Выбрать главу

Auf den Gesichtern seiner beiden Zuhörer zeigte sich Verständnislosigkeit, und so erklärte ihnen Cadfan: »Benchoer ist das größte und bekannteste Kloster in Gwynedd. Seinen Abt Drosto hatte man zum Konzil eingeladen, und ich sollte ihm als Begleiter zur Hand gehen. Kurz vor dem Antritt unserer Reise überfielen die Sachsen aus Mercia Benchoer, legten es in Schutt und Asche und metzelten nahezu tausend unserer Brüder nieder. Gott sei Dank war ich zu dem Zeitpunkt nicht dort, denn ich war beim Bischof von Dewi Sant in Menevia, um mit ihm Dinge zu beraten, die hier auf dem Konzil zur Sprache gebracht werden sollten. Wir erfuhren, dass Drosto und einige wenige Überlebende in die Wälder geflohen waren und von den Sachsen verfolgt wurden. Dann erhielten wir eine Nachricht von Drosto selbst, in der er uns mitteilte, dass er seine Leute in der Bedrängnis nicht allein lassen könne. Man beschloss, ich solle als Vertreter herreisen, weil das Konzil zu wichtig sei, als dass sich niemand von uns daran beteiligte. Die Vorschläge, die hier zur Debatte stünden, könnten erhebliche Auswirkungen auf unsere Kirchen und Klöster haben.«

Er schwieg. Eadulf war betroffen.

»An die tausend deiner Brüder wurden ermordet?«, wiederholte Fidelma und schaute Abt Cadfan teilnahmsvoll an.

»Brüder und Schwestern«, bestätigte er. »Es gab keinerlei Anlass, es war ein Überfall wie aus heiterem Himmel.« »Wulfheres Bestreben, Herrscher über alle angelsächsischen Königreiche zu sein, ist bekannt«, sagte Eadulf bedächtig. »Er erhebt auch den Anspruch, Bretwalda zu sein, was so viel heißt wie Herrscher über alle Britannier. Er hat die Befugnis des Erzbischofs von Canterbury erwirkt, sich so zu nennen. Seine Bündnisse und Eroberungen schließen selbst meine eigenen Leute ein, die Königreiche der Ostangeln. Er hat das Königreich der Ostsachsen und auch das Königreich von Lindsey nördlich von uns in der Hand.« »Du wirst es mir nachsehen, wenn mir meine eigenen Leute mehr am Herzen liegen«, erwiderte Abt Cadfan trocken. »Was mich umtreibt, sind Wulfheres Versuche, uns zu vernichten. Ich habe Ordgar als Christen gefragt, als einen, der den neuen Bischof vertritt, der von Rom entsandt wurde, die angelsächsischen Königreiche zu leiten und zu lenken, ob er mich dabei unterstützen würde, diesen Frevel und grundlosen Überfall auf ein frommes Haus zu verurteilen. Er hat mir frech ins Gesicht gelacht und erklärt, er höre mit Freuden von Wulfheres Heldentaten.« Peinlich berührt blickte Eadulf zu Boden.

»Zwischen deinem und meinem Volk hat es ständig kriegerische Auseinandersetzungen gegeben«, murmelte er schließlich, weil er das Gefühl hatte, irgendetwas zu dem soeben Geschilderten sagen zu müssen.

Ohne jede Spur von Gereiztheit entgegnete Abt Cadfan: »Und warum ist das so, Bruder Eadulf? Haben wir euer Land überfallen oder ihr das unsrige? Du bist doch klug genug und ergreifst nicht blindlings Partei für dein Volk, wenn es im Unrecht ist?«

Fidelma hielt den Moment für gekommen, sich einzumischen. »Bischof Ordgar weigerte sich also, die Zerstörung von Benchoer zu verurteilen«, lenkte sie rasch ab. »Was geschah dann?«

»Wir gingen in den Versammlungsraum, und ehe ich überhaupt Gelegenheit hatte, das Thema zur Sprache zu bringen, fing Ordgar an, mich zu beleidigen. Ein Wort gab das andere, und der Rat wurde vertagt. Beim Hinausgehen wurde Ordgar ein weiteres Mal ausfallend. Nun werde ich leider leicht jähzornig. Ich hatte mich nicht in Gewalt und versetzte ihm eine Ohrfeige. Er schlug zurück, und schon lagen wir auf der Erde und rangen miteinander. Es war entwürdigend und ist unverzeihlich. Die Brüder trennten uns schließlich.«

»Wann war das?«, fragte Fidelma. »Ich meine, im Zusammenhang mit den Geschehnissen in Ordgars Zimmer gesehen.«

»An ebendem Nachmittag.«

»Was geschah, nachdem man euch Kampfhähne getrennt hatte?«

»Ich beschloss, ihn zu meiden, und ging mit einem der gallischen Brüder zum alten römischen Theater nicht weit vom Kloster hier. Ein Prachtbau ...«

»Wir kennen römische Theater«, fiel ihm Eadulf ins Wort, der merkte, wie Abt Cadfan in Begeisterung verfiel; ihm war wichtig, dass sie nicht von ihrem eigentlichen Anliegen abkamen.

»Aber bestimmt kein Amphitheater wie das hier, fünfzehnhundert Zuschauer haben da Platz. Es ist ...«

»Warum bringst du so beharrlich das Theater zur Sprache?«, wollte Fidelma wissen. »Hat sich dort etwas Besonderes getan?«

»Nein.« Der Abt begriff, dass er besser nicht abschweifen sollte, und fuhr fort: »Zum Abendgebet kehrten wir hierher zurück. Ich sah Ordgar in der Kapelle, mied ihn aber auch dort, ging auf mein Zimmer und zog mich zur Nachtruhe zurück. Ein Klopfen an der Tür weckte mich. Ich rief >Wer da?<, bekam aber keine Antwort. Es war noch dunkel, wiederum konnte es nicht mehr lange bis zur Morgendämmerung sein. Ich zündete eine Kerze an und ging zur Tür, doch da war niemand, und der Gang war leer.

Auf der Schwelle lag eine Notiz, ein Stück Pergament.« »Und was stand darauf?«

»Es trug die Unterschrift von Ordgar und besagte, er hätte einen großen Fehler gemacht und wünschte mich unverzüglich zu sehen. Er würde mich in seinem Zimmer erwarten.«

»Stimmt es, dass du diese Notiz nicht mehr hast?«, fragte Fidelma.

»Als ich zu Ordgars Zimmer ging, hatte ich den Zettel bei mir, aber als ich später wieder zu Bewusstsein kam, war er fort.«

»Aha. Sonst stand nichts weiter drauf?«

»Nein.«

»Kam es dir nicht merkwürdig vor - zu nächtlicher Stunde solch eine Nachricht zu erhalten?«

»Merkwürdig, wieso?«

»Dass Bischof Ordgar nach den Zusammenstößen, die ihr hattet, dir plötzlich eine Entschuldigung schickt und dich mitten in der Nacht zu sehen wünscht.«

Abt Cadfan zuckte mit den Achseln. »Paulus erschien auf seinem Weg nach Damaskus ein blendendes Licht. Warum nicht Ordgar mitten in der Nacht?«

»Ich fürchte, dass selbst Paulus nicht so veranlagt war wie Ordgar«, wandte Fidelma vorsichtig ein.

Abt Cadfan sann eine Weile nach, ehe er weiterredete. »Wenn ich es recht bedenke, war es vielleicht wirklich merkwürdig. Wahrscheinlich lag mir das Verbrechen in Benchoer zu sehr auf der Seele, ich wollte die Christenheit aufrütteln. Und so eilte ich ohne Bedenken in sein Zimmer. Ich glaubte tatsächlich, er wäre zu einer anderen Meinung gelangt. Nun aber, da der Zettel mit der Nachricht von ihm verschwunden ist, stehe ich wie ein Lügner da.«

»Und wie ging’s weiter?«

»Ich klopfte an die Tür, sie schwang auf, und ich ging hinein. Es war dunkel, und ich rief nach dem Bischof. Für den Bruchteil einer Sekunde empfand ich einen heftigen Schmerz; mir war, als hätte ich von hinten einen Schlag erhalten. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist erst wieder, dass ich hier auf meinem Bett lag. Man hatte mir den Kopf verbunden, der schmerzte und blutete.« Er tastete nach dem Kopf. »Verbunden ist er nicht mehr, aber leicht geschwollen ist die Stelle immer noch, und die Wunde ist auch noch zu sehen.«

»Hat man dir erzählt, was geschehen war?«

Man teilte mir mit, Abt Dabhoc wäre tot, mich hätte man bewusstlos liegend vorgefunden und Ordgar würde behaupten, man hätte ihm etwas in den Wein gemischt. Ich erfuhr, dass Bruder Gebicca, der Arzt, mich in mein Zimmer zurückgebracht und sich um mich gekümmert hatte. Am nächsten Tag hörte ich von Bischof Leodegar, Ordgar würde mich beschuldigen, den Mord begangen zu haben, um letztlich ihn in Verdacht zu bringen und ihm die Schuld zuzuweisen. Daraus ergibt sich für mich, wer der Übeltäter ist. Wenn du mich fragst, so stand Ordgar hinter der Tür und schlug mich beim Betreten des Raumes nieder.«

Der Logik konnte Fidelma nicht folgen und machte auch keinen Hehl daraus. »Wie kommst du zu dieser Schlussfolgerung? Das musst du mir erklären, Abt Cadfan.« »Ganz einfach. Ich war mit Abt Dabhoc auf dem Konzil zusammen. Weshalb hätte ich ihn umbringen sollen? Er war entgegenkommend, und die Leute aus Iwerddon, wie wir dein Land nennen, haben viele Bräuche und Rituale mit uns gemeinsam, die Sachsen hingegen nicht. Es gab keinerlei Grund, mich mit Abt Dabhoc anzulegen. Die Beschuldigung, die Ordgar gegen mich erhebt, besteht zu Unrecht. Er konnte Abt Dabhoc ebenso wenig ausstehen wie mich. Meine Meinung ist die: Ordgar hat das Ganze inszeniert, um mir die Schuld zuzuschieben. Das ist alles.«