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Brandon grinste. »Und ob!« Er wandte sich Luke zu, ballte blitzschnell die Faust und ließ sie auf Lukes Gesicht zusausen. Zwei, drei Zentimeter vor der Nase stoppte er ab, aber Luke zuckte trotzdem zusammen und schrie auf. Brandon lachte herzhaft, während Priscilla ihm ein verständnisvolles Lächeln schenkte. Nach dem Motto: Männer halt.

»Nimm’s locker, Luke«, sagte Brandon und stolzierte den Flur von Ebene C entlang wie ein Westernheld im B-Movie. Sein im Holster steckender Schockstock klopfte ihm dabei an den Oberschenkel.

Im Hauptflur oben – wo offenbar alle Insassen untergebracht waren – standen Gerda und Greta und blickten mit weit aufgerissenen Augen verängstigt durch die Gegend. Die beiden kleinen Mädchen hielten sich an der Hand und drückten Puppen an sich, die ebenso genau gleich aussahen wie sie selbst. Sie erinnerten Luke an die Zwillinge in irgendeinem alten Horrorfilm.

Priscilla begleitete ihn zu seiner Tür und marschierte wortlos davon. Luke ging hinein, sah, dass inzwischen niemand hereingekommen war, um ihm seinen Laptop wegzunehmen, und plumpste aufs Bett, ohne auch nur die Schuhe auszuziehen. So schlief er die nächsten fünf Stunden.

15

Mrs. Sigsby wartete bereits, als Dr. Hendricks alias Donkey Kong die kleine Privatwohnung neben ihrem Büro betrat. Sie thronte auf dem kleinen Sofa. Er überreichte ihr einen Aktenordner. »Ich weiß, dass Sie Ausdrucke schätzen, daher bitte sehr. Mögen sie Ihnen nützen.«

Sie öffnete den Ordner nicht. »Die können mir weder nützen noch schaden, Dan. Schließlich sind es Ihre Tests, Ihre sekundären Experimente, und die scheinen sich nicht bezahlt zu machen.«

Er schob trotzig den Unterkiefer vor. »Agnes Jordan. William Gortsen. Veena Patel. Zwei oder drei weitere, deren Namen mir momentan entfallen sind. Donna soundso zum Beispiel. Bei denen allen haben wir positive Resultate erzielt.«

Sie seufzte und zupfte an ihren dünner werdenden Haaren. Hendricks fand, dass Siggers ein Vogelgesicht hatte – zwar eine scharfe Nase anstatt eines Schnabels, aber dieselben gierigen Äuglein. Ein Vogelgesicht mit einem Bürokratenhirn dahinter. Eigentlich hoffnungslos. »Dafür haben Sie bei mehreren Dutzend Pinks überhaupt keine Resultate erhalten.«

»Das mag stimmen, aber denken Sie doch mal nach«, sagte er, weil das, was er eigentlich sagen wollte – wie können Sie bloß so dämlich sein?–, ihn schwer in die Bredouille gebracht hätte. »Wenn wirklich ein Zusammenhang zwischen Telepathie und Telekinese besteht, wie meine Experimente es vermuten lassen, gibt es vielleicht noch andere paranormale Fähigkeiten, die latent vorhanden sind und nur darauf warten, hervorgelockt zu werden. Das, wozu selbst die talentiertesten unter den Kindern hier imstande sind, ist eventuell nur die Spitze des Eisbergs. Angenommen, eine Heilung mit paranormalen Methoden wäre eine echte Möglichkeit? Angenommen, ein Glioblastom wie das, an dem John McCain gestorben ist, könnte nur durch die Kraft des Geistes kuriert werden? Angenommen, diese Fähigkeiten könnten dazu eingesetzt werden, das Leben zu verlängern, vielleicht auf hundertfünfzig Jahre oder gar mehr? Das, wofür wir diese Kinder einsetzen, muss nicht das Ende sein; womöglich ist es erst der Anfang!«

»Das höre ich alles nicht zum ersten Mal«, sagte Mrs. Sigsby. »Außerdem habe ich es in dem Schriftstück gelesen, das Sie so hübsch als Ihre Leitvorstellung bezeichnen.«

Aber du kapierst es nicht, dachte er. Genauso wenig wie Stackhouse. Evans kapiert es zwar einigermaßen, aber nicht einmal der erkennt das gewaltige Potenzial. »Es ist ja nicht so, als ob dieser Knabe namens Ellis oder jemand wie Iris Stanhope besonders wertvoll wären. Schließlich gibt es einen guten Grund, weshalb wir sie als Pinks bezeichnen.« Er machte pff und wedelte mit der Hand.

