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»Ja, ich habe auch mit ihr geschäftlich zu tun.«

»Begeistert klingt das nicht gerade.«

»Begeistert, wovon? Etwa von ihr? Ich muss gestehen, ich mag sie nicht. Sie ist typisch für diese Sorte Menschen -hochnäsig und in der Art, wie sie ihre Frömmigkeit zur Schau stellt, nicht zu ertragen, dabei ist das Ganze nur Heuchelei.« »Was willst du damit sagen?«, drängte ihn Eadulf. Bruder Budnouen schwieg eine Weile, ehe er sich zu einer Antwort bequemte. »Vielleicht erklärt es das besser: Ich kenne Audofledas Vergangenheit.«

»Du kannst nicht mit dem Ende der Geschichte aufhören und uns ihren Anfang vorenthalten«, ermunterte ihn Fidelma, neugierig geworden. Vorsichtig blickte er in die Runde, als müsse er sichergehen, dass sie niemand belauschte. »Ich habe erwähnt, dass mein Geschäft mich bisweilen ins ferne Divio brachte.« »Von wo auch Äbtissin Audofleda kommt«, ergänzte Fidelma, die nicht vergessen hatte, was die abatissa ihnen mitgeteilt hatte.

»Nur dass sie dort nie Äbtissin war.«

»Sprich weiter.«

»Um bei der Wahrheit zu bleiben, Audofleda war eine Straßendirne. Noch bis vor ein paar Jahren war sie in bestimmten Vierteln von Divio allseits bekannt.«

Die Auskunft überraschte Fidelma. Schockiert war sie nicht. »Verdammen darf man sie deshalb nicht; eher ist sie zu bemitleiden, dass sie keinen anderen Weg zu einem erfüllten Leben sah als den, ihren Körper an Männer zu verkaufen.« Unwillkürlich musste Fidelma an ihre Freundin Della in Cashel denken, die auch einst eine Dirne gewesen war und der sie aus dem Elend geholfen hatte.

»Im Prinzip hast du Recht«, pflichtete ihr Bruder Budnou-en bei. »Nur glaube ich nicht, dass sie mit ihrem Schicksal haderte. Man sagt ihr nach, dass sie sich aus freien Stücken zu diesem Leben entschloss, weil sie die Männer hasste. Als ich dann von ihrer plötzlichen Hinwendung zum religiösen Leben hörte - und es war ja weniger eine Bekehrung ihrerseits als mehr Leodegars Zutun, der sie zur abbatissa des domus feminarumernannte - kam ich ins Grübeln.«

»Und was hast du herausgefunden?«

Bruder Budnouen zuckte mit den Achseln. »Ich glaube nicht an eine so rasche Wandlung. Wenn ich eine Tochter hätte, die erklärte, sie hätte sich für das Leben in einer frommen Gemeinschaft entschieden und wolle dem in Audofledas domus feminarum nachgehen, ich würde sie eher eigenhändig umbringen, als zulassen, dass sie in das Haus des Leidens zieht.«

»Das ist eine bemerkenswerte Wortwahl, Bruder Budnouen, >Haus des Leidens<. Wie kommst du ausgerechnet auf diese Bezeichnung?«, fragte Fidelma.

»Dort gibt es kein Glücklichsein«, erwiderte der Gallier unumwunden. »Ich liefere meine Waren zwar nur am Haupttor ab und darf nicht weiter hinein, aber jedes Mal sehe ich die Leidensmienen der Mädchen, die mir die Waren abnehmen .«

»Kennst du ihre Namen?«

»Da gab es eine Schwester Inginde und dann Schwester Valretrade .«

»Valretrade?«, wiederholte Fidelma.

»Du kennst sie?« Der Ton in ihrer Stimme hatte ihn hellhörig gemacht.

»Nur vom Hörensagen«, entgegnete Fidelma. »Vor einer Woche soll sie die Gemeinschaft verlassen haben.«

»Ach, das erklärt, warum ich dieses Mal vergeblich Ausschau nach ihr gehalten habe. Ein nettes Mädchen. Da bin ich aber froh.«

»Froh?«

»Ich bin froh, dass sie Audofledas Schwesternschaft verlassen hat, bedeutet es doch, dass sie jetzt die Freiheit hat, sich einen Platz zu suchen, wo sie zur Erfüllung ihres Lebens findet. Ganz bestimmt ist sie zusammen mit Bruder Sigeric fort. Wann immer es sich einrichten ließ, war ich nämlich ihr Botengänger.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Ich wusste, dass Valretrade und Sigeric einander liebten und dass es schwierig war, zwischen der Schwestern- und Bruderschaft Nachrichten auszutauschen. Immer, wenn ich in Autun war, konnte ich das für sie bewerkstelligen. Es freut mich ungemein, dass sie da raus sind.«

