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»Habt ihr schon gehört?«, fragte er ohne jede Vorrede. »Von Bruder Gillucan, Abt Dabhocs Kämmerer?«, gab Fidelma zurück, die gleich erriet, was ihn so besorgt machte. »Bruder Chilperic hat es uns heute früh gesagt. Weiß man schon Genaueres?«

Abt Segdae wies auf seine Kammer. Sie folgten seinem Wink und gingen vor ihm hinein. Eadulf schloss die Tür, und der Abt sank mit einem Seufzer in einen Armsessel. »Abt Dabhoc ist ermordet, und nun auch sein Kämmerer. Es fehlt nicht mehr viel, und ich bin wie manch andere Gäste des Konzils der Ansicht, ein Fluch liegt auf der Abtei.«

Fidelma ließ sich auf der Bettstatt nieder, und Eadulf goss sich Wasser aus einem Krug ein. Nach dem Ausflug in die Stadt war ihm der Mund wie ausgedörrt.

»Nicht die Abtei ist verflucht, Segdae, es sind die Menschen, die den Fluch heraufbeschwören«, entgegnete ihm Fidelma ernst.

»Noch gestern Abend hat Bruder Gillucan bedrückt an unserem Tisch gesessen«, sagte der Abt heiser, »nun ist er tot, von Räubern erschlagen, heute in aller Frühe beim Verlassen der Stadt. Ausgezogen haben sie ihn, ihm die Kehle durchgeschnitten und ihn in den Fluss geworfen. Wie können Menschen nur so etwas tun?«

»Ich habe Bruder Chilperic fragen wollen, woran man erkannt hat, dass Gillucan zur Abtei gehörte, wenn man lediglich seinen nackten Leichnam im Fluss entdeckt hat?«, bemerkte Eadulf und trank von seinem Wasser.

»Offenbar an seiner Tonsur. Ruderknechte brachten den Toten in die Abtei, fragten, ob man ihn kenne.« Der Abt war immer noch fassungslos. »Als Ältester unserer Delegