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    Bei den Wirtschaftsgebäuden zeigte sich einiges Leben, mehrere Neger waren dort mit ländlichen Arbeiten beschäftigt, Garten und Wohnhaus aber lagen still und vereinsamt da. Die Jalousien waren herabgelassen und alles machte hier den Eindruck der Verlassenheit.

    Der alte Mann in einfacher Farmertracht, der auf der Veranda saß und in einer Zeitung las, vermochte durch seine Anwesenheit diesen Eindruck nicht zu verscheuchen.

    Er legte die Zeitung fort und blickte über den Strom hinweg sorgenvoll in unbestimmte Ferne, und ein trüber Ernst lagerte auf den derben Zügen des sonngebräunten, von schneeweißem Haar umrahmten Gesichtes.

    Während er so, in Sinnen verloren, an der Brüstung der Veranda stand, öffnete sich eine kleine in das Innere des Hauses führende Thür, und eine dicke Negerin trat heraus. Die Frau war alt, denn das Kopftuch umhüllte graues Haar, doch sah sie noch gut aus, und ihr einfaches Kalikokleid ließ an Sauberkeit nichts zu wünschen übrig.

    Sie warf einen Blick auf den alten Herrn, trat dann auf ihn zu, knixte und sagte: "Alte Corneli doch fragen, ob Masser Brown keine Nachricht von Masser Paul bekommen?"

    Der mit Brown angeredete Mann wendete sich um, und die Negerin erschrak, als sie sein kummervolles Gesicht erblickte.

    "Jesus, Masser Brown, ihr doch nicht bekommen schlechte Nachricht von Paul?"

    "Gott mag wissen, Cornelia, wie es mit dem Jungen steht", entgegnete der Alte betrübt, "längst hätten James Osborne und er zurück sein müssen, längst Nachricht von Paul gekommen sein - und eben lese ich im Little Rock-Observer, daß in Kansas Weiße von Indianern überfallen und gemordet worden sind."

    Die alte Frau fuhr heftig zusammen und fragte mit vor Aufregung zitternder Stimme: "Jessus, Masser Brown, ihr doch nicht glauben, unser Paul von wilden Menschen ermordet?"

    "Ich will's nicht glauben, Cornelia. Mr. Osborne ist ein kluger Mann und begiebt sich nicht leicht in Gefahr - ich will's nicht glauben, kann's nicht glauben; Gott wird ihn schon schützen, den Jungen."

    "Denken auch, Masser Brown, liebe Gott nicht so grausam sein und Paul töten lassen von schlechtem Injin."

    Der Mann schlug heftig mit der Hand auf die Brüstung der Veranda und sagte mit starkem Ausdruck: "Hätte ich den Jungen doch nicht reisen lassen, am wenigsten mit diesem", - er verschluckte ein Wort, "der keinen Finger aufheben würde, um ihn vor Gefahr zu schützen; aber Paul war ja wie versessen darauf, die Prairien zu sehen. Ist ihm ein Unglück begegnet, werde ich es mir zeitlebens nicht verzeihen."

    Die alte Negerin weinte und sagte schluchzend: "Ich mich zu Tode ängstigen um kleinen Masser Paul, er so gutes Kind, ihn lieb haben von ganz klein auf. Ich nicht denken können, daß ihm Unglück widerfahren, er so hübsch und klug, ihm niemand ein Leid thun."

    "Mögest du die Wahrheit sagen, Cornelia. Ist dem Jungen was geschehen, auch mir würde das Herz brechen."

    Die beiden hatten nicht beachtet, daß ein stromaufgehender Dampfer zwei Passagiere abgesetzt hatte, welche ein Boot an das Ufer dicht vor Osbornes Hause führte; erst Schritte, welche sich vor der Veranda hören ließen, machten sie aufmerksam, daß sich jemand nähere.

    Kaum erblickte Brown die Männer, welche sich auf dem Kieswege der Veranda näherten, als er einen lauten Schrei ausstieß: "Mister James". Er ging oder lief vielmehr hinunter, den Ankommenden entgegen: "Wo ist Paul, wo ist Paul, Mr. James?"

    Der so Angeredete, ein Mann von hoher, magerer Gestalt, harten Gesichtszügen und einem Augenpaar, welches wie die Lichter eines Wolfes unter dichten, überhängenden Brauen hervorfunkelte, blieb stehen, zog ein seidenes Taschentuch hervor und verhüllte sich, wie von Schmerz überwältig, das Gesicht.

    Brown wurde bleich, und seine Stimme zitterte, als er die Frage wiederholte: "Wo ist Paul, Mr. James?"

    Mr. James Osborne wischte sich die Augen und winkte dem Alten, ihm zur Veranda zu folgen, auf der die Negerin, die den ganzen Vorgang beobachtet hatte, wie versteinert stand.

    Mr. James ließ sich wie erschöpft in einen Stuhl fallen und seufzte tief.

    Sein Begleiter war im Garten geblieben. Brown starrte den Bruder seines ehemaligen Herrn mit steigendem Entsetzen an, und die Negerin war vor Aufregung und Angst bei diesem sonderbaren Gebahren Osbornes fast grau im Antlitz geworden.

    "Bereitet euch auf das schlimmste vor, guter Brown", sagte Mr. James.

    "Allmächtiger Gott, was giebt's, was hat's gegeben?"

    "Unser lieber Junge ist uns für immer entrissen, Brown", und Mr. Osborne drückte wieder das Taschentuch vor die Augen.

    Der greise Brown zitterte wie Espenlaub, und kein Wort wollte über seine bleichen Lippen.

    Die Negerin aber hatte kaum die Worte vernommen, welche so großes Unheil ankündigten, als sie in ein Jammern und Heulen ausbrach, wie es nur der so leidenschaftlichen Natur der schwarzen Rasse eigentümlich ist.

    "O Gott, o Gott, Jessus, Masser Paul, o Gott, o Gott", schrie und stöhnte sie und stürzte dann, die Schürze über den Kopf werfend, ins Haus hinein.

    Brown ermannte sich so weit, um fragen zu können: "Tot? Paul ist tot?"

    Mr. Osborne nickte stumm.

    Dem alten Mann wankten die Knie, und er hielt sich an dem Tische. Er holte mehrmals tief Atem, fragte dann mit einer seltsamen Ruhe weiter: "Wie ist das gekommen, Mister James?"

    "Ach, das unglückliche, unglückliche Kind. Wie es gekommen ist? Nur mit Entsetzen denke ich an jene Nacht. O, mein Gott!" Wieder führte der würdige Mann das Taschentuch an die Augen. "Wir waren", fuhr er nach einer gemessenen Pause fort, "tiefer in die Prairie geraten, als wir beabsichtigten, da wir die Weideplätze der Herden nicht gleich fanden. Keine Gefahr besorgend, hatten wir ein Nachtlager bezogen und uns dem Schlafe hingegeben. Wir, d.i. Paul, ich und drei Leute, welche ich in einem Platze an der Grenze angeworben hatte, um uns vor den Gefahren der Steppe zu beschützen. Gegen Mitternacht weckten mich Schüsse. Wir waren überfallen von Räubern, roten oder weißen, wahrscheinlich von ersteren. Wir griffen zu den Waffen, und einige Schüsse verscheuchten das Gesindel, welches auf einen energischen Widerstand nicht gefaßt war. Paul, das unglückliche Kind, war aus dem Schlafe aufgescheucht, in sinnbetörender Todesangst in die Prairie hineingelaufen - und dort hat ihn die Kugel eines der Mörder getroffen. Wir fanden den Leichnam erst spät am Tage, nach langem Suchen."

    Es entstand hiernach ein Schweigen, das der alte Mann endlich mit der in scharfem Tone gestellten Frage unterbrach: "Und ihr andern kamt alle mit heiler Haut davon?"

    "Wir hatten uns ins Gras niedergeworfen und feuerten von da, doch waren zwei meiner Begleiter verwundet, und ein Maultier wurde erschossen."

    "Und Pauls Körper?"

    "Er ruht im Schoße der Erde; wir haben ihm, wo wir ihn fanden, das Grab bereitet."

    "Ohne Coroner, ohne Totenjury, Mr. Osborne?"

    "Nicht doch. Ließ den Sheriff holen von dem nicht zu fernen, am Kansas gelegenen Garfield. Kam mit zwei ehrenwerten Bürgern, stellte die Untersuchung an, vernahm uns eidlich, fällte den Spruch: 'Von unbekannter Hand ermordet'. Dann erst übergaben wir Pauls sterbliche Überreste der Erde."

    "Und weiter, Mr. James?"

    "Weiter? O, mein Gott, der Coroner machte Anzeige in Garfield, und man versprach dort, die Mörder, wahrscheinlich Cheyenne-Indianer, zu verfolgen. Ich machte mich schweren Herzens auf die Heimreise."

    "Und das schriftliche Erkenntnis des Coroners?"