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Als jemand, dessen großer Trick darin bestand, ein Pizzablech von einem Restauranttisch zu schieben, ohne es anzufassen, konnte Luke nur zustimmen. »Hat man dich eigentlich geschlagen?«

»Ein Mal, und das war ein echter Hammer«, sagte George. »Als ich versucht hab, einen Witz zu reißen. Priscilla, diese Bitch, hat mir ’ne Ohrfeige verpasst.«

»Die hab ich auch schon kennengelernt. Stimmt, die ist ’ne Bitch, wie sie im Buche steht.«

Diesen Ausdruck hasste seine Mutter noch mehr als Scheiße und verfickt, und als er ihn jetzt aussprach, vermisste er sie wieder ganz furchtbar.

»Und du hast nicht gewusst, was auf den Karten war.«

George warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. »Ich bin TK, nicht TP. Genau wie du. Wie hätte ich da etwas wissen sollen?«

»Hab ich mir schon gedacht.«

»Weil ich die Zenerkarten schon von Princeton her kannte, hab ich erst Kreuz geraten, dann Stern und dann Wellenlinien. Priscilla hat mir gesagt, ich soll aufhören zu lügen, und als Evans sich die nächste Karte angeschaut hat, hab ich ihm deshalb gesagt, es ist ein Foto von Priscillas Titten. Worauf sie mich geschlagen hat. Dann haben sie mich auf mein Zimmer gehen lassen. Ehrlich gesagt, kamen sie mir nicht besonders interessiert vor. Eher so, als wollten sie auf Nummer sicher gehen.«

»Vielleicht haben sie gar nichts von dir erwartet«, sagte Luke. »Kann sein, dass du bloß als Kontrollperson gedient hast.«

George lachte. »Scheiße, Mann, hier kann ich überhaupt nichts kontrollieren. Wovon redest du da?«

»Ist nicht so wichtig. Hast du sie später noch mal gesehen? Die Lichter, meine ich? Diese farbigen Punkte?«

»Nein.« George sah ihn neugierig an. »Du etwa?«

»Nein.« Luke war froh, dass Avery nicht mehr da war, und hoffte inständig, dass der Gehirnradar des Kleinen keine große Reichweite hatte. »Es ist bloß so… ich hatte so einen Krampfanfall… glaub ich jedenfalls… und ich hatte Angst, dass sie womöglich wiederkommen könnten.«

»Ich kapiere überhaupt nicht, was die hier treiben«, sagte George brummiger denn je. »Es muss praktisch eine Regierungseinrichtung sein, aber… Meine Mutter hat mal ein Buch gekauft, ja? Kurz bevor sie mit mir nach Princeton gefahren sind. Paranormale Geschichten und Schwindel hieß es. Ich hab’s gelesen, als sie damit fertig war. In einem Kapitel ging es um Regierungsexperimente zu dem, wozu wir fähig sind. In den Fünfzigerjahren hat die CIA nämlich welche durchgeführt. Da ging’s um Telepathie, Telekinese und Präkognition, sogar um Levitation und Teleportation. Dabei hat man teilweise LSD verwendet. Es ist ein bisschen was dabei herausgekommen, aber nichts Besonderes.« Er beugte sich vor und richtete seine blauen Augen auf die grünen von Luke. »Das sind wir ebenfalls – nichts Besonderes. Sollen wir etwa die Weltherrschaft der Vereinigten Staaten sichern, indem wir die Seiten von einem Buch umblättern oder Crackerschachteln verschieben, und das auch bloß, wenn die leer sind?«

»Man könnte Avery nach Russland schicken«, sagte Luke. »Dann könnte er Putin sagen, was der zum Frühstück hatte und ob er gerade Boxershorts oder einen Slip anhat.«

Das brachte George zum Lächeln.

»Was unsere Eltern angeht…«, fing Luke an, doch dann kam Kalisha aus der Tür gelaufen und fragte, wer Völkerball spielen wolle.

Es stellte sich heraus, dass das alle wollten.

