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»Zwischen den Schwestern und Brüdern ist jeder Kontakt verboten«, äußerte sie steif.

»Trotzdem kam er zustande«, versicherte Fidelma. »Wann wurden eigentlich die Trennung der Geschlechter und das Zölibat für die Abtei verfügt?«

Der plötzliche Themenwechsel überraschte die Äbtissin. »Vor einem Jahr, bald nachdem Leodegar Bischof wurde und seine Glaubensauffassung durchsetzte«, erwiderte sie sachlich.

»Und da warst du hier schon Äbtissin?«

»Der Bischof trug mir an, das Amt zu übernehmen, nachdem er die neuen Vorgaben verkündet hatte. Er konnte unter der Schwesternschaft keine geeignete Person finden, und so bat er mich, Divio aufzugeben und hierher zu kommen. Es ist die Pflicht der Gemeinde, ihrem Bischof zu gehorchen, und die neue Regelung wurde erläutert. Niemand von uns hat das Recht, die Regel in Frage zu stellen. Aber dergleichen Fragen haben ja nichts zu tun mit .«

»Mit dem Fall Valretrade«, fiel ihr Fidelma harmlos ins Wort. »Tut mir leid. Meine natürliche Neugierde ist mit mir durchgegangen. Jetzt würde ich aber gern mit der Schwester sprechen.«

Um Äbtissin Audofledas Lippen zuckte es. »Das ist nicht möglich.«

»Bischof Leodegar hat mir versichert, dass mich die ganze Gemeinde bei meinen Untersuchungen unterstützen würde«, warnte Fidelma.

»Es ist keine Frage mangelnder Unterstützung. Schwester Valretrade gehört nicht mehr zu unserer Gemeinschaft.

Sie ist nicht hier.«

»Nicht hier?«

»Nicht hier«, bestätigte die Äbtissin.

»Darf ich vielleicht erfahren, wo sie ist?«

»Genaues kann ich nicht sagen.«

»Dann sag eben, was du weißt.«

»Wenn du mich fragst, überall und nirgends. Vor einer Woche ist sie fort, sagte, sie könne sich nicht länger der Regula beugen.«

Fidelma war bemüht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Wann, sagtest du, sei sie gegangen?«

»Vor einer Woche.«

»Hat man sie als Strafe des Hauses verwiesen, weil sie mit Bruder Sigeric in Verbindung stand?«

»Strafe? Einen Bruder Sigeric kenne ich nicht.«

Fidelma zog eine Augenbraue hoch. »Du hast nicht gewusst, dass sie einen jungen Mann hier in der Abtei liebte?«

»Ich weiß nur, dass sie von ihren Pflichten abgelenkt schien. Hätte ich Genaueres gewusst, hätte ich es dem Bischof mitgeteilt, der den jungen Mann hätte zur Verantwortung ziehen können, weil er Valretrade betörte und sie von ihrem wahren Glauben abhielt.«

»Du sagst, Bruder Sigeric sei dir nicht bekannt. Willst du leugnen, dass er vor ein paar Tagen zum domus feminarum kam, um zu erfahren, wo Schwester Valretrade zu finden sei?«

Äbtissin Audofleda lief dunkelrot an.

»Verzeih, abbatissa.« Die Worte kamen von der Tür. Schwester Radegund machte auf sich aufmerksam, ehe die Äbtissin etwas hatte erwidern können. »Ich hatte dir die Sache vorenthalten, weil du mit so vielem anderen beschäftigt warst. Es stimmt, ein junger Mann hat bei uns an der Tür vorgesprochen, ein junger Mönch. Er verlangte zu wissen, wo Schwester Valretrade sei. Als ich ihn abwies, blieb er hartnäckig, und ich sagte ihm, sie hätte das domus feminarum verlassen und sei nicht länger in unserer Obhut. Er ließ nicht locker, und ich musste ihm die Tür vor der Nase zuschlagen. Ich war unschlüssig, ob ich dir mit der Angelegenheit die Zeit stehlen sollte, und gebe zu, dass sie mir dann völlig entfallen war, wäre nicht eben die Rede darauf gekommen.«

»Hat dir der junge Mann seinen Namen genannt?«, fragte die Äbtissin ihre Verwalterin.

»Nicht, dass ich wüsste, abbatissa

Mit triumphierender Miene wandte sich Audofleda an Fidelma. »Du hast es selbst gehört - einen Bruder Sigeric kennen wir nicht.«

»Hast du eine Vorstellung, was Valretrade dazu veranlasst haben könnte, das domus feminarum zu verlassen?«, fragte Fidelma unbeeindruckt. »Wenn es an dem jungen Mann gelegen hat, der sie, wie du es nanntest, so >abgelenkt< hat, würde sie ihm doch mitgeteilt haben, dass sie von hier fortzugehen gedachte.«

»Es ist nicht meine Aufgabe, mir darüber Gedanken zu machen, mit welchen Hirngespinsten sich ein junges Mädchen abgibt. Vielleicht ist sie bei dem jungen Mann, von dem du redest. Mach ihn ausfindig, dann hast du auch sie.«

»Wenn die beiden zusammen wären, würde er wohl kaum hierher gekommen sein, um nach ihr zu fragen.«

»Kann ja sein, sie ist zur Vernunft gekommen und hat ihn verlassen«, gab die Äbtissin scharf zurück.

»Du siehst also keinen Grund, weshalb sie gegangen ist?« »Was heißt hier >Grund<? Ich fürchte, du verstehst nicht die Regeln, nach denen ich unsere Gemeinschaft leite. Sie ist gegangen, weil sie sich den Regeln nicht unterwerfen konnte.«

»Sie hat das Kloster verlassen, ohne dem Menschen, der ihr über alles ging, eine Nachricht zukommen zu lassen, dass sie diesen Schritt tun würde«, stellte Eadulf nachdenklich fest.

»Der Mensch, der ihr über alles ging?« Das bleiche Gesicht der Äbtissin war voller Verachtung. »Der Mensch, der ihr in diesem Haus über alles zu gehen hat, bin ich.« Fidelma wies auf das Kruzifix, das hinter Audofleda an der Wand hing. »Ich dachte, in einem frommen Haus wie diesem gäbe es jemanden, der über allem und jedem steht und vor dem alle gleich sind«, sagte sie.

Ein weiteres Mal stieg der Äbtissin die Röte ins Gesicht, doch geschah es jetzt aus Zorn.

»Das Mädchen hat sich nicht den bei uns geltenden Regeln gebeugt. Wäre sie hier geblieben, hätte man sie für ihr Zuwiderhandeln bestraft. Purer Eigennutz hat sie die Flucht ergreifen lassen!«

»Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan«, murmelte Eadulf für alle hörbar.

»Ich habe genug Zeit verschwendet.« Äbtissin Audofleda stand auf und wies Schwester Radegund an: »Bring die ... die Besucher zum Portal. Unsere Unterredung ist beendet.«

Eadulf folgte Fidelma, die sich, ohne ein Wort zu sagen, zum Gehen gewandt hatte. Er war noch nicht an der Tür, da rief ihnen die Äbtissin, die nicht an sich halten konnte, hinterher: »Ich werde dafür Sorge tragen, dass Bischof Leodegar von deinen Beleidigungen erfährt. Er hat Männer schon für geringfügigere Vergehen auspeitschen lassen.«

Fidelma zögerte einen Moment, bedeutete dann aber Eadulf mit einer raschen Kopfbewegung, lieber zu schweigen. Erst draußen, als sich das Eichentor hinter ihnen geschlossen hatte, machten sie ihrem Ärger mit lautem Stöhnen Luft. Dann nahmen sie den Weg zurück über den Hof zur Auffahrt.

»Und so eine Frau ist die abbatissa der Gemeinde?«, stellte Eadulf verwundert fest. »Mir tun die Mädchen leid, denen sie vorsteht.«

»Mir tut vor allem Schwester Valretrade leid. Bei solch einer Vorgesetzten würde ich auch das Weite suchen«, ergänzte Fidelma. »Übrigens sollten wir auf der Hut sein und ihre Drohungen nicht auf die leichte Schulter nehmen.«

»Drohungen? Wegen des Auspeitschens?« So ernst sah Eadulf die Sache nicht.

»Vergiss nicht, wir sind in einem anderen Land mit anderen Sitten und Gebräuchen. Wir haben zwar die Erlaubnis, dem Fall nachzugehen und unsere Nachforschungen anzustellen, aber doch nur, weil Bischof Leodegar daraus politischen Nutzen zu ziehen glaubt. Wirkliche Machtbefugnis haben wir nicht und sind folglich angreifbar.«

»Nie würde Leodegar so etwas wagen«, behauptete Eadulf.

»Da wäre ich nicht so sicher. Ganz grundlos hat Audofleda nicht damit gedroht. Sie hat auf diese Weise erkennen lassen, dass sich Bischof Leodegar dieses Machtmittels auch schon früher bedient hat.«

»Aber sich einen Klosterbruder vorzunehmen und ihn ohne jeden Grund auspeitschen zu lassen .«

»Ein Grund findet sich immer. Auf jeden Fall müssen wir Bruder Sigeric warnen, und das, noch ehe Audofleda mit Leodegar über ihn spricht.«