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»Als du Abt Cadfan und Bischof Ordgar behandeltest, hast du sie da gefragt, was eigentlich geschehen war?«, erkundigte sich Fidelmas als Nächstes.

»Es war genau umgekehrt. Beide wollten von mir wissen, was geschehen war, als sie wieder bei klarem Verstand waren. Sie behaupteten, sich an nichts erinnern zu können.«

»Sie konnten sich an nichts erinnern?«

»Bischof Ordgar erklärte, er wüsste nur noch, dass er Wein getrunken hätte, wie er es immer vorm Schlafengehen tut. Und Abt Cadfan sagte, man hätte ihm beim Betreten des Zimmers von Bischof Ordgar, wohin zu kommen man ihn mitten in der Nacht aufgefordert hätte, von hinten einen Schlag versetzt - das wäre das Letzte, woran er sich erinnern könne. Meiner Meinung nach geht der Verdacht mehr in Richtung Ordgar, wäre da nicht die Behauptung von Cadfan, er hätte eine Nachricht von Ordgar erhalten, in der er gebeten wurde, ihn aufzusuchen. Eine Notiz dieser Art wurde nirgends gefunden.« »Ich würde dir gern noch eine andere Frage stellen«, ergriff Eadulf erneut das Wort. »Hältst du es als Mediziner für möglich, dass Cad-fan sich die Wunde selbst beigebracht hat?« »Auf gar keinen Fall.«

»Dann bleibt es nach dem, was du sagst, tatsächlich dabei, dass beide Männer gleichermaßen verdächtig sind.« Der Arzt zuckte mit den Achseln. Fidelma, die langsam aufstand, äußerte unerwartet einen völlig anderen Gedanken: »Vor ihrer Ankunft hier in der Abtei kanntest du wohl keinen der drei Geistlichen?«

»Die meisten der hohen Bischöfe und Äbte, die zum Konzil angereist sind, waren noch nie in unserer Stadt. Ich habe meine Heilkünste nur in Divio und hier in Autun betrieben.

Mein Eindruck ist, dass die meisten Teilnehmer am Konzil sich auch untereinander nicht kennen.«

»Vielen Dank für die Zeit, die du dir für uns genommen hast, Bruder Gebicca«, verabschiedete sich Fidelma. »Ich fürchte, unser Gespräch hat dir nicht viel gebracht«, meinte er, stand ebenfalls auf und geleitete sie durch den Apothekenraum zurück zur Tür. »Wenn ich eine Meinung äußern darf, würde ich sagen, es läuft darauf hinaus, wem von beiden man mehr Glauben schenkt. Es können schließlich nicht beide die Wahrheit sagen. Ein Mann ist tot, und außer ihm waren nur zwei andere im Raum. Wenn ich zu entscheiden hätte, würde ich eine Münze hochwerfen.«

KAPITEL 7

Sie verließen Bruder Gebiccas Apotheke; schweigend gingen sie langsam über den großen Innenhof auf das Hauptgebäude der Abtei zu.

»Der Arzt denkt wie ich«, sagte Eadulf schließlich. »Am Ende kann man es so oder so sehen.«

»Gegenwärtig bin ich noch nicht bereit, mich seinem Urteil anzuschließen«, entgegnete Fidelma verbissen. »Es braucht seine Zeit, bis wir ausreichend Material gesammelt haben.« »Wir haben doch all die Auskünfte beisammen, die wir überhaupt erwarten können«, beharrte Ea-dulf. »Andere Zeugen gibt es nicht.«

»Dann müssen wir eben deren Aussagen noch einmal sorgfältig durchgehen.«

»Zu schade, dass man Becher und Amphore weggeworfen hat. Ein tüchtiger Apotheker hätte Giftspuren feststellen und Ordgars Darstellung bestätigen können.«

»Ja, wirklich ärgerlich, dass der Becher verloren ist«, stimmte ihm Fidelma zu. »Die Amphore hätte uns freilich nichts genützt.«

»Warum nicht?«

»Gift hätte man nur in dem Becher gemischt, nicht in der Amphore, leer wie sie war, nachdem sich der Wein im Becher befand. An dem Abend war es einfach zu spät, die Amphore wegzuschaffen. Und selbst wenn das erst am Tag danach geschah, hätte uns das nichts genützt; die können wir also vergessen. Um den Becher aber ist es jammerschade.« Sie hatten noch nicht das Portal des Gebäudes erreicht, als Bruder Chilperic ihnen entgegenkam. »Ich bin auf dem Weg zu unserem Kräutergarten«, begrüßte er sie. »Sucht ihr irgendetwas Bestimmtes?«

»Nein, das nicht, wir verschaffen uns nur etwas Bewegung. Die Nachmittagssonne verlockt zu einem Spaziergang. Wo ist dein Kräutergarten, Bruder Chilperic?«

»Er ist von dem des Apothekers getrennt, denn der zieht da ganz andere Gewächse für seine Zwecke. Wenn ihr mitkommen wollt, bitte, hier vorbei.«

Sie schlossen sich ihm an. Er führte sie an der Mauer der Abtei entlang und über einen kleinen Hof hinter dem Haupthaus zu einer freien Fläche, deren Ausmaße sie erstaunte. Dort wuchsen in Hülle und Fülle wohlriechende Kräuter und Gewürzpflanzen, zwischen denen zwei ältere Klosterbrüder arbeiteten.

»Ein wunderschöner Garten«, äußerte sich Fidelma anerkennend.

»Wir erfreuen uns auch daran, und oft genug verführt uns der Garten zum Müßiggang, wir sitzen da und sinnen über Gottes Schöpfung, während wir doch Gottes Gebot befolgen und ihn hegen und pflegen müssten. Möchtet ihr sehen, welche Kräuter und Gewürze hier gedeihen? Wir bauen die verschiedensten Arten an, alles für die Verköstigung unserer Mitbrüder.«

»Ich möchte nicht dem Müßiggang Vorschub leisten und dich von der Arbeit abhalten.«

»Das tut die Sonne ohnehin schon. Doch wahrscheinlich wollt auch ihr mit eurer Arbeit vorankommen. Wie steht es mit euren Nachforschungen? Wird Hilfe gebraucht? Konntet ihr euch schon ein Urteil bilden?«

Eadulf schürzte die Lippen und fing an: »Wir stehen gerade vor ...«

Fidelma spürte, dass er sagen wollte »vor einer undurchdringlichen Mauer«, und hatte den Geistesblitz, seinen Satz mit den Worten zu beenden: » ... einem kleinen Problem. Doch du Bruder Chilperic, wärest der Richtige, der uns da bei helfen könnte.«

»Ich? Meinst du das ernst?«

Sie wies mit dem Kopf zu der hohen Mauer, die die Abtei von dem sogenannten domus feminarum trennte. »Wir hätten gern die abbatissa aufgesucht.«

»Äbtissin Audofleda?«, fragte der Verwalter erstaunt. »So heißt sie wohl«, bestätigte ihm Fidelma. »Kannst du das arrangieren?«

»Ohne die ausdrückliche Genehmigung des Bischofs empfängt Äbtissin Audofleda niemanden von der Abtei«, murmelte Bruder Chilperic. »Außerdem begreife ich nicht, warum deine Nachforschungen sich auch ins domus feminarum erstrecken sollten.«

»Warum mir das wichtig erscheint, ist einzig und allein meine Entscheidung, und die muss ich niemandem begründen, solange die Untersuchung währt.«

Der Verwalter fühlte sich unbehaglich. »In einer Angelegenheit wie dieser muss ich zunächst Bischof Leodegar befragen.«

Fidelma wollte sich dagegen verwahren, begriff aber sogleich, dass der junge Mann unfähig war, etwas ohne die Zustimmung Leodegars zu unternehmen. Die Macht des Bischofs war nicht zu unterschätzen. So sagte sie nur:

»Dann frage ihn also. Wir möchten nicht ungehörig erscheinen, aber könntest du seine Erlaubnis sofort einholen?«

Bruder Chilperic zögerte. »Der Bischof hat sich zu einem Besuch in die Stadt begeben. Vor der Abendmahlzeit wird er nicht in die Abtei zurückkehren.«

Fidelma schaute zum Himmel. Der Nachmittag war schon weit vorgeschritten, doch für ein Gespräch im Frauenhaus hätte die Zeit noch gereicht. Eine Genehmigung, die Äbtissin zu sprechen, dürfte sie kaum vor dem nächsten Morgen erhalten. Das hieß, viele Stunden würden nutzlos vergehen. Fidelma spürte einen inneren Zwang, ihre Aufgabe hier so bald wie möglich zu Ende zu bringen und sich auf die Heimreise zu begeben; mit dem ersten Schritt, den sie in die Abtei gemacht hatte, empfand sie die Atmosphäre, die sie umgab, als beklemmend. »Mir will nicht einleuchten, warum du dem domus feminarumeinen Besuch abstatten musst«, wiederholte der Verwalter.

»Der Mord ist hier geschehen, alle, die irgendwie damit zu tun hatten, sind hier; warum musst du da noch mit der Äbtissin Audofleda sprechen?«

Eadulf sah, wie Fidelmas Augen aufblitzten und es in ihrem Gesicht arbeitete.

»Lieber Freund«, sagte er und fasste Bruder Chilperic vertraulich am Arm, »versteh bitte, wir müssen unsere Nachforschungen nach unseren Vorstellungen führen, wollen wir zu einem schlüssigen Ergebnis zu gelangen. Bischof Leodegar hat uns bezüglich unserer Verfahrensweise völlige Freiheit gelassen. Was wir also tun, bleibt unsere Sache, bei allem Respekt vor deiner Stellung als Verwalter und Kämmerer dieser Abtei.«