20

An diesem Tag wurde Luke auf nichts getestet bis auf seinen Mumm, und dabei versagte er erneut. Zwei weitere Male ging er auf die Website der Star Tribune, und zweimal machte er einen Rückzieher. Immerhin schielte er beim zweiten Mal auf die Schlagzeile, in der es um einen Typen ging, der mit einem Pick-up mehrere Leute über den Haufen gefahren hatte, um zu beweisen, wie religiös er war. Das war zwar furchtbar, aber immerhin etwas, was außerhalb des Instituts vor sich gegangen war. Die Außenwelt war immer noch vorhanden, und hier drin hatte sich wenigstens eines geändert: Auf dem Begrüßungsbildschirm des Laptops stand nun sein eigener Name anstatt jener der entschwundenen Donna.

Früher oder später würde er nach Informationen über seine Eltern suchen müssen. Das war ihm klar, weshalb ihm der alte Spruch, dass keine Nachrichten gute Nachrichten waren, voll und ganz einleuchtete.

Am folgenden Tag brachte man ihn wieder auf Ebene C, wo ein MTA namens Carlos ihm drei Ampullen Blut abzapfte, ihm eine Spritze verpasste (keinerlei Reaktion) und ihn dann anwies, in eine Toilettenkabine zu gehen, um in ein Becherchen zu pinkeln. Anschließend eskortierten Carlos und eine finster dreinblickende Pflegerin namens Winona ihn auf Ebene D. Da Winona als eine von den Fiesen galt, machte Luke erst gar keinen Versuch, sich mit ihr zu unterhalten. Die beiden führten ihn in einen großen Raum mit einer MRT-Röhre, die sicher ein Vermögen gekostet hatte.

Es muss praktisch eine Regierungseinrichtung sein, hatte George gesagt. Wenn das zutraf, was würden die braven amerikanischen Bürger darüber denken, wofür ihre Steuergelder ausgegeben wurden? Tja, wahrscheinlich nichts Besonderes, schließlich lebten sie in einem Land, wo man schon vom Überwachungsstaat schwadronierte, wenn es um eine popelige Verordnung ging wie die, einen Motorradhelm zu tragen oder sich eine Lizenz zum verdeckten Tragen einer Waffe zu besorgen.

Ein neuer MTA wartete bereits, doch bevor er Luke mithilfe von Carlos in die Röhre stecken konnte, wuselte Dr. Evans in den Raum, untersuchte Lukes Arm an der Einstichstelle der neuesten Spritze und verkündete, Luke sei »in prächtiger Verfassung«. Was immer das bedeuten sollte. Anschließend erkundigte er sich, ob Luke weitere Krampf- oder Ohnmachtsanfälle gehabt habe.

»Nein.«

»Was ist mit den farbigen Lichtern? Sind die wieder aufgeblitzt? Zum Beispiel beim Sport, während du auf deinen Laptop geschaut oder beim Stuhlgang gepresst hast? Damit meine ich…«

»Ich weiß, was Sie damit meinen. Nein.«

»Lüg mich nicht an, Luke!«

»Das tue ich doch gar nicht.« Wobei Luke sich fragte, ob das MRT wohl eine Veränderung in seiner Gehirnaktivität feststellen und ihn als Lügner entlarven würde.

»Na, dann ist es ja gut.« Nein, du findest es nicht gut, dachte Luke. Du bist enttäuscht. Was mich glücklich macht.

Evans kritzelte etwas auf sein Klemmbrett. »Wieder ans Werk, meine Dame und meine Herren, nur wieder ans Werk!« Womit er wie ein weißes Kaninchen hinausflitzte, das dringend zu einer sehr wichtigen Verabredung musste.

Der MRT-Techniker – auf seinem Namensschildchen stand DAVE – fragte Luke, ob er klaustrophobisch veranlagt sei. »Was das bedeutet, weißt du wahrscheinlich auch.«

»Bin ich nicht«, sagte Luke. »Phobisch bin ich nur dagegen, eingesperrt zu sein.«

Dave war ein ernst wirkender Bursche im mittleren Alter, trug eine Brille und war weitgehend kahl. Er sah wie ein Buchhalter aus. So hatte Adolf Eichmann allerdings auch ausgesehen. »Es geht bloß darum, falls du… äh… klaustrophobisch bist, kann ich dir eine Valium geben. Das ist zulässig.«

»Ist nicht nötig.«

»Du solltest trotzdem eine nehmen«, sagte Carlos. »Schließlich bist du lange da drin, mehrfach sogar, und so eine Pille macht die ganze Sache angenehmer. Vielleicht schläfst du sogar ein, obwohl es ziemlich laut ist. Es wummert und knallt, weißt du?«