Выбрать главу

»Frag ihn, wem das große Haus da gehört, das von dem Krieger bewacht wird«, raunte Fidelma Eadulf zu.

»Wem gehört das prachtvolle Haus dort?«, wandte sich Eadulf an den Mann. »Und weshalb wird es so streng bewacht?«

»Es gehört Gräfin Beretrude, der Mutter unseres Gaugrafen. Sie ist eine Wohltäterin der Stadt und gilt als die mächtigste Fürstin weit und breit.«

Noch während der Händler sprach, bemerkte Fidelma einen Mann, der aus dem Tor kam. Er war in frommer Tracht gekleidet, grüßte den Wachhabenden vertraulich winkend und kam quer über den Platz direkt auf sie zu.

Sie hatte Eadulf warnen wollen, aber es war schon zu spät. Er hatte sie bereits gesehen.

»Schwester Fidelma! Bruder Eadulf!«, rief er. »Was macht ihr denn hier?« Mit einem strahlenden Lächeln blieb Bruder Budnouen vor ihnen stehen.

»Wir haben uns in der Richtung geirrt, und der Mann hier versucht gerade, uns den Weg zu weisen«, erklärte Eadulf, ehe es zu weiteren Fragen kam.

»Da habt ihr euch aber ganz schön verlaufen, wenn ihr ausgerechnet in dieser Gegend landet«, war Bruder Bud-nouens Reaktion.

Der Händler tippte mit der Hand an die Stirn und verabschiedete sich. »Schön, dass ihr auf euren Freund gestoßen seid, da findet ihr ja jetzt unbeschadet euren Weg«, meinte er, hob den Karren an und ging weiter.

»Wohin wolltet ihr denn?«, fragte Bruder Budnouen. »Zurück zur Abtei«, erwiderte Fidelma hastig. »Wir wollten uns ein wenig in der Stadt umtun und müssen irgendwo falsch abgebogen sein.«

»Ach ja, ihr seid ja an große Städte nicht gewöhnt. Wie auch immer, seid unbesorgt, ich bin ohnehin auf dem Weg zur Abtei.«

»Wir wollen dich auch nicht aufhalten«, beteuerte Eadulf. »Wir hatten dich schon im Kloster gesucht, konnten dich aber nirgends finden.«

»Das dürfte euch auch kaum gelingen, ich wohne nämlich nicht dort in Bischof Leodegars Bruderschaft. Ich wohne bei einem Freund in der Stadt, unmittelbar auf der anderen Seite des Platzes vor der Abtei.«

»Da wir gerade bei Plätzen sind, der hier scheint ein besonderer zu sein«, stellte Eadulf arglos fest und wies hinter sich. »Der Mann mit dem Karren dachte, wir suchten das Haus einer gewissen Gräfin. Wie sagte der doch, hieß sie? Bertrude ... nein, Beretrude, glaub ich.« Er zeigte auf den stattlichen Bau, aus dem Bruder Budnouen gerade gekommen war, und hoffte, dass dem Gallier nicht aufgefallen war, dass sie ihn beobachtet hatten. »Sie soll wohl da wohnen. Wie kommt der auf die Idee, dass wir zu ihr wollten?« Gänzlich unbefangen schaute er den Gallier an. Bruder Budnouen machte einen nachdenklichen Eindruck. »Das ist leicht zu erklären. Gräfin Beretrude ist die bedeutendste Persönlichkeit hier in der Stadt«, sagte er dann. »Sie ist die Mutter von Graf Guntram, dem Gaugrafen, und eine äußerst einflussreiche Dame. Vermutlich hat der Mann gedacht, wenn es Fremde in diesen Teil der Stadt lockt, können sie nur auf der Suche nach ihr sein.«

Weitere Auskünfte ließ er sich nicht entlocken; offensichtlich hatte er seine Gründe, über seine Verbindung zu der Frau oder ihrem Haus zu schweigen.

»Der Mann hat uns außerdem erzählt, der Platz habe etwas mit einem heiligen Märtyrer zu tun.«

Bruder Budnouen zog eine Augenbraue hoch. »Scheint ein redseliger Mensch gewesen zu sein«, bemerkte er. Ea-dulf war sich nicht ganz sicher, ob in der Stimme ein leiser Argwohn mitschwang.

»Er war bestrebt, uns zu helfen«, beeilte sich Fidelma zu sagen, »wenngleich wir auf Eadulfs Übersetzungskünste angewiesen waren. Der Mann war ganz offensichtlich stolz auf den Märtyrer der Stadt.« Insgeheim gestand sie sich die Lüge ein, fand sie aber lässlich.

»Ihr spielt natürlich auf Benignus an, und was den angeht, da gibt es hier gehörigen Streit«, eröffnete er ihnen. »Wieso Streit?«

»Die einen sagen, Polycarpus von Smyrna hätte den heiligen Mann nach Divio gesandt .«

»Divio?«, fragte Fidelma, die Stirn runzelnd, zurück. »Der Ort wurde schon mal erwähnt.«

»Er liegt an die fünfzig Meilen nordöstlich von hier und befindet sich in dem alten Gebiet der Lingonen, einst ein großes Volk Galliens. Man entsandte Benignus, sie den Glauben zu lehren. Heute nehmen die Burgunden ihn für sich in Anspruch, behaupten, Benignus sei einer der Ihren. Der Geschichte nach erlitt er den Märtyrertod, und das einfache Volk huldigte ihm an seinem Grab. Bischof Gre-gorius von Lingonum, der Benignus nicht mochte, versuchte diese Verehrung zu unterbinden. Nun machen aber Autun und zwei weitere Städte gleichermaßen Anspruch geltend auf den heiligen Märtyrer, und alle behaupten, sein wahres Grab und seine Gebeine zu beherbergen. Daraus ist ein Streit entstanden, welcher der Städte der Vorrang gebührt. Vor hundert Jahren brachte man Abschriften des sogenannten De Gloria Martyrum in Umlauf, in denen alle diese Ansprüche festgehalten und diskutiert wurden. Jede Stadt beschuldigt die andere, mit Fälschungen und Lügen zu arbeiten. Hier in Autun glaubt man, Benignus wäre in der Nekropolis unter der Abtei bestattet, in Lingonum aber hat man über dem Grab, das als Benignus’ letzte Ruhestätte gilt, eine ganze Basilika errichtet. Und bauen lassen hat sie der nämliche Bischof Gregorius«, fuhr Bruder Budnouen unter Lachen fort, »der ursprünglich behauptet hatte, es handele sich um das Grab eines Heiden und nicht um das des Märtyrers. Man sagt, er hätte seine Meinung geändert, als er merkte, wie viel Geld die Pilger einbrachten, die dort zum Gebet zusammenströmten.« »Und der Streit zwischen den Städten hält bis heute an?«, fragte Fidelma und konnte es nicht fassen.

»Und wird bis in alle Ewigkeit anhalten, weil keine der Städte den Beweis erbringen kann. Aber es ist ein Thema, das man bei den meisten Burgunden tunlichst meiden sollte, und in Gegenwart von Gräfin Beretrude schon sowieso.«

»Wieso das?«

»Die Gräfin behauptet, Benignus zu ihren Vorfahren zählen zu dürfen, auch wenn das schon vierhundert Jahre oder so zurückliegt. Die meisten Burgunden haben ihn zu einem Patron ihres Volkes erkoren, ihrem Erlöser, der sie eines Tages von der Herrschaft der Franken befreien werde.«

»Und den Platz hier hinter uns haben sie dann nach ihm benannt, wurden wir vorhin gerade belehrt.«

»Den Benignus-Platz?« Bruder Budnouen schüttelte den Kopf. »Das hat Gräfin Beretrude veranlasst, und so lange ist das noch gar nicht her. Ob der Platz nun so oder so heißt, ist letztlich auch egal, wenn ihr mich fragt.«

»Wieso gibt es in der Abtei nirgends ein Denkmal oder einen Gedenkstein für Benignus?«, überlegte Fidelma. »Ich habe jedenfalls nichts dergleichen gesehen.«

»Die Abtei untersteht Franken«, meinte Eadulf. »Selbst wenn sich seine letzte Ruhestätte tatsächlich dort befindet, sie würden ihn als eine Berühmtheit, die die Burgunden verehren, unbeachtet lassen.«

»Bischof Leodegar ist ein gestrenger Meister«, stimmte ihm Budnouen zu. »Nie und nimmer würde er gelten lassen, dass ein Burgunde in irgendeiner Hinsicht von Einfluss war. Ich bin froh, nicht zu seiner Gemeinschaft zu gehören.«

»Zu welcher Gemeinschaft gehörst du dann? Zur Abtei in Nebirnum?«, vermutete Fidelma.

»Nein, das auch nicht. Ich bin an keine Bruderschaft gebunden. Die frommen Häuser der Gallier sind fast durchweg in denen der Burgunden und Franken aufgegangen; uns hat man in den Westen getrieben. Ich verdiene mein täglich Brot, indem ich Waren der Kaufleute am Fluss bei Nebirnum nach Autun befördere, wie ihr ja auf unserer Fahrt hierher gesehen habt; manchmal hat es mich auch schon bis nach Divio verschlagen.«

»Kennst du die Äbtissin Audofleda?«

Er schaute sie an. »Bist du der Äbtissin begegnet? Ach ja, wird sich gar nicht haben vermeiden lassen.« Da ihm bekannt war, dass Männer und Frauen im Kloster getrennt lebten, ging er davon aus, dass Fidelma im Frauenhaus untergebracht war.