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Sie schaute ihn belustigt von der Seite an. »Was? Von einer der großen Städte der Christenheit bist du nicht beeindruckt?« Er verneinte entschieden. »Mir sind Berge, Flüsse und Wälder allemal lieber als die engen Gassen einer Stadt. Ich fühle mich wie in einem Gefängnis mit all den Mauern ringsherum. Und dann diese grauen, finsteren Bauten .« Mit einer Kopfbewegung wies er zur Abtei.

»Das Ganze ist irgendwie abschreckend.«

»Die Gebäude sind wirklich einschüchternd«, stimmte ihm Fidelma zu und schaute nach oben. »Ich bin ebenfalls kein Stadtbewohnerin und hasse es, von allen Seiten eingesperrt zu sein. Aber man muss zugeben, solche Bauwerke haben dennoch etwas Großartiges an sich. Wenn du dich hier auch nicht wohlfühlst, nimm diese Erfahrung in dich auf. Jetzt steht uns erst einmal unsere nächste Prüfung bevor . Wir müssen herausbekommen, wer hier ermordet wurde. Möge Gott verhüten, dass es unser alter Freund Segdae ist.«

Sie hatten noch nicht das Haus mit der Kanzlei erreicht, als sich die Tür öffnete und ein Mönch heraustrat. Eadulf sprach ihn an und fragte, ob hier der Verwalter der Abtei zu finden sei.

Der Mann schaute ihn einen Moment lang an und blickte dann finster auf Fidelma.

»Frauen gehören ins domus feminarum, ins Frauenhaus«, sagte er grob in kehligem Latein und deutete auf ein seitwärts stehendes Gebäude. »Hier bist du nicht willkommen.«

Eadulf starrte ihn bestürzt an. »Wir sind doch in der Abtei von Autun, nicht wahr? Wir suchen den Verwalter des Hauses.«

Die finstere Miene des Mannes wurde noch abweisender. »Frauen sind hier nicht willkommen«, wiederholte er. »Geh schon!«

Fidelma presste die Lippen zusammen, und es blitzte gefährlich in ihren Augen. »Wir verlangen den Verwalter zu sehen!«, sagte sie langsam und mit Nachdruck. »Wo ist er zu finden?«

Der Mönch wollte darauf bestehen, sie fortzuschicken. Da aber erschien hinter ihm in der Tür eine vertraute Gestalt. Es war Abt Segdae. Er wirkte blass und mitgenommen, doch er eilte ihnen entgegen und begrüßte sie mit ausgestreckten Händen.

»Fidelma! Eadulf! Gott sei Lob und Dank, dass ihr endlich kommt!«

KAPITEL 3

»Es tut gut, dich wohlauf zu sehen, Segdae«, sagte Fidelma warmherzig. Der Abt von Imleach hatte sie ins anticum, in die Vorhalle der Abtei geführt, allerdings nicht, ohne zuvor einen heftigen Wortwechsel mit dem Klosterbruder ausgetragen zu haben, der sie nicht hatte einlassen wollen. Achselzuckend hatte sich der Mönch getrollt. Jetzt saßen die drei völlig allein in der großen Halle auf einfachen Holzbänken, hoch über ihnen ein gewölbtes Dach.

»Ich bin erleichtert, dass ihr da seid.« Der Abt war sichtlich erregt.

»Dir liegt etwas auf der Seele, Segdae«, ging Fidelma auf seine Gemütsverfassung ein, und Eadulf fügte hinzu: »Wir haben gehört, ein Abt aus den fünf Königreichen wurde ermordet. Die Nachricht hat uns in Nebirnum erreicht, und wir sind unverzüglich hierher weitergereist. Wer ist das Opfer?«

»Dabhoc, ein freundlicher Mann. Er weilte im Auftrag des Bischofs von Ard Macha hier.«

»Der ist mir unbekannt«, gestand Fidelma.

»Er war der Abt von Tulach Oc, das liegt im nördlichen Königreich.«

Sie schüttelte den Kopf, weder der Name des Abts noch der des Ortes sagten ihr etwas.

»Wie ist es geschehen?«, fragte Eadulf. »Wer hat ihn getötet?«

Abt Segdaes Gesichtsausdruck blieb verstört. »Genau das ist das Problem, und man redet sich die Köpfe heiß. Der Leichnam des Abts wurde im Zimmer von Bischof Ordgar gefunden .«

»Doch nicht etwa Bischof Ordgar von Kent?«, entfuhr es Eadulf.

»Du kennst ihn?«, fragte Abt Segdae.

»Ich habe viel von ihm gehört und weiß, dass Theodor, den man zum Erzbischof von Canterbury ernannt hat, große Stücke auf ihn hält. Er steht voll und ganz hinter den Regeln von Rom und zeigt wenig Verständnis für die Menschen und Kirchen im Westen.«

»Ordgar vertritt hier Theodor«, erklärte Abt Segdae bitter, »und seine Haltung gegenüber den Vertretern der Kirchen der Britannier ist unerbittlich. Zudem ist er äußerst arrogant.«

»Also war es Ordgar, der Dabhoc umgebracht hat?«, wollte Fidelma wissen.

»Das ist noch nicht erwiesen. In der Abtei hier herrscht Unfriede. Bisher hat sich das Konzil nicht zu einer gehörigen Sitzung zusammenfinden können. Die ganze letzte Woche ist nur herumgerätselt und hinter vorgehaltener Hand gesprochen worden.«

»Ist das der Grund, weshalb ich hier nicht gern gesehen bin?«, fragte Fidelma. »Der Mönch, der uns empfing, murmelte so etwas in der Richtung und auch, dass ich ins domus feminarum gehöre. Mir ist das unverständlich.« »Nein, damit hat das nichts zu tun«, erwiderte Abt Seg-dae. »Der Bischof verspürte wenig Neigung, dich in die Abtei zu lassen, denn es handelt sich hier nicht um ein conhospitae, ein gemischtes Haus. Für die Schwestern gibt es ein gesondertes Haus, und das wird von einer abbatissageleitet. Die Mönche hingegen unterstehen dem Bischof und Abt von Autun. Er ist ein Franke namens Leodegar, ein intelligenter Mann, gehört aber zu denen, die meinen, dem Neuen Glauben mit Geschlechtertrennung und Zölibat besser zu dienen.« »Dann sind wir hier eher fehl am Platz«, stellte Eadulf fest.

»Ich ahnte nicht, dass hier derartige Regelungen herrschen«, meinte Abt Segdae zerknirscht, »sonst hätte ich nicht darum gebeten, dass dein Bruder Colgü dich als meinen Berater herschickt.«

»Gibt es auf diesem Konzil keine weiblichen Delegierten?«, fragte Fidelma. »Hat keiner der Männer seine Frauen mitgebracht oder eine Ratgeberin?«

»Einige wenige schon, aber Leodegar hat angeordnet, dass sie nicht an den Zusammenkünften teilnehmen dürfen. Er beruft sich darauf, auf Weisung des Bischofs von Rom, Vitalianus, zu handeln. Bischof Leodegar ist eine schwer zu durchschauende Person und in seinen Launen unberechenbar. Einige der Frauen wurden im domus femina-rum untergebracht, andere haben Unterkunft in der Stadt gefunden.«

Fidelma machte keinen Hehl aus ihrer Verärgerung. »Ich habe den Eindruck, wir hätten uns die Reise hierher sparen können. Am besten, wir sehen uns nach einer Bleibe in der Stadt um. Es gibt dort sicher etliche Wirtshäuser und Herbergen. Oder gelten die Weisungen von Bischof Leodegar auch für die Stadt?«

»Gemach, ich bin noch nicht am Ende«, beeilte sich der Abt zu sagen. »Eure Reise hierher war keineswegs umsonst. Ich habe eine lange Unterredung mit Leodegar gehabt und ihn davon überzeugen können, dass er deiner besonderen Gabe bedarf und deine Anwesenheit daher wichtiger ist als all seine Verhaltensregeln und Gebote.«

»Wie das?«, fragte sie immer noch ungehalten.

»Leodegar brüstet sich mit seiner Handlungsvollmacht von Vitalianus aus Rom, steht aber gleichzeitig von Rom unter Druck, das Konzil zu einem Erfolg werden zu lassen. Es gilt, Entscheidungen über die Zukunft der Kirchen im Westen zu treffen. Und jetzt hat der Mord an Abt Dabhoc die Dinge erst mal zum Stillstand gebracht. Niemand weiß, wie es weitergehen soll, und es besteht die Gefahr, dass die Delegierten einfach in ihre Länder zurückkehren, ohne dass hier irgendetwas erreicht worden ist. Es sei denn ...«. Er blickte Fidelma und Eadulf an und machte eine hilflose Handbewegung.

Fidelma blieb ungerührt. »Dieser Bischof Leodegar sähe es also gern, dass jemand die Umstände, unter denen es zu dem Mord kam, näher untersucht?«, fasste sie zusammen. »So ist es«, bestätigte er.

Alle drei schwiegen eine Weile. Aufmerksam beobachtete Fidelma Abt Segdae, ehe sie schließlich sagte: »Ohne den Staub von unseren Sandalen geschüttelt zu haben, können sich Eadulf und ich zu keiner Entscheidung durchringen. Wir haben eine lange Reise hinter uns und brauchen ein Plätzchen zum Ausruhen und eine Möglichkeit, ein Bad zu nehmen, falls es so etwas überhaupt in der Stadt gibt. Das bringt uns wieder zu der Frage, wo wir eine Bleibe finden können. Kennst du vielleicht eine Herberge hier in der Nähe?«