Fidelma schüttelte den Kopf. »Sigeric ist weiterhin in der Abtei; er hat nicht gewusst, dass sie ging. Schließlich hat er sich ins domus feminarumvorgewagt aber zu Audofleda hat man ihn nicht vorgelassen. Man hat ihm nur gesagt, dass das Mädchen fort ist, mehr nicht. Er hat uns gebeten, uns für seine Sache zu verwenden und mehr herauszukriegen. Heute Morgen hat mir Audofleda mitgeteilt, Valret-rade hätte das Haus verlassen, weil sie sich nicht den Ordensregeln unterwerfen könne.«

»Nie im Leben wäre sie gegangen, ohne Sigeric es wissen zu lassen«, stellte Bruder Budnouen aufgeregt fest. »Dazu waren die beiden viel zu sehr ineinander verliebt.«

»Wie lange bleibst du in Autun?«, fragte Fidelma nach einigem Überlegen. »Hast du noch eine Weile hier zu tun?«

»In den nächsten Tagen bin ich unterwegs zur Burg von Graf Guntram, um dort Waren hinzuschaffen, und ...« »Mir geht es darum, ob du noch mehr mit dem domus feminarum zu tun hast.«

»Nein, meine Geschäfte dort habe ich erledigt. Schwester Radegund hat die Waren angenommen, geprüft und bezahlt. Ich kann dort nicht wieder auftauchen, ohne Argwohn zu erregen. Schwester Radegund bewacht das Haus wie eine Festung. Niemand wird ein- oder ausgelassen, ohne streng gemustert zu werden, und einem Mann wird ohnehin der Zugang verwehrt.«

Sie waren die breite Fahrstraße, die vom Benignus-Platz führte, entlanggegangen und kamen jetzt an dem Gebäude vorbei, in das zuvor Schwester Radegund zu der Näherin geschlüpft war. Bruder Budnouen machte sie auf das Haus aufmerksam.

»Das ist das Geschäft der Mutter von einer der Schwestern aus dem domus feminarum. Sie näht Kleider und verkauft Stoffe. Manchmal wickle ich auch mit ihr ein Geschäft ab. Aber selbst sie darf nicht ins domus feminarum, darf nicht einmal ihre Tochter besuchen.«

»Weißt du, wie die Tochter heißt? Die Verwalterin ist es doch wohl nicht, oder?« Fidelma warf einen Blick in die Richtung, wo Stoffe und Felle zum Verkauf hingen. Drinnen erspähte sie eine ältere Frau, über Näharbeiten gebeugt.

»Schwester Radegund?«, fragte Bruder Budnouen mit erstaunt hochgezogenen Augenbrauen. »Großer Gott, nein. Wie kommst du ausgerechnet auf die? Ach so, wahrscheinlich weißt du, dass Schwester Radegund als Einziger gestattet ist, wegen Einkäufen Kontakt mit der Außenwelt zu haben.«

»Das ist mir bekannt, ja«, sagte Fidelma im Weitergehen. »Ist niemandem sonst erlaubt, das domus feminarum zu betreten und zu verlassen?« »Freien Zutritt hat niemand sonst«, versicherte ihr der Gallier. Plötzlich erinnerte er sich: »Fast hätte ich es vergessen - du selbst müsstest doch freien Zutritt zum domus feminarum haben, Schwester. Oder bist du zusammen mit den Ehefrauen und Ratgeberinnen der zum Konzil Angereisten in der Stadt untergebracht? Ich habe gehört, dass eine Reihe der Abgesandten, die mit den Regelungen in Leodegars Abtei nicht vertraut waren, ihre Frauen oder weibliche Ratgeber mitgebracht hätten. Und die mussten sich Unterkunft in der Nähe der Abtei suchen.«

Einen Augenblick schwieg Fidelma, offenbarte ihm aber dann: »Nein, Eadulf und ich wohnen zusammen in der Abtei.«

Das höchst erstaunte Gesicht des Galliers zu sehen bereitete ihr ungemeines Vergnügen.

KAPITEL 10

An der Abtei verabschiedeten sie sich von Bruder Bud-nouen, der seinen weiteren Geschäften nachging. Sie schritten über den Innenhof und wollten ins Gästequartier zu ihrem Zimmer. Doch kaum hatten sie den Gang erreicht, da öffnete sich weiter hinten eine Tür und Abt Segdae trat heraus. In seinem Gesicht standen Verbitterung und Gram.