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»Dort, wo Köpfe offen sind für andere Gedanken und Vorstellungen, so dass sich Rede und Gegenrede überhaupt entwickeln können. Wenn Entscheidungen von vornherein feststehen, kann es keinen fruchtbaren Gedankenaustausch geben.« Zärtlich berührte sie seinen Arm. »Manchmal vergesse ich, wie weise du sein kannst, Ea-dulf. Ich werde in Zukunft besser darauf achten, was ich sage und was ich für mich behalte.

Aber jetzt wollen wir Bruder Gebicca aufsuchen.« Fidelma und Eadulf hatten schon mit vielen Ärzten und Apothekern zu tun gehabt. Bruder Gebicca glich ihnen allen. Er war schon älter, der hagere Körper wirkte energisch und behende. Er war mit Stößel und Mörser an seinem Werktisch beschäftigt, als sie den übelriechenden Raum betraten. Erstaunt blickte er auf, Besucher dieser Art hatte er nicht erwartet. »Du bist eine Frau!«, stellte er mürrisch fest.

»Und du ein guter Beobachter, Bruder Gebicca«, erwiderte sie fröhlich. »Eine Eigenschaft, die für die Arbeit in einer Apotheke von Vorteil ist.«

Er machte eine abwehrende Handbewegung.

»Frauen haben zu unserer Abtei keinen Zutritt«, erklärte er.

»Du warst gestern wohl nicht zum Abendgebet in der Kapelle?«, fragte sie.

»Warum sollte ich?«, entgegnete er, immer noch gereizt. »Ich habe jede Menge zu tun und vom Bischof die ausdrückliche Erlaubnis, der Andacht fernzubleiben, damit ich mich ausschließlich auf die Gesunderhaltung meiner Mitbrüder konzentriere. Was führt euch hierher?«

»Wärest du gestern Abend dort gewesen, hättest du vernommen, dass der Bischof unsere Anwesenheit und auch den Zweck unseres Aufenthaltes hier verkündete. Wir untersuchen die Todesumstände von Abt Dabhoc.«

Nur kurz kniff er die Augen zusammen, dann entspannten sich seine Züge.

»Ach ja. Bruder Chilperic hat so etwas erwähnt.« Er stand vom Schemel auf, wusch sich in einer Schüssel die Hände und trocknete sie an einem Leinentuch ab. »Und was erwartet ihr von mir?«

»Dass du uns erzählst, was du über den Tod von Abt Dabhoc weißt.«

Er sah von einem zum anderen und winkte ihnen, ihm zu folgen. Eine Tür führte nach draußen in den hinter der Apotheke gelegenen Kräutergarten. Auf bankähnlichen niedrigen Steinen lud er sie zum Sitzen ein. Der Garten war in Sonnenlicht getaucht und erfüllt von allen möglichen Düften der Kräuter und Blumen. Nach dem Aufenthalt in den kalten Gemäuern der Abtei war es wohltuend, fast einschläfernd, in der warmen Luft zu sitzen. »Wie wir hörten, wurdest du in der Nacht, in der man Abt Dabhoc ermordete, von Bruder Sigeric in Bischof Ordgars Zimmer gerufen«, eröffnete Eadulf die Befragung. »Bruder Sigeric handelte auf Weisung von Bischof Leodegar, der bereits am Ort des Geschehens war«, ergänzte Bruder Gebicca peinlich genau.

»Um wen hast du dich als Ersten gekümmert, als du in Ordgars Zimmer kamst?«

»Zuallererst galt es zu bestätigen, dass ich für den Abt aus Hibernia nichts mehr tun konnte. Das festzustellen war nicht schwer. Sein Schädel war am Hinterkopf durch heftige Gewalteinwirkung zerschmettert. Dann wendete ich mich dem bewusstlosen Abt Cadfan aus Britannien zu. Auch er hatte einen Schlag auf den Kopf erlitten, aber ich sah sogleich, dass er noch am Leben war. Es handelte sich um eine offene Wunde, und die Schwellung nahm ständig zu. Dann trat ich zu Bischof Ordgar ans Bett.«

»Und in welchem Zustand fandest du ihn vor?«, drängte Fidelma.