»Das entsprach vor zwanzig Jahren mehr der Wahrheit als heute«, erwiderte Mrs. Sigsby. »Noch vor zehn Jahren.«

»Aber…«

»Es reicht, Dan. Hat der kleine Ellis nun irgendwelche Anzeichen dafür erkennen lassen, dass er TP ist, oder nicht?«

»Nein, aber er hat die Lichter auch dann noch gesehen, als der Projektor längst ausgeschaltet war, was wir für einen Indikator halten. Für einen starken Indikator. Dann hatte er leider einen Krampfanfall. Was nicht ungewöhnlich ist, wie Sie wissen.«

Sie seufzte. »Ich habe keine Einwände dagegen, dass Sie Ihre Tests mit den Stass-Lichtern fortsetzen, Dan, aber Sie müssen die Dinge nüchtern betrachten. Unser Hauptzweck besteht darin, die Rekruten für den Hinterbau vorzubereiten. Das ist das Wichtigste, das eigentliche Ziel. Irgendwelche Nebenwirkungen sind da nicht von großer Bedeutung. Das Management hat kein Interesse an dem paranormalen Pendant von Minoxidil.«

Hendricks fuhr zusammen, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. »Ein blutdrucksenkendes Mittel, das nebenbei dazu verwendet wird, auf dem Schädel von kahlen Spießbürgern wieder Haare sprießen zu lassen, ist wohl kaum mit einem Verfahren vergleichbar, das den Lauf der Menschheitsgeschichte verändern könnte!«

»Mag sein, und wenn Ihre Tests häufiger Ergebnisse erbracht hätten, würden ich und die Leute, die unser Gehalt bezahlen, wohl mehr Begeisterung an den Tag legen. Bisher haben Sie jedoch nur einige Zufallstreffer vorzuweisen.«

Er machte den Mund auf, um zu widersprechen, schloss ihn aber gleich wieder, weil sie ihm ihren schärfsten Blick zuwarf.

»Vorläufig können Sie Ihre Tests weiterführen, geben Sie sich damit zufrieden«, sagte sie. »Das ist schon deshalb angebracht, weil wir wegen diesen Tests mehrere Kinder verloren haben.«

»Pinks«, sagte er und gab wieder ein wegwerfendes Pff von sich.

»Sie tun so, als gäbe es die wie Sand am Meer«, sagte sie. »Das war vielleicht mal so, aber damit ist es vorbei, Dan. Definitiv vorbei. Übrigens habe ich was für Sie.«

Es war ein roter Aktenordner, der den Stempel VERLEGUNG trug.

16

Als Luke am Abend in den Aufenthaltsraum kam, saß Kalisha auf dem Boden und hatte den Rücken an eines der großen Fenster gelehnt, durch die man den Spielplatz sah. Sie nuckelte an einer kleinen Flasche. Einer von den Alcopops, die man aus dem Automaten ziehen konnte.

»Trinkst du das Zeug etwa?«, fragte er, während er sich neben ihr niederließ. Draußen vergnügten sich Avery und Helen auf dem Trampolin; offenbar brachte sie ihm gerade bei, wie man eine Rolle vorwärts machte. Bald würde es zu dunkel sein, dann mussten die beiden hereinkommen. Die Tür zum Spielplatz wurde zwar nie abgeschlossen, aber draußen gab es keinerlei Beleuchtung, was von nächtlichen Besuchen abschreckte.

»Zum ersten Mal. Hab meine ganzen Münzen dafür aufgebraucht. Schmeckt ziemlich furchtbar. Willst du probieren?« Sie streckte ihm die Flasche hin, die ein Getränk namens Twisted Tea enthielt.

»Lieber nicht. Hör mal, Sha, wieso hast du mir nicht erzählt, dass der Lichtertest so schlimm ist?«

»Sag doch lieber Kalisha zu mir. Du bist der Einzige, der das tut, und ich mag es.« Ihre Stimme klang ein winziges bisschen verwaschen. Sie hatte bestimmt erst ein paar Schlucke von dem alkoholischen Gesöff getrunken, war aber offensichtlich nicht daran gewöhnt.

»Na gut. Kalisha. Also, wieso hast du es mir nicht gesagt?«

Sie zuckte die Achseln. »Sie zwingen dich dazu, irgendwelche herumtanzenden farbigen Lichter anzuschauen, bis dir ein bisschen schwindlig wird. Was ist so schlimm daran?« Das daran verschluckte sie halb.

»Echt? Ist das alles, was bei dir passiert ist?«

»Ja. Wieso? Was ist denn bei dir passiert?«