»Glück und Kühnheit scheinen dir wohlgesonnen«, sagte Fidelma feierlich. »Das begünstigte in diesem Fall auch unser Schicksal.«
Buddog trat wieder ein. Die Anwesenheit des jungen Prinzen machte sie sichtlich nervös. Sie reichte Glühwein und Haferkekse.
»Fortes fortuna adiuvat, wie?« Cathen lächelte Fidelmaan. »Dem Tapferen hilft das Glück.«
»Wie Terenz in seiner Phormio sagt«, stimmte ihm Fidelma zu. »Doch Llanwnda war in den Händen von Clydogs Räubern. Wie habt ihr .?«
»Wie wir die Situation für uns entschieden haben? Ganz einfach. Clydog hatte keine Ahnung, daß wir in der Nähe waren. Er war mit vier seiner Leute hinter euch her. Die fünfzehn Männer, die er zurückgelassen hatte, sollten die Einwohner des Ortes in Schach halten. Sag du ihnen, wie alles ablief.«
Der Fürst von Pen Caer schien sich immer noch unwohl zu fühlen. Verlegen blickte er zu Boden. »Man hat uns in die große Scheune getrieben, alle Bewohner .«
»Wirklich alle?« fragte Fidelma schroff. Gwnda kniff die Augen zusammen.
»Hat man auch Iestyn mit euch eingesperrt?« warf Eadulf ein, dem klargeworden war, worauf Fidelma hinauswollte.
Gwnda schüttelte den Kopf. »Iestyn habe ich den ganzen Abend nicht gesehen. Und Iorwerth auch nicht, wenn ich es genau bedenke.«
»Kannst du ein halbes Dutzend Krieger abstellen?« fragte Fidelma Cathen plötzlich. »Männer, deren Klugheit und Geschicklichkeit mit dem Schwert du vertraust?«
»Das kann ich. Warum?«
»Einer der Leute aus dem Ort soll sie zu Iestyns Bauernhof führen. Sie sollen Iestyn gefangennehmen und alle, die sich auf seinem Hof aufhalten. Sag ihnen, daß sie mit Widerstand rechnen müssen. Es könnte sein, daß dort noch mehr von Clydogs Leuten stek-ken. Sie werden nicht bereit sein, die Waffen kampflos zu strecken.«
Cathen rief einen seiner Männer zu sich und erteilte ihm entsprechende Befehle. Fidelma blickte zufrieden drein.
»Jetzt können wir weiterreden. Kein Schurke soll uns entwischen!«
»Willst du damit sagen, daß Iorwerth und Iestyn mit dem geächteten Clydog gemeinsame Sache machen?« fragte Cathen erstaunt.
»Es geht hier um mehr als nur um Raub, Prinz Ca-then«, erwiderte Fidelma. »Doch Gwnda wollte gerade erzählen, wie ihr die Lage zu euren Gunsten verändern konntet ...?«
Während Fidelma das sagte, warf sie Eadulf einen warnenden Blick zu. Er begriff, daß sie einen Grund hatte, nicht preiszugeben, daß sie Iorwerths Leiche entdeckt hatten, auch wenn er diesen Grund nicht kannte.
Gwnda fuhr mit seinem Bericht fort. »Wie ich schon sagte, wir wurden alle in die Scheune gesperrt. Clydog stellte zehn seiner Leute ab, um uns zu bewachen. Weitere waren draußen.«
»Zu diesem Zeitpunkt trafen wir in Llanwnda ein«, meldete sich Cathen wieder zu Wort.
»Wie viele seid ihr?« wollte Eadulf wissen.
»Fünfzig Krieger aus der Leibwache meines Vaters. Alles ausgezeichnete Leute.«
»Es ist schon recht verwunderlich, daß Clydogs Männer einen so großen Trupp nicht vorher bemerkten«, sagte Fidelma.
»Ich habe zwei Späher vorgeschickt, um die Lage zu erkunden. Sie stießen auf einen Mann, der an der Brücke zum Ortseingang Posten bezogen hatte. Er machte den Fehler, die beiden für Gefährten zu halten, und begrüßte sie mit so eigenartigen Worten, daß meine Leute sofort mißtrauisch wurden. Also ent-waffneten sie ihn und brachten ihn zu mir. Wir konnten ihn überreden, ein wenig zu plaudern .« Cathen lachte trocken. »Vielleicht sollten wir diesen Punkt überspringen. Wie dem auch sei, er verriet uns, daß Clydogs Banditen Gwnda und sämtliche Bewohner von Llanwnda eingesperrt hatten, und er erklärte uns sogar, wo die Wachen aufgestellt waren. Da hatten wir leichtes Spiel, sie zu entwaffnen und die Leute zu befreien. Als wir erfuhren, daß Clydog und ein paar seiner Krieger dich und Eadulf verfolgten, beschlossen wir, daß alle rasch und leise in ihre Häuser zurückkehren und im Dunkeln dort ausharren sollten, bis sie von Gwnda weitere Anweisungen erhielten. Wir gingen in Deckung und warteten auf Clydogs Rückkehr, denn wir wußten, daß er zurückkommen mußte. Den Rest kennt ihr.«
Fidelma nickte voller Anerkennung. »Du scheinst ein ausgezeichneter Stratege zu sein, Cathen.«
»Selbst ein kluger Stratege braucht Glück, Schwester.«
Fidelma sah ihn bewundernd an. Eitel war Cathen gewiß nicht.
Gwnda räusperte sich. »So, Prinz Cathen«, sagte er, »mit dir kehrt wieder Friede in Pen Caer ein. Du hast die Räuberbande, die hier ihr Unwesen trieb, umzingelt und festgenommen. Und Schwester Fidelma wird dich nun davon unterrichten, daß auch all die anderen rätselhaften Vorfälle aufgeklärt sind. Si finis bonus est, totum bonum erit.«
Schnell schüttelte Fidelma den Kopf. »Wir sind noch keineswegs bei einem glücklichen Ende angelangt.«
Prinz Cathen blickte sie fragend an. »Ich kann mir denken, daß da noch Verschiedenes offengeblieben ist. Wie ist aber der Stand der Dinge, verehrte Schwester?«
»Zunächst muß ich wissen, Cathen, ob Dewi deinem Vater meine spezielle Bitte vorgetragen hat?«
Cathen nickte. »Die Bitte, daß man dir die Befugnis eines barnwr geben solle, um in all jenen Angelegenheiten ermitteln zu können, die du für wichtig erachtest.«
»Erhalte ich diese Befugnis?«
»Mein Vater war ohne Zögern bereit, dir diese Vollmacht zu erteilen. Wie ich schon sagte, wir meinten nur, daß du ein wenig kriegerischen Rückhalt gebrauchen könntest. Deshalb bin ich mit meinen Leuten ja hergekommen.«
Gwnda verfolgte das Gespräch mit abschätzigen Blicken.
In diesem Augenblick klopfte es an die Tür, und einer von Cathens Kriegern trat ein. »Das war leicht erledigt, Prinz Cathen. Wir haben den Mann, der Iestyn heißt. Er war mit zwei Geächteten auf seinem Hof. Wir überraschten sie derart, daß sie nicht einmal ihre Schwerter ziehen konnten. Niemand ist verletzt worden.«
Cathen warf Fidelma ein Lächeln zu. »Hervorragend. Also haben wir jetzt alle Ratten in der Falle, Lady?«
Fidelma sagte einen Moment lang nichts, dann fragte sie den jungen Krieger. »Trug einer der beiden Geächteten einen Helm? Einen Kriegshelm? Ein arrogant auftretender Mann?«
»Das muß der sein, der auf den Namen Corryn hört. Der wirkte ziemlich arrogant«, antwortete der Krieger.
Fidelma seufzte zufrieden. »Ja, den meinte ich.«
»Außer Iestyn war da noch ein Geächteter. Er heißt Sualda.«
»Sualda?« Eadulf zog ein wenig die Augenbrauen hoch. »Also hat er überlebt?«
»Das Glück ist uns hold«, erklärte ihm Fidelma.
Cathen sah sie mit fragendem Blick an. »Spielen diese Männer eine besondere Rolle?« erkundigte er sich. »Ich dachte, Clydog wäre der Anführer der Bande.«
»Sie spielen eine ziemlich besondere Rolle. Das kann man wohl sagen«, bestätigte ihm Fidelma. »Bringt sie getrennt voneinander unter und bei strengster Bewachung. Sie haben alle ihr Scherflein zu der Sache beigetragen.«
Cathen bedeutete seinem Krieger, Fidelmas Anweisungen auszuführen. Danach wandte er sich wieder an sie. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das alles überhaupt begriffen habe«, fing er an.
»Du wirst dich bis morgen gedulden müssen. Am späten Vormittag, natürlich nur mit Gwndas Zustimmung, werden wir uns in diesem Raum einfinden. Dann werde ich mich bemühen, alles zu erklären.«
Gwnda war offensichtlich verärgert. »Ich dachte, nun sei endlich Ruhe? Wir haben doch alle Banditen festgesetzt. Was gibt es sonst noch?«
»Denk an die vielen Toten, Gwnda, und auch an die Verschwörung gegen König Gwlyddien«, antwortete ihm Fidelma. An Cathen gewandt, fragte sie: »Habe ich das Recht und deine Erlaubnis, Anklage und Aufklärung der Verbrechen öffentlich vorzunehmen?«
»Aber gewiß«, erwiderte der Prinz.