»Er lag in einem Dämmerzustand da, murmelte die ganze Zeit zusammenhangloses Zeug und roch stark nach Alkohol.« »War er betrunken?«

»Zuerst glaubte ich es, kam dann aber zu dem Schluss, dass man ihm etwas in den Wein gemischt haben musste.«

»Was hat dich zu der Annahme geführt?«

»Seine Augen, die Zunge, die Lippen. Ich betreibe die Heilkunst seit vielen Jahren und weiß zwischen Trunkenheit und der Wirkung gewisser Kräuter zu unterscheiden, die einen ähnlichen Zustand bewirken.«

»Und was hast du daraufhin gemacht?«

»Ich habe Bischof Leodegar gesagt, dass er so bald nichts aus den beiden herauskriegen würde. Meiner Schätzung nach würde es mindestens einen Tag dauern, ehe sie wieder zurechnungsfähig sein würden und Auskunft geben könnten, was geschehen war. Auf meinen Vorschlag hin ließ Bischof Leodegar Abt Cadfan in sein Zimmer zurückbringen, wo ich ihn wusch und die Wunde versorgte. Ich ließ jemand dort, der bei ihm wachen sollte. Der Heilungsprozess geht gut voran, ich bin zufrieden. Der Mann hat eine kräftige Natur.«

»Und Bischof Ordgar?«

»Ordgar wurde auf demselben Gang in einem anderen Raum untergebracht. Mit dem ganzen Blut und der Tatsache, dass dort jemand eines unnatürlichen Todes gestorben war, konnten wir ihn nicht in seinem Gemach lassen.

Wir haben seinen Kämmerer, Bruder Benevolentia, geweckt und den Bischof hinübergetragen. Ich wies den jungen Mann an, die restliche Nacht bei ihm zu bleiben und ihm in regelmäßigen Abständen möglichst viel Wasser einzuflößen, um das Gift aus dem Körper zu spülen.« »Wie verfuhr man mit der Leiche von Abt Dabhoc?« »Die wurde ins Leichenhaus geschafft, wo ich sie später für die Bestattung herrichtete. Außer dem Hieb, der ihm den Schädel zertrümmert hatte, fanden sich keine anderen Verletzungen. Augenscheinlich war der Schlag von hinten und mit enormer Wucht erfolgt.«

»Und Bischof Ordgars Zimmer?«, wollte Fidelma wissen. Der Arzt schaute sie fragend an.

»Es heißt, du hättest es saubergemacht«, erklärte sie. »Du sollst auch den Becher, in dem der angeblich gepanschte Wein war, abgewaschen haben. Stimmt das?«

»Hätte ich einen mit Betäubungsmitteln versetzten Becher Wein stehen lassen sollen, damit sich jedermann bedienen und sich vergiften kann?«, entgegnete er scharf. »Das wäre viel zu gefährlich gewesen.«

Eadulf beugte sich vor. »In dem Becher war noch Wein?« »Er war halbvoll.«

»Dann hatte ihn Bischof Ordgar nicht gänzlich ausgetrunken?«

»Hätte er es getan, wäre er vermutlich nicht mehr am Leben.« »Bist du dir da sicher?«, fragte Fidelma aufgeschreckt. »Ich würde nichts sagen, das der Wahrheit entbehrt«, verwahrte er sich gekränkt. »Selbstverständlich bin ich mir sicher.«

»Du hast nichts von dem Wein zurückbehalten oder ihn untersucht?«

»Ich habe darauf geachtet, dass Becher und Amphore vernichtet wurden. Die Amphore war ohnehin leer.« »Es gibt also keinen Beweis, welche Beschaffenheit der Wein hatte oder wie der Zusatz in den Wein gelangte? Ich meine, ob der Wein erst im Becher mit etwas versetzt wurde oder schon vorher in der Amphore.«

Der Arzt machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand.

»Die Tatsache, dass das Zeug im Becher war, war für mich Grund genug, sicherzustellen, dass niemand daraus trinkt und krank wird oder gar stirbt.«

»Ein jeder von uns hat seine Aufgaben zu erfüllen, Bruder Gebicca«, erwiderte Fidelma ruhig. »Deine Aufgabe ist es, Leben zu erhalten, meine hingegen, festzustellen, warum es jemand eingebüßt hat.«

Eadulf hatte nachdenklich dagesessen und meldete sich jetzt wieder zu Wort. »Ich möchte dir eine Frage stellen, Bruder Gebicca, auch wenn sie nur hypothetisch ist. Bestünde die Möglichkeit, dass Bischof Ordgar Abt Dabhoc tötete, dann Abt Cadfan niederschlug und schließlich selbst aus freien Stücken den vergifteten Wein trank? Nur ein, zwei Schluck, um die Wirkung und den Zustand zu erreichen, in dem du ihn vorgefunden hast, keineswegs die Menge, um selbst seinem Leben ein Ende zu setzen?« Bruder Gebicca überlegte. »Möglich ist alles. Bischof Ordgar müsste aber ein Mann mit feinem Spürsinn und Urteilsvermögen sein, um genau zu wissen, wie viel von dem giftigen Gebräu er schlucken darf, ohne sein Leben aufs Spiel zu setzen.«

»Doch vorstellbar wäre es?«

Etwas hilflos breitete der Arzt die Arme aus. »Vorstellbar ja. Aber als Arzt halte ich es für höchst unwahrscheinlich, da müsste er schon in der Wirkungsweise von Giften gut Bescheid wissen.«