächtlichen Blick zu und sagte genau das, was Luke vorher gedacht hatte: »Wenn Sie die Mütze so rum tragen, sehen Sie bemerkenswert dämlich aus, Mr. Jamieson.«

»Was soll ich sagen, ich bin Eminem-Fan. Und Sie halten jetzt die Klappe.«

14

Im dunklen Terminal von Maine Paper Industries kniete ein Mann am Fenster und beobachtete, wie die Scheinwerfer des Suburbans aufflammten und dieser auf das offene Tor zurollte. Es handelte sich um Irwin Mollison, einen arbeitslosen Sägewerksarbeiter, der zu den vielen Zuträgern des Instituts im Umkreis von Dennison River Bend gehörte. Stackhouse hätte zwar Ron Church befehlen können zu bleiben, wusste jedoch aus Erfahrung, dass es eine schlechte Idee war, Leuten einen Befehl zu erteilen, die ihn eventuell missachten würden. Da war es besser, jemand zu nehmen, der sich nur ein Taschengeld dazuverdienen wollte.

Mollison wählte eine Nummer, die er auf seinem Handy eingespeichert hatte. »Sie sind unterwegs«, sagte er. »Ein Mann, eine Frau und ein Junge. Die Frau trägt eine Mütze auf dem Kopf, daher konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, aber sie hat sich in die Tür vom Flugzeug gestellt und ihren Namen gebrüllt. Mrs. Sigsby. Der Mann hat auch eine Mütze auf, bloß mit dem Schirm nach hinten. Und der Junge ist der, den Sie suchen. Hat einen Verband am Ohr und einen brutalen blauen Fleck an der Seite vom Gesicht.«

»Gut«, sagte Stackhouse. Er hatte bereits einen Anruf vom Kopiloten der Challenger erhalten, der ihm berichtet hatte, dass Dr. Evans noch in der Maschine sitze. Was okay war.

Bisher war alles okay… jedenfalls soweit das unter den gegebenen Umständen möglich war. Der Bus stand wie gefordert am Fahnenmast. Doug den Koch und Chad den Pfleger wollte Stackhouse dort zwischen den Bäumen gegenüber vom Verwaltungsgebäude postieren, wo die Einfahrt des Instituts anfing. Zeke Ionidis und Felicia Richardson würden ihren Posten auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes beziehen, hinter einer Brüstung verborgen, bis es losging. Gladys sollte das Gift in das Belüftungssystem einspeisen und sich dann in Sicherheit bringen. Die beiden Positionen der Schützen ermöglichten ein klassisches Kreuzfeuer, wenn der Suburban sich näherte – so lautete zumindest die Theorie. Wenn Stackhouse neben dem Fahnenmast stand, die Hand auf die Kühlerhaube vom Bus gelegt, würde er mindestens dreißig Meter von den sich kreuzenden Geschossen entfernt sein. Es bestand zwar ein gewisses Risiko, von einem Querschläger getroffen zu werden, aber das war akzeptabel.