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Der Mönch lächelte, das tat er wohl meistens. »Nie hat Gott gesagt, daß ein Mund ohne Speise sein soll«, bemerkte er, als er den Raum verließ. »Also denk daran, daß ein Rat nie Vorschrift ist.«

»Worin bestehen denn nun diese Verbindungen?« nahm Eadulf die Unterhaltung mit Fidelma wieder auf.

»Den alten Schriften nach stieß vor zweihundert Jahren der Stammesfürst der Deisi, Aonghus vom Schrecklichen Speer, in einem Wutausbruch Großkönig Cormac Mac Art ein Auge aus. Weil das eher ungewollt und versehentlich geschah, fiel die Strafe nicht so hart aus, wie sie hätte sein können. Sie bestand darin, daß Aonghus und seine ganze Sippe ihre fruchtbaren Ländereien im Königreich von Midhe für immer verlassen mußten. Ein Teil des Stammes siedelte sich im Königreich meines Bruders an.«

Eadulf nickte. Er erinnerte sich, daß ein Stamm, den man die Deisi nannte, im Süden von Muman ansässig war. »Und die anderen?«

»Andere Teile des Stammes fuhren übers Meer. Einer wurde von Eochaid angeführt, welcher seine Leute in diesem Gebiet siedeln ließ, das war damals das Land der Demetae. Eochaid wurde hier der Herrscher, und es heißt sogar, daß ihm das mit friedlichen Mitteln gelang und nicht durch Krieg. Seit dieser Zeit haben hier zehn weitere Könige aus seiner Linie geherrscht, und viele Adlige der Gegend stammen von den Deisi ab. Deshalb kann sich so mancher in diesem Königreich immer noch in der Sprache von Eireann unterhalten, und deshalb studieren auch eine Menge Geistliche hier.«

Eadulf hatte davon bisher nichts gewußt. Er dachte eine Weile über die alte Geschichte nach und kam dann wieder auf ihr Thema zurück.

»Wenn Abt Tryffin dich um Hilfe bitten will, warum hat er es deiner Meinung nach nicht bei deinem Besuch heute nachmittag getan?«

»Ich weiß es nicht. Er war sehr herzlich und äußerst besorgt darum, daß man dir die beste Pflege angedeihen läßt. Er erkundigte sich nach unserer Reise und fragte mich, ob es dir gut genug ginge, um mich morgen nachmittag zu ihm zu begleiten.«

»Warum braucht er deine Hilfe? Woher weiß er eigentlich, wer du bist? Ich schätze, ihm ist bekannt, daß du eine dalaigh bist?«

»Da hast du gut aufgepaßt, Eadulf«, bemerkte Fidelmaein wenig von oben herab. »Er war genau im Bilde, wer ich bin, und wußte, daß ich als dalaigh bei den Gerichten wirke. Die Britannier verfügen über ein ähnliches Rechtssystem wie wir. Offensichtlich muß er bald nach unserer Ankunft in Dyfed alles über meine Person erfahren haben. Ich habe dir erzählt, daß viele Geistliche aus meinem Land hier zum Studium an die Abtei von Muine kommen.«

»Muine?«

»Lateinisch heißt die Halbinsel Menevia. In der hiesigen Sprache Moniu.«

»Oh, ja. Bruder Rhodri erwähnte den Namen bereits«, erwiderte Eadulf.

Fidelma lächelte schelmisch. »Du willst vielleicht nicht gern an Fearna erinnert werden, Eadulf, aber der heilige Maedoc, der die Abtei gegründet hat, war auch ein Schüler von Dewi Sant und hat hier studiert.«

Eadulf überlief ein leichter Schauer. Er dachte daran, wie er erst kürzlich in der Abtei von Fearna beinahe sein Leben eingebüßt hätte.

»Nun«, fuhr Fidelma fort, »man hat Abt Tryffin darüber informiert, daß wir ein gewisses Ansehen genießen, was das Lösen von rätselhaften Kriminalfällen betrifft ...«

Eadulf fühlte sich sehr geschmeichelt, von ihr so selbstverständlich einbezogen zu werden. »Also glaubst du, daß er mit uns eine bestimmte Angelegenheit erörtern möchte?« fragte er rasch.

»Ja, das denke ich.«

»Das kommt mir höchst eigenartig vor.«

»Bald werden wir mehr wissen. Es hat keinen Sinn, weitere Spekulationen anzustellen.« Sie ergriff seine Hände. »Es ist schön, daß du dich wieder erholt hast, Eadulf. Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht.«

Kapitel 3

Der folgende Tag war strahlend schön und wolkenlos. Eadulf trat vorsichtig vor das Hospizgebäude und mußte feststellen, daß er sich immer noch schwach auf den Beinen fühlte und ihm ein wenig schwindlig war, ganz so, wie es Bruder Rhodri ihm warnend vorausgesagt hatte. Dennoch tat ihm die kalte frische Luft gut, und bald war auch der Schwindel verschwunden.

Der Hafen von Porth Clais lag in einer Flußmündung an einer langen schmalen Bucht am Meer. Zu beiden Seiten des Flusses erhoben sich Berge. Ein paar kleine Fischerboote schaukelten sanft auf dem Wasser. Hier und da schmiegten sich einzelne Häuser in die mit Stechginster und Heidekraut überzogenen Hügel.

Eadulf fielen die Vögel auf, für die die schmale Bucht einen natürlichen Zufluchtsort bildete. Sie kreischten laut, stießen hinab und schwangen sich wieder empor. Er nahm auch die Seerobben wahr, die im Wasser planschten. Es war einfach idyllisch hier. Er bemerkte, wie ein Robbenjunges auf das schlammige Ufer ihm gegenüber kroch. Da näherte sich dem Tier der dunkle Schatten eines Raubvogels. Nun erschollen Schreie, und der graue Kopf der kleinen Robbe wurde blutig, denn die Klauen des Vogels hatten sich in ihn gebohrt. Doch war es dem Raubvogel nicht gelungen, seine Beute davonzutragen. Die besorgte Robbenmutter tauchte aus den Wellen auf und lockte das Junge zu sich. Eadulf sah den rostbraunen Räuber, den er als Turmfalken ausmachte, hoch oben in den Lüften, wie er zu einem zweiten Sturzflug ansetzte. Das Robbenjunge, ermutigt von den Rufen der Mutter, hatte es aber bereits ins Wasser geschafft. Das Leben war nie idyllisch, wie Eadulf diese Szene vor Augen führte.

Er drehte sich um, ging den Weg entlang, bis er einen Baumstamm fand, auf den er sich niederließ. Die Sonne, die zwar nicht die Kraft des Sommers besaß, schien dennoch warm und wohltuend. Ein, zwei Leute zogen an ihm vorbei und grüßten ihn in ihrer Mundart. Er rief sich seine spärlichen Kenntnisse der britannischen Sprache wieder ins Gedächtnis und erwiderte ihren Gruß. Während seines Studiums in Tu-am Brecain war er mit zwei Mönchen aus dem Königreich von Powys zusammengekommen. Eine Zeitlang hatte er sich bemüht, ihre Sprache zu erlernen. Er war sich der Feindschaft zwischen Britanniern und seinem eigenen Volk sehr bewußt. Wenn Eadulf manchmal in aller Ruhe darüber nachsann, konnte er sehr wohl begreifen, wo die Wurzeln dieser Feindschaft lagen.

Zu seines Vaters Zeiten war das britannische Königreich von Elmet zerschlagen worden. Man hatte Ceretic, den Herrscher des Reiches, ermordet, und die Bevölkerung war vom sächsischen Kriegsfürsten Snot nach Westen getrieben worden. Snot hatte seine Siedlung oder sein ham am Westufer des Flusses errichtet, der die Grenze des winzigen Königreiches bildete. Inzwischen war Snotingaham zu einer blühenden angelsächsischen Stadt herangewachsen, doch einst hatten dort Britannier gelebt. Natürlich konnte Eadulf verstehen, warum die Britannier die Angelsachsen haßten. War es nicht auch so, daß die meisten Angelsachsen diesen Haß erwiderten? Dadurch, daß die Angelsachsen das Christentum angenommen hatten, war die Kluft zu den Britanniern eher noch größer geworden.

Eadulf hatte von den Altvorderen gehört, wie sich vor über sechzig Jahren der römische Benediktiner Augustinus, vom Papst aus Rom gesandt, mit vierzig Mönchen aus Snotingaham im Königreich Kent niedergelassen hatte, um die Christianisierung des Landes voranzutreiben. Er war dabei auf irische Missionare gestoßen, vor allem im Norden, die versuchten, den heidnischen Angelsachsen den christlichen Glauben näherzubringen - und das Lesen und Schreiben. In Canterbury kam er zu einer Kirche, die dem heiligen Martin von Tours geweiht war und die die Britannier errichtet hatten, ehe sie von den Jüten vertrieben wurden. Die christliche Gattin des Königs von Kent, die aus dem Frankenreich stammte, und ihr Kaplan feierten dort ihren Gottesdienst. Augustinus wußte, daß die Britannier seit der römischen Eroberung Christen waren und forderte ein Treffen mit ihren Bischöfen an der Grenze zwischen ihren restlichen Gebieten und dem Land der Angelsachsen.