»Beim lebendigen Gott!« rief Prinz Cathen. »Mein Bruder gehörte auch diesem Kloster an. Ich war zwar mit ihm oft nicht einer Meinung, aber er war mein Bruder. Für diesen Frevel werde ich Rache nehmen an Ceredigion.«
»Warte mit deiner Rache, bis du erfährst, was alles geschah«, riet ihm Eadulf. »Morgans Schiff war also eingetroffen und hatte die Hälfte der Mönche an Bord genommen. Alle siebenundzwanzig Bewohner des Klosters waren zu dieser Zeit noch am Leben.«
»Was ist mit meinem Bruder?« fragte Cathen besorgt.
»Laß mich erst einmal das Geschehene schildern, so gut ich kann«, erwiderte Eadulf. »Clydogs größter Fehler bestand also darin, das Kloster zu früh überfallen zu haben.«
»In welcher Hinsicht war das ein Fehler? Ich kann dem Ganzen anscheinend nicht so recht folgen«, stellte Prinz Cathen verwirrt fest.
»Kaum hatte Clydog die Brüder aus Llanpadern fortgebracht, da kamen zunächst Bruder Cyngar und kurze Zeit später Idwal dort vorbei und entdeckten, daß das Kloster leer und verlassen war. Es gab keinerlei Anzeichen für einen Überfall. Sie unterrichteten verschiedene Leute von dem rätselhaften Verschwinden der Mönche. Davon wußte Clydog nichts.
Erst in der nächsten Nacht suchte das Schiff der Hwicce, das Morgan verfolgte, in einer Bucht in der Nähe Unterschlupf. Clydogs Männer hatten auf der Lauer gelegen und es erwartet. Sie nahmen sieben ihrer Gefangenen mit auf die Klippen am Meer.«
»Kannst du das beweisen, Sachse?« warf Clydog ein.
»Aber sicher.« Eadulf drehte sich um und sah ihm ins Gesicht. »Als das sächsische Schiff dort vor Anker lag, gingen zwei Männer der Hwicce an Land. Du und deine Leute haben den beiden aufgelauert, und es gelang euch, einen von ihnen gefangenzunehmen. Mit diesem glücklichen Umstand hatte niemand gerechnet. Nun hattet ihr endlich einen echten sächsischen Krieger in eurer Gewalt.
Du und deine Männer, ihr habt bis zum Anbruch der Morgendämmerung gewartet und euch in der Nähe versteckt. Wie ihr gehofft hattet, kamen ein paar Leute vorbei und entdeckten das Schiff der Hwicce, das gerade die Segel setzte. Zu diesem Zeitpunkt hattest du bereits den Befehl erteilt, sieben der verschleppten Mönche umzubringen und an den Klippen liegenzulassen. Die Beweise, daß sie von Sachsen getötet worden waren, hast du neben den Leichen abgelegt. Ist das soweit richtig, Clydog?«
Der Prinz von Ceredigion reagierte hochmütig und voller Verachtung. »Meine Billigung für dein Märchen brauchst du nicht, Sachse. Wo sind deine Beweise?«
»Prinz Cathen«, meldete sich Fidelma zu Wort. »Ich habe eine ungewöhnliche Bitte. Ich würde gern Clydog in die hinteren Reihen des Gerichtssaals verbannen und ihn knebeln lassen, damit er uns nicht mehr unterbrechen kann, bis wir fertig sind.«
»Das ist nicht rechtens ...«, protestierte Cathen.
»Aber notwendig, das versichere ich dir«, sagte Fidelmaeindringlich und blickte Eadulf an, der daraufhin kurz nickte.
Cathen seufzte und winkte Cadell, das Entsprechende zu tun. Clydog protestierte lauthals.
»Und jetzt?« fragte Cathen. Fidelma drehte sich zu Eadulf um und bat ihn mit einer Geste, fortzufahren.
»Bringt Sualda herein«, rief er.
Einen Augenblick später betrat der dünne, blasse Mann, dem Eadulf geholfen hatte, als er schwerverletzt in Clydogs Lager lag, bedachtsam den Saal.
»Sage Prinz Cathen, wie du heißt«, forderte Eadulf ihn auf.
Der Mann zögerte. »Ich bin Sualda, ich stehe im Dienste Prinz Clydogs von Ceredigion.«
»Erkennst du mich wieder?« fragte Eadulf.
»Wir haben uns letzte Nacht unterhalten.«
»Und vorher?«
»Daran erinnere ich mich nicht. Du hast mir allerdings erzählt, du seist derjenige gewesen, der im Waldlager meine Wunde versorgt hat, als ich bewußtlos lag.«
»Wer hatte dir die Wunde beigebracht?«
»Ein Sachse.«
»Bei diesem Sachsen handelte es sich um einen Seemann, den Clydogs Männer gefangengenommen hatten, als er von seinem Schiff in der Nahe von Llan-ferran an Land gegangen war, oder?«
Der Mann zögerte wieder, doch dann nickte er.
»Wir haben bisher erfahren«, sagte Eadulf, »daß Clydog einige Mönche aus Llanpadern an diese Stelle an der Küste führte und sie umbringen ließ.« Er betete darum, Cathen möge ihn nicht genauer danach fragen, ob sich das wirklich so abgespielt hatte.
»Ich gehörte nicht zu denen, die die Mönche töteten«, erwiderte Sualda. »Ich habe den sächsischen Gefangenen bewacht, als es geschah.«
Eadulf blickte zu Fidelma. Die List hatte Erfolg gehabt. Sie hatten nun ein Geständnis.
»Also sag uns, was da passiert ist. Nachdem die Mönche hingemetzelt worden waren, was geschah dann?«
»Wir hatten den Befehl, wieder nach Llanpadern zurückzumarschieren. Clydogs Auftrag lautete, alles so aussehen zu lassen, als sei das Kloster von den Angelsachsen auf ihrem Beutezug überfallen worden.«
»Aber das habt ihr nicht gemacht. Warum nicht?«
»Corryn wartete schon auf uns und war wütend, als er uns sah. Er sagte, daß ein paar von den Mönchen besser als Leichen in Llanpadern hätten bleiben sollen. Er hatte noch den alten Pater bei sich. Pater Clidro. Wir . das heißt . Nun, er hängte den alten Mann in der Scheune auf. Unterdessen ritten Clydog und seine Männer los, um die anderen Gefangenen zu holen, die wir im Wald zurückgelassen hatten.«
»Und der sächsische Seemann?«
»Der war mit uns nach Llanpadern gebracht worden.«
»Wie starb er?«
»Während sich Clydog und Corryn wegen der ermordeten Mönche stritten, entwischte uns der Hwicce. Ich sollte ihn wieder einfangen. Ich verfolgte ihn bis in den Raum, in dem die Mönche sonst aßen. Er griff sich ein Fleischmesser und versetzte mir damit einen Stoß, dann erschlug ich ihn mit meinem Schwert. Während man mich ins Lager zurückbrachte, erfuhr ich, daß unsere Leute ein paar weitere Gefangene getötet hatten und sie auf einem Fuhrwerk wieder nach Llanpadern zurückschafften. Mehr weiß ich nicht, ich war bewußtlos und lag im Fieber.«
Eadulf lächelte. »Clydog scheint sich nicht im klaren gewesen zu sein, daß Zeit eine große Rolle spielt. Denn als er nach Llanpadern zurückkehrte, um alles so zu arrangieren, daß es nach einem Überfall aussah, stieß er auf ein weiteres Hindernis. Auf Schwester Fidelmaund mich.«
Prinz Cathen gab ein Zeichen, Clydog von seinen Knebeln zu befreien. Sualda wurde auf eine Seite der Halle geführt.
»Möchtest du etwas von alldem bestreiten, Clydog von Ceredigion? Was ich vernommen habe, ist ein gerissener Plan, den ein gerissener Verstand ausgeklügelt hat«, meinte Cathen. »Ausgesprochen teuflisch!«
Clydog stand in herausfordernder Haltung da. »Mein Instinkt sagte mir, ich sollte den Sachsen und diese Gwyddel umbringen. Ich hätte meinem Instinkt folgen sollen!«
»Dein Plan ging nicht auf«, erwiderte Cathen kühl. »Es lief einiges falsch, und vor allem hast du es nicht geschafft, König Gwlyddien gegen die Sachsen aufzuwiegeln. Wenn ich Bruder Eadulf recht verstehe, ist das auf die Fehler zurückzuführen, die du gemacht hast.«
»Da hast du recht«, stimmte ihm Eadulf zu. »König Artglys von Ceredigion war höchst verstimmt darüber, daß nichts geschah und in Dyfed nicht der Ruf nach Vergeltung laut wurde. Darum schickte er jemanden los, der sich mit seinem Sohn Clydog treffen sollte. Das war ebenjene Unterredung, die Elen im Wald belauscht hatte. Dort wurde beschlossen, daß man Morgan von Gwent weitere Mönche überlassen wollte für den Fall, daß sich eine entsprechende Aktion als notwendig erweisen würde. Doch Artglys wollte nicht länger warten und hatte seinen Mann auch zu Morgan geschickt, um ihm den Befehl zu übermitteln, ein paar weitere Mönche aus Llanpadern zu töten und an einer gut gewählten Stelle ins Meer zu werfen. Es war purer Zufall, daß Elen diesen Mann wiedersah, als er auf seinem Weg zu Morgans Schiff durch Llanwnda kam.