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Der junge Mann wusste noch nicht, dass die heutige Fahrt mit der Metro sein Schicksal ändern würde. Sorglos kaufte er sich ein quadratisches Ticket, das er in den Spalt des Entwerters führte.

Auf dem Bahnhof wimmelte es von Menschen. Nach zehn Sekunden fuhr die graue Metro ein, die geschäftige Menge strömte durch die offenen Türen; der junge Mann hielt gar nicht erst nach einem Sitzplatz Ausschau — es waren ohnehin sämtliche Plätze besetzt –, sondern drückte sich sofort gegen die geschlossene Glastür, die zur Fahrerkabine führte. Er hatte Glück. In die beige Farbe, mit der die Scheibe getüncht war, hatten irgendwelche Rowdys einen Spalt eingeritzt, durch den er gleich sehen würde, wie die Schienen im Licht kräftiger Scheinwerfer auf sie zusausten.

Eine sanfte Stimme aus dem Lautsprecher kündigte die nächste Station an. Der Zug fuhr los, dem jungen Mann stockte der Atem. Kurz schoss ihm ein wahrhaft rebellischer Gedanke durch den Kopf: Was, wenn er nicht Wirtschaft studierte, sondern sich zum Metrofahrer ausbilden ließ?

Nachdem sie knapp die Hälfte der Strecke bis zur nächsten Station hinter sich gebracht hatten, steigerte der Zug das Tempo auf eine Weise, die aus Sicht des jungen Mannes unglaublich war. Vor den Fenstern sangen zart die schwarzen Leitungen. Zumindest kam es dem Mann so vor, dass sie es waren, die da sangen. Mit zarten Kinderstimmen.

Dann knallte er mir nichts, dir nichts gegen die Glastür, noch dazu in einer Weise, die ihm die Tränen in die Augen trieb und seine Nase mit heißem Blut füllte. Der Zug bremste so scharf, wie ein Zug, der etwas auf sich hielt, nie bremsen würde.

Jemand fiel hin. Gegen den jungen Mann stolperte ein kräftiger Polizist, der von der Nachtschicht nach Hause kam, und auf diesen eine schlanke Frau in Jeans. Eine Tasche kippte um, Äpfel kullerten über den Boden, Lippenstifte und Tablettenschachteln. Von alldem sah der junge Mann nichts, denn der ganze Waggon schien genau auf ihn gestürzt zu sein, ihn nun gegen die Glastür zu quetschen und platt zu drücken.

Die Kinder fingen an zu weinen, eins lauter als das andere. Der Polizist fluchte, was das Zeug hielt. Alle Männer im Waggon stießen — wenn auch in verschiedenen Abstufungen — nicht gerade stubenreine Ausdrücke aus.

»Diese Scheißmetro!«

»Idioten! Glauben die etwa, die liefern Brennholz aus?!«

»Aber was will man von diesen Schwachsinnigen schon andres erwarten?«

»Du bist mir auf den Fuß gelatscht, du Idiot! Der bricht mir die Zehen, und ich soll einfach zugucken? Dem werd ich gleich noch was ganz andres brechen!«

»Ganz ruhig, mein Kleiner, gleich geht’s weiter. Dann steigen wir aus und nehmen den Bus. Du brauchst keine Angst zu haben.«

In diesem Augenblick hörte der junge Mann, der noch immer an der Glastür klebte, das Gespräch in der Fahrerkabine. Der Fahrer sprach mit tiefer, gepresster Stimme, mit metallener Wut antworteten ihm seine zahlreichen Gegenüber per Funk.

»Was ist los mit dir, Siebenundzwanzig?«

Eine unverständliche Antwort.

»Und per Hand geht’s auch nicht? Du kriegst die Tür trotzdem nicht auf?«

»Neunundzwanzig …«

Ein verzweifelter Fluch.

»Siebenundzwanzig, hör mir genau zu!«

»Zum Teufel! Verfluchte Scheiße! Auf den Schienen ist …«

»Siebenundzwanzig?!«

Aufgeregte Stimmen, die alle zugleich sprachen. Keuchender Atem. Wieder ein Fluch.

»Ganz ruhig, Siebenundzwanzig. Ganz ruhig. Hörst du mich?«

»O Gott! Rette mich, o Herr, erbarme dich meiner! Nein! Nicht!«

Der junge Mann hörte die Gesprächsfetzen — als Einziger von allen Fahrgästen. Er, ein Junge aus der Provinz, der zum fünften Mal in seinem Leben mit der Metro fuhr, er stand da, das Ohr an die Glastür gepresst, und seine Lippen krochen im Alleingang zu den Ohren. An ein Lächeln erinnerte das nicht.

Allmählich bekamen die Leute keine Luft mehr. Der Zug stand immer noch, und kein Lüftchen ging. Jemand versuchte ein Fenster zu öffnen, jemand anders fächelte sich mit der Hand Luft zu, jemand redete verängstigt auf ein Kind ein. Irgendwann zog der Polizist den jungen Mann von der Glastür weg und hämmerte mit aller Gewalt gegen den Eisenrahmen. »Was ist los? Pennst du? Oder kriegst du den Mund nicht auf, um den Leuten zu sagen, was los ist?«

Ein Knistern drang aus den Lautsprechern, fast eine Reaktion auf diesen Wutausbruch. Es meldete sich eine gepresste Stimme, die nicht das Geringste mit dem ruhigen Tenor der Ansage verband, und murmelte der aufgelösten Menge zu: »Bürger Passagiere, die Leitung der Metro bittet um Ihr Verständnis für diese Misslichkeiten, die aufgetreten sind … und gleich behoben sein werden. Gedulden Sie sich bitte noch. Gedul …«

Genau in diesem Moment hörten sowohl der junge Mann, der gegen die Wand gedrängt wurde, als auch der Polizist, der hilflos seinen Knüppel hielt, die schlanke, am Boden hockende Frau, eine weitere Frau, die vergeblich versuchte, ihre aus der Tasche gerollten Sachen einzusammeln, eine Frau mit einem weinenden Kind auf dem Schoß und noch mehrere Dutzend andere Männer und Frauen, die in dieser Falle gefangen waren, ein erst leises, dann zunehmend sardonisches Gelächter.

So kann man nur mit geschlossenen Lippen lachen. Das war kein offenes Lachen, sondern ein triumphierendes, spöttisches, genussvolles Geräusch, von dem alle im Zug — angefangen von einem Welpen, den ein pummeliger, sommersprossiger Junge unter seinem T-Shirt transportierte, bis hin zum Fahrer, der die stolze Bezeichnung Siebenundzwanzig trug –, all diese Menschen und Tiere, den jungen Mann eingeschlossen, in eine Panik gerieten, die an Wahnsinn grenzte.

Selbst der Tunnel hatte solche Geräusche noch nicht gehört. Einen derart verzweifelten Schrei. Das Klirren splitternden Glases. Die stärksten, mit dem virulentesten Selbsterhaltungsinstinkt ausgestatteten Männer schafften es, ein paar Fenster einzuschlagen, Frauen und Kinder zur Seite zu drängen und dem geschlossenen Waggon zu entkommen — nur, um prompt unter die Räder zu geraten, da sich der Zug gerade wieder in Bewegung setzte.

Das Gelächter erstarb nicht. Es hallte aus allen Lautsprechern, um auf dem Bahnhof die auf den Rolltreppen stehenden Menschen zu bannen, ja, um sogar die Rolltreppen anzuhalten. Frauen in Uniform und Polizisten mit Funkgeräten wuselten herum, ohne zu wissen, wen sie eigentlich zu Hilfe rufen sollten. Die Menge, die in den einzelnen Stationen auf ihre Metro wartete, bildete eine Herde, die versuchte, sich so weit entfernt von der Bahnsteigkante wie nur möglich in Sicherheit zu bringen, denn alle Züge, die sich zu diesem Zeitpunkt in den Tunnels befanden, führten einen irrsinnigen, haltlosen Reigen auf.

Der sich in die Ecke kauernde junge Mann — denn nur in der dunklen Ecke konnte er sich vor den Dutzenden von schweren Füßen retten — sah, wie die Bahnhöfe vorbeirauschten. Eine weiße Explosion, ein Tonwechsel im Lied der Leitungen und wieder ein Schrei, erneut ein Krachen, schließlich völlige Dunkelheit, denn das Licht in den Waggons war seit Langem schon erloschen. Menschen, die sich aneinanderklammerten. Der scharfe, beißende Geruch von Exkrementen. Und das Gelächter, das sogar dann in die Ohren drang, wenn man sie mit den Händen zuhielt. Ein Gelächter, das einem Demut abzwang. Das Gefühl, zum Tode verdammt zu sein. Dem Ende ins Auge zu blicken.

Der »Vorfall in der Metro« dauerte zweiundzwanzig Minuten. Dann schnaubte die durch die Lautsprecher übertragene Frauenstimme verächtlich und verstummte. Verebbte.