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»Du musst uns das nicht weiter erläutern«, meinte Eadulf und langte nach einer Frucht. »Ich frage mich nur, wer daran Anstoß nehmen würde, wenn Fidelma dort hereinmarschierte«, fügte er augenzwinkernd hinzu und biss herzhaft in das Obst. Das saftige Fruchtfleisch mundete ihm vorzüglich. »Ich habe lange nicht etwas so Wohlschmeckendes gekostet. Was ist das?« »Malum Persicum, Bruder Eadulf«, erwiderte Bruder Chilperic, und nach einer Weile: »Der Bischof hat gesagt, ich sollte warten, bis ihr gefrühstückt habt, und euch dann gleich das Zimmer zeigen, in dem sich das Drama abgespielt hat.«

»Gleich nach dem Frühstück machen wir uns an die Arbeit«, bestätigte ihm Fidelma und griff nach einer ähnlichen Frucht wie Eadulf. »Wie hast du die genannt - persischer Apfel?«, fragte sie und biss vorsichtig hinein.

»Ja, genau so.«

»Weich und süß. Kauft ihr die von persischen Händlern?« Bruder Chilperic schüttelte den Kopf. »Als die Römer vor einigen Jahrhunderten das Land hier eroberten, brachten sie die Samenkerne mit und pflanzten sie ein. In den Klostergärten erzielen wir gute Ernten. Nein danke, ich habe schon gegessen«, wehrte er ab, als Eadulf ihm die Obstschale zuschob.

Eadulf wischte sich genüsslich den Mund und grinste ihn schelmisch an. »Ich hoffe doch, die Erde hat nicht gleich gebebt, als Bischof Leodegar gestern Abend verkündete, dass sich in den Gängen und Hallen der Abtei eine Frau bewegen würde?«

Bruder Chilperic war verunsichert, wie er mit der humori-gen Bemerkung umgehen sollte.

»Die Regelung des Bischofs ist erst ein Jahr in Kraft. Davor waren wir nicht von den Frauen getrennt. Wie in anderen frommen Gemeinden war auch das hier ein gemischtes Haus. Viele von uns haben Frauen und auch Kinder in dem domus feminarum nebenan - Frauen, von denen wir uns lossagen mussten, wenn wir hier weiterhin als Mönche leben wollten.«

»Von ihnen lossagen?«, fragte Fidelma befremdet.

»Wir mussten vor Gott und dem Bischof erklären, dass wir unserem Ehegelöbnis abschwören, weil Gott uns mehr als alles andere bedeutet.«

»Und was wäre geschehen, wenn ihr euch nicht dazu bekannt hättet?«

»Wir hätten das Kloster verlassen und uns eine andere Bleibe suchen müssen. Aber viele fromme Gemeinschaften in Burgund, in Austrasien und Neustrien lehnen gemischte Häuser ab. Wohin also hätten wir gehen sollen? Das hier ist unser Land.«

»Wäre es so schlimm gewesen, weiter nach Westen zu ziehen?«

»Viele von uns, Männer und Frauen, sind aus dieser Stadt«, erklärte er bedrückt. »Hier sind wir geboren, hier sind wir aufgewachsen, und wir gehören hierher. Das gilt für viele von uns in der Gemeinde. Wir sind Söhne und Töchter von ehemaligen Mönchen und Nonnen der Gemeinschaft. Wir haben keine Wahl, wir müssen uns der Regelung beugen.«

Fidelma war entsetzt. »Keine andere Wahl? Wie soll ich das verstehen?«

»Bischöfe sind allmächtig. Viele sind weltliche Fürsten, nicht nur Männer im Dienste Gottes. Man muss ihnen gehorchen.«

»Bischöfe wie Leodegar?«

Bruder Chilperic zauderte.

»Weiß Rom davon?«, fragte Eadulf erschüttert.

»Rom würde sich wohl wenig dafür interessieren. Rom sieht sich als weltliche Macht, deren Aufgabe es zwar ist, das moralische Gewissen der Fürsten des alten Imperiums zu stärken, gleichzeitig fordert sie aber Tribut von ihnen. Das ist letztlich der Grund, weshalb Rom mit den westlichen Kirchen auf Kriegsfuß steht. Die ewigen Streitigkeiten zwischen euren Kirchen und Rom gehen doch nun schon eine ganze Weile.«

Fidelma sah ihn aufmerksam an. »Und du? Hast du dich auch von deiner Frau losgesagt?«, fragte sie völlig unerwartet und nutzte bewusst seine Wortwahl.

Der junge Mann wurde rot. »Ich ... ich habe keine Frau«, stammelte er und stand auf. »Euer Einverständnis vorausgesetzt, sollten wir jetzt mit der Untersuchung beginnen.«

Eadulf warf Fidelma einen vielsagenden Blick zu; er hielt es für besser, Bruder Chilperic nicht mit weiteren Fragen zu bedrängen.

»Ehe wir an die eigentliche Arbeit gehen, hätten wir gern, dass du uns noch ein wenig von der Abtei zeigst«, schlug Fidelma vor. »Das könnte uns manches erleichtern.«

»Ich weiß nicht recht«, brummelte Bruder Chilperic verunsichert.

Ärgerlich zog Fidelma die Augenbrauen zusammen. »Nun komm schon, Bruder. Unsere Mission hier ist sinnlos, wenn wir uns kein Bild machen können, wo genau wir eigentlich sind.«

Es blieb ein flüchtiger Erkundungsgang, aber zumindest verschaffte er Fidelma und Eadulf eine gewisse Orientierung. Die Abtei war größer, als sie erwartet hatten, und wurde nach zwei Seiten hin von hohen Stadtmauern begrenzt. Augenscheinlich gab es ein Hauptgebäude, eine große Kapelle und mehrere kleinere Häuser mit bescheidenen Höfen und Gärten. Vom anticum im Hauptgebäude traten sie in einen großen Hof, von dem aus man auf der gegenüberliegenden Seite in die imposante Kapelle gelangte. An der Südseite des Hofes stand ein separates Gebäude, in dem sich die Gemächer von Bischof Leodegar befanden. Darum herum gruppierten sich Obstbäume -Äpfel, Birnen, Pflaumen und Quitten. Daneben stand das Arzthaus, zu dem auch eine Krankenstube gehörte sowie ein Gärtchen mit Kräutern und Heilpflanzen.

Das Hauptgebäude beherbergte alle Werkstätten der Gemeinschaft - Bäckerei, Brauerei und gleich neben dem Refektorium den Küchenbereich. Außerdem befanden sich zu ebener Erde die Latrinen. Auch gab es dort einen Gemeinschaftsraum für die Mönche, das sogenannte calefactorium, das im Winter durch Warmluftabzüge beheizt wurde, die von den Feuerstellen der Küche unter dem Fußboden entlangführten, und daneben lag das scriptorium, die Bibliothek. Auch an eine Kleiderkammer, an ein vestiarium war gedacht, denn die Wärme des calefactoriums hielt die Sachen gut instand. Nicht weniger wichtig war die gleichbleibende Temperatur für die Handschriften in der Bibliothek.

Im Stockwerk darüber lagen die dormitoria der Klosterbrüder. Für die Mönche höheren Ranges gab es Einzelzellen. Noch eine Ebene höher befanden sich weitere Kammern und die hospitia, die Herberge, deren Räume etwas großzügiger ausgestattet und für Gäste von Rang und Namen gedacht waren.

Im geräumigen Innenhof war Bruder Chilperic stehengeblieben, um auf ein paar entscheidende Punkte in der Klosteranlage hinzuweisen. Er war eifrig und nicht ohne Stolz bei der Sache.

»Wir befinden uns in einer Ecke der Altstadt und haben an zwei Seiten die alten Stadtmauern als Begrenzung. Die Mauer im Westen verläuft hinter der Kapelle und die im Süden hinter dem Haus des Bischofs. Jenseits des Südwalls, unter dem wir durch einen Tunnel nach draußen gelangen, haben wir unser Gehöft mit Ställen für Kühe, Ziegen, Schweine und Schafe, Gehege für Hühner und Enten. Auch Gemüse ziehen wir dort - Knoblauch, Zwiebeln, Kohl, Salat oder Sellerie, zum Beispiel.«

»Wechseln sich die Mönche in der Bewirtschaftung ab?«, fragte Fidelma.

Er schüttelte den Kopf. »Die Arbeit auf dem Feld und in den Ställen wird von Sklaven verrichtet; die Mönche beaufsichtigen sie nur.«

»Sklaven?«, wiederholte Fidelma ungläubig.

»Sklaven dürfen nicht in die Abtei«, fuhr er gleichmütig fort, als hätte er ihren erschrockenen Gesichtsausdruck nicht bemerkt. »Die arbeiten nur dort draußen. Zwanzig Feldarbeiter, allesamt Sklaven, gehören zum Kloster.«

Mit warnendem Blick versuchte Eadulf, Fidelma von dem Thema abzubringen. »Die Kapelle ist ein Glanzstück«, lobte er.

Voller Stolz erläuterte Bruder Chilperic: »Sie war ehemals ein Tempel der Römer und dient nun dem Gebet des wahren Glaubens.«