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Wie mich doch dieser Mann empört, der Teufel möge ihn holen!

Die Kinder sind gesund, Lidotschka hat zwei Milchzähnchen verloren, dadurch sieht ihr Gesichtchen noch lieber und zärtlicher aus. Es ist angenehm, ein gelehrtes Töchterchen zu haben; als ich krank war, las sie mir Märchen vor.

26. Februar (11. März).

Die Hebamme Fimotschka hat die interessante Beobachtung gemacht, dass vor dem Kriege rote Blumen, rote Damenkleider, Schleifen und Hüte die grosse Mode waren.

Soweit ich mich entsinnen kann, ist dies richtig und unwillkürlich geht einem der Gedanke durch den Kopf, ob dies nicht eine schreckliche Ahnung, ein Vorgefühl der bevorstehenden, bluhgen Greuel war. Wenn dem aber wirklich so ist, wie blind waren dann jene, die die roten Blumen fröhlich fanden; in welchem Dunkel tappt doch der Mensch umher! Woher kommt es, dass man heute nirgends mehr rote Blumen sieht, hat sie der Wind verweht, oder der Regen gebleicht? In welchem Dunkel tappt doch der Mensch umher, nicht einmal in der Wahl seiner Kleidung scheint er frei zu sein!

Ich bin müde, das Tagebuch zieht mich nicht mehr an, es gibt viel Arbeit. Dieser verfluchte Krieg verschlingt das Geld wie die Schweine Apfelsinen, man kann nicht genug an die Zukunft denken. Und seltsam ist mir zumute, nicht dass ich mich an das Seelenmorden gewöhnt, mich endlich in alles hineingefunden hätte, aber ich sehe voller Ruhe auf die bedeutungsvollsten Dinge, lese: tausend Tote, zweitausend Tote . . . und rauche dabei gleichmütig meine Zigarette an. Ich lese die Zeitungen nicht mehr wie in der ersten Zeit, da ich selbst lief, sie zu kaufen und in Regen und Unwetter lesend an einer Strassenecke stand. Wozu soll man sie lesen?

Saschenka ist, wie früher, immer im Lazarett, icti setie sie nur wenig; natürlicti geht bei uns wieder alles drunter und drüber. Man gewöhnt sich auch daran, es muss v>^ohl so sein, ich bemerke kaum mehr, was wir essen. Mütterchen könnte ebensogut nicht im Hause sein, man empfindet ihre Anwesenheit gar nicht, sie ist still wie eine Maus. Das einzig fröhliche Element ist Lidotschka, ich beschäfhge mich viel mit ihr, lese mit ihr zusammen Märchen. Sie ist ein schönes kleines Ding, eine wahrhafte Gabe Gottes, wenn ich im Dunkel heimkomme, ist sie wie ein freundliches Lämpchen, meine liebe Kleine.

Schlieslich will ich noch ein Geheimnis offenbaren, für das mich ernste Menschen wohl nicht loben werden, aber, bei Gott, ich brauche ihr Lob nicht. Neulich war Fimotschka in Saschenkas Abwesenheit bei uns, und als sie sah, wie sehr mich die Langeweile plagte, lehrte sie mich Patiencen legen. Es ist ja eine dumme und fruchtlose Beschäftigung, aber bei schlechter Stimmung, wenn der Kopf weder zum Lesen noch zum Sprechen taugt, hilft es über die Zeit hinweg, und erleichtert das Vergessen. Ich versuchte es Inna Ivanowna zu lehren, aber sie verstand es gar nicht, es war ihr sogar widerlich und sie sah darin einen Versuch, sie zwangsweise von ihrem Kummer abzulenken. Uebrigens habe ich im Kalender

darüber einen guten Ausspruch gelesen: «Wer in der Jugend nicht Kartenspielen lernt, bereitet sich ein trübes Älter vor.»

Aber man muss nicht nur Kartenspielen lernen.

Ich bin so müde.

5. (19.) März.

Ich habe einen Brief von Andrei Wassile-witsch erhalten. Er drückt seine innigste Teilnahme zum Tode Pawluschas aus, den er sehr liebte. Andrei Wassilewitsch entschuldigt sich, dass er nur kurz schreibt, aber er sei sehr beschäfhgt und ganz erschöpft; als Antwort auf einige meiner Fragen und Ansichten gibt er mir den unerwarteten Rat, von den Deutschen zu lernen! Dies ist der Inhalt seines erstaunlichen Briefes:

«Ich liebe die Deutschen nicht, aber von ihnen zu lernen, ist für keinen ein Zeitverlust, und wird insbesondere für Sie von Nutzen sein. Es muss jedermanns Beifall finden, wie die Deutschen ihr Staatsleben aufgebaut haben, welch weise Fähigkeit der Selbsteinschränkung ihnen eigen ist: sich dessen bewusst, dass eine unregelmässig gebaute Mauer zusammenbricht, modelt sich der Deutsche freiwillig wie einen Ziegelstein um, schleift alle Ecken und Vorsprünge, die den Aufbau hindern könnten, ab. Und diese Ziegelsteine geben schon durch ihre Form allein einen festen Halt, kommt nun

noch Zement dazu, so bekommst Du eine wirklich feste Mauer, nicht einen durchlöcherten Zaun, wie bei uns. Zweifeln Sie nicht daran, sondern lernen Sie von ihnen, llia Petro-witsch.»

Ich lausche: zuerst war man eine Zelle, nun soll man sich in einen Ziegelstein verwandeln. Dass man ein Mensch ist, wird einem aufs Entschiedenste zu vergessen geraten, und lUa Petrowitsch wird zu einer Nummer, Ziegelstein Nummer so und so, erhoben.

Angenommen, dass ich zu einem Ziegelstein werde, aber wer soll der Architekt sein? Und muss ich auch dann ruhig liegen bleiben, wenn es dem Herrn Architekten plötzlich einfallen sollte, statt Kirchen oder Palästen ein öffentliches Haus zu erbauen? Nein, Andrei Wassilewitsch, ich bin keine Zelle, kein Ziegelstein, so wie ich von Anbeginn llia Petrowitsch war, so werde ich es bleiben, bis an mein Ende. Der Zellen und Ziegelsteine gibt es viele, die alle einander gleichen, ich aber bin einzig und allein in meiner Art, nie war ein anderer llia Petrowitsch auf der Welt, und wird auch nie sein. Und solange mir noch die Kraft bleibt, werde ich i c h bleiben, mich nicht selbst aufgeben, nicht dem Kriege unterwerfen, mich selbst unter Eurer donnernden Trommelbegleitung den Raben zum Prasse hinwerfen.

Ich bedaure es sehr, die Taktlosigkeit begangen zu haben, mich mit meinen Fragen an einen Menschen zu wenden, der sich nur mit kriegerischen Dingen befasst und gar nicht anders kann, als uns, die Helden des Hinterlandes zu verachten.

10. (23.) März.

Hurrah I Wir haben Premysl eingenommen, ganz Pefrograd ist eitel Jauchzen und Frohlocken. Welch glücklicher, welch schöner Tag]

Als wir durchs Telephon von der Redaktion diese Nachricht ins Kontor erhielten, überwältigte mich eine solche Freude, dass ich mich rasch anzog und auf die Strasse eilte... Noch nie hatte ich unser Petrograd so schön und so fröhlich gesehen. Der Schnee fiel in grossen Flocken, die Vorübergehenden waren ganz verschneit, aber aus der weissen Hülle sahen rosige, heitere Gesichter, leuchtende, glänzende Augen heraus. Ja, — sogar die Petrograder waren rosig geworden) Rasch sammelte die Menge sich an, Hymnen wurden gesungen, man zog zu einer Demonstrahon vor das Schloss, leider konnte ich daran nicht teilnehmen, da ich ins Kontor zurück mussie.

Doch welche Freude herrschte! Und erst heute wurde mir klar, wie schwer die vorhergegangenen Tage und Monate zu ertragen gewesen waren; wie sehr wir uns an die Hoff-

nungslosigkeit, die undurchdringliche Düsterheit des Lebens gewöhnt hatten und bereits anfingen, dies als etwas natürliches zu empfinden. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, auf den gestrigen Tag, der doch noch so nahe liegt, zurückzublicken und auf die anderen endlosen Tage und Nächte, die jeden Sinn verloren hatten. Tage, an denen man nicht lebte, Nächte, in denen man sich nicht ausruhte. Aber wie schlecht auch immer das Heute ist, Gott gebe, dass das Morgen nicht noch ärger werde. Zum ersten Mal während dieses Krieges (ich weiss dies nicht zu erklären) begriff ich, was das Wort «Sieg» bedeute. Ja, es ist kein leeres Wort, es durchdringt den ganzen Menschen bis ins Innerste, erhebt ihn zu ungeahnten Höhen. «Sieg» .... ein so schlichtes Wort, wie oft habe ich es gehört, selbst ausgesprochen, jetzt erst sehe ich, welchen Schatz es in sich birgt. «Sieg!» Durch das ganze Haus möchte ich es schreien: «Sieg, Siegl»

Es ist selbstverständlich, dass ich aus der Erregung nicht herauskomme. Und seltsam, es ist eine freudige Erregung und doch füllen sich die Augen die ganze Zeit mit brennenden Tränen, wenn ich mich darauf besinne, dass wir Russen sind, dass es auf der Erde ein Land gibt, das Russland heisst. Ganz plötzlich ist mir das alles klar geworden ...