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Der Mond war kalt, der Ring brannte.

Der Ring lag auf ihrem Handteller, quecksilbern, diamanten, gleichermaßen eisig wie glühend. Den Blick auf den wolkenverhangenen Mond gerichtet, streifte sie sich den Ring über den Finger.

Eine fettige, grünliche Brühe kochte auf, brodelte über den Rand des Topfes. Auf ihrem Handteller zitterte ein warmer Körper, eine betäubte Maus. Bedächtig spreizten sich ihre Finger, das kleine graue Wesen flog in den Kessel, die Brühe schäumte glücklich, den Körper erfasste ein Krampf, dem beim Höhepunkt des Liebesakts ähnlich. Ywha öffnete eine kleine Puderdose, spuckte kräftig auf den puderbestäubten Spiegel. Der Speichel brachte das Glas zum Bersten; Ywha klaubte einen Splitter in Gestalt eines schiefen Sterns heraus und warf ihn der Maus hinterher — in die Brühe. Schrumpfe, schrumpfe, dörre aus, vergiss deinen Namen, vergiss deine Kraft, schrumpfe, schrumpfe, dörre aus …

Sich gemächlich im beißenden Rauch drehend, flog der silberne Mondring dahin.

Die Oberfläche der Brühe glättete sich.

Am Boden der kristallklaren Flüssigkeit lag ein weißes Mäuseskelett.

»Warum haben Sie mir nie etwas über das Zeichen der Kette erzählt?«, wollte sie im Auto von dem finster dreinblickenden Klawdi wissen.

»Bitte was?« Er verzog die Lippen.

»Ach, nichts«, antwortete Ywha, die nachdenklich zum Fenster hinaussah.

Sie hätte sich also nur das Zeichen der Kette beschaffen müssen. Dafür hätte sie sogar die Initiation auf sich genommen! Doch selbst ohne diesen Schritt hätte sie an das Zeichen herankommen können. In kleinen Dörfern gab es immer hilfsbereite alte Hexen, an die sich Leidgeprüfte jeder Art wenden konnten.

»Was für eine interessante Frage«, sagte Klawdi, und in seiner Stimme klang unverhohlen Verachtung mit.

Das nahm ihm Ywha krumm. Dabei kränkten sie weniger seine Worte als vielmehr sein Ton. Als ob er ihr einen kalten, nassen Lappen übers Gesicht gezogen hatte. Als ob er sie ausgepeitscht hätte.

Worüber seine Durchlaucht, der Herzog, und der Großinquisitor der Stadt Wyshna heute wohl gesprochen hatten?

»Mich interessieren halt alle möglichen Dinge«, entgegnete Ywha kalt. »Ohne — ich betone: ohne — das geringste Recht, in der Seele eines Menschen herumzustochern, das ist selbstverständlich nichts anderes als ein netter Scherz. Aber zu versuchen, einen geliebten Menschen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zurückzubekommen, das ist derart widerwärtig, dass Sie die Nase über mich rümpfen.«

»Das ist schon seltsam«, murmelte Klawdi gleichmütig. »Ich habe deine intellektuellen Fähigkeiten für weitaus höher gehalten.«

Beleidigt schmollte Ywha lange vor sich hin.

In der kleinen Wohnung, die Ywha inzwischen insgeheim als die ihre bezeichnete, duschte sie noch, dann schlief sie vor dem Fernseher ein. Allein in dem ackergroßen Bett einzuschlafen war allzu traurig und bitter. Der Fernseher gab seine Dummheiten von sich, dies jedoch mit fast menschlicher Stimme. Sie döste, bis das Läuten des Telefons sie aus dem Sessel schrillte.

»Das Zeichen der Kette«, erklärte Klawdi, ohne sie zu begrüßen, »ist ein sicheres Mittel, jedes gute Gefühl … abzutöten. Wenn ein Mensch nicht ohne einen anderen leben kann und der Grund dafür seine Abhängigkeit von diesem anderen ist, purer Zwang also — was dieser andere Mensch übrigens ganz genau weiß –, so ist das eine ausgesuchte Form der Folter, Ywha. Als ob du zwei Menschen, die sich lieben, Handschellen anlegst, die sie nie wieder abnehmen können. Fetischisten sollen es gerade deshalb schon versucht haben.«

Schweigend presste Ywha den Hörer an die Wange.

»Du wirst lachen, aber ich habe schon Hexen gesehen, die einzig und allein deshalb die Initiation auf sich genommen haben.«

Ywha befeuchtete sich die Lippen.

»Aber sie haben sich geirrt, Ywha. Nach der Initiation … Also, um es kurz zu machen, eine aktive Hexe hat überhaupt nicht mehr das Bedürfnis, jemanden zu lieben. Die Liebe macht sie, hm, zu abhängig. Nein, das trifft es auch nicht. Die Liebe ist ein Gefühl, das einen Menschen abhängig macht. Und Hexen ertragen das nicht, das darfst du nie vergessen.«

Ywha sagte keinen Ton. Die Uhr auf dem Bücherregal, auf Bronze getrimmt, tatsächlich aber aus Plastik, tickte laut in der Stille. Der rote Sekundenzeiger kroch über das Zifferblatt.

»Ertragen Sie … die Abhängigkeit auch nicht? Lieben Sie deshalb niemanden?«

Jetzt war es an Klawdi zu schweigen. Recht lange sogar. Ywha wartete ab. Der rote Zeiger vollendete Kreis um Kreis.

»Weshalb ich eigentlich angerufen habe … Du bist nicht mehr so recht bei der Sache, machst deine Arbeit nur noch halbherzig. Deshalb habe ich etwas, das dich stimulieren soll. Morgen Abend kommt Nasar nach Wyshna … um mit dir zu reden. Hörst du mich?«

Ihr Herz tat einen Sprung — und dann setzte es aus.

Das Klingeln des Telefons riss Klawdi um halb drei nachts aus dem Schlaf.

Zehn Minuten später sprang er in den geöffneten Wagenschlag des Dienstwagens, und der klobige Wagen der Stadtreinigung, der langsam am Rand des Fußwegs dahinkroch und die Straßen sauber spritzte, suchte verängstigt vor dem schwarzen Monster mit den abgedunkelten Scheiben Deckung.

Während der ganzen Fahrt sagte er kein Wort. Vorgestern Abend hatte Klawdi einen Befehl unterschrieben, der die Teilnahme des Großinquisitors an allen operativen Einsätzen sanktionierte, die durch den Ausnahmezustand notwendig wurden. Jetzt, da das schwarze Auto lautlos durch die leeren, gespenstisch beleuchteten Gassen glitt, hatte er den Geruch des brennenden Opernhauses in der Nase. Der verletzte Arm brachte sich durch ärgerliche Unbequemlichkeit ebenfalls in Erinnerung.

Vorm Eingang zum Nachtclub Trolle blinkten zwei Polizeiwagen mit ihren Blaulichtern. Klawdi schloss die Augen. Er witterte keine einzige Hexe. Ganz schlecht!

Anstelle des üblichen Türstehers hatte ein mürrischer Polizist vor dem Eingang Posten bezogen. Klawdi hielt es nicht für nötig, ihm seine Dienstmarke zu zeigen. Das tat Kosta, der hinter ihm ging.

»Bewahren Sie die Ruhe, hier ist die Inquisition.«

Ein ansprechender Raum, rechts ein Billardtisch, links irgendeine verrückte Konstruktion, vermutlich die Bar. Es wimmelte von Polizisten. Entlang der Wände standen halb nackte Menschen, genauer halb nackte Herren, die Besucher des Clubs. Mit ihren Damen, die sich Gott weiß wie zu bedecken versuchten. Hier war auf einen Tisch achtlos ein schwarzes Abendkleid geworfen worden, dort ein Glas umgestoßen; eine Pfütze aus teurem Kognak hatte sich gebildet, der Alkohol sickerte in den noch wertvolleren Teppich. Auf dem Boden lag irgendein Nichts aus Spitze …

Stopp. Was war das, da in der Ecke, verborgen von einem Laken? Nein, verborgen von mehreren Laken! Hatte es also auch hier Opfer gegeben …

Klawdi biss sich auf die Lippe. Er witterte keine Hexe! Aber er verspürte eine unklare Nervosität. Als hielte er Falschgeld in der Hand — wo die Augen ja auch behaupten, es gebe nicht den geringsten Anlass zur Beunruhigung.

Er wandte sich Kosta zu. Dieser zuckte betreten mit den Schultern.

»Was ist hier passiert, Chef?«

Der große beleibte Mann mit dem ausdruckslosen Gesicht war nicht der Inhaber. Er war einfach der Geschäftsführer — ein Posten, den er vermutlich in nächster Zeit los sein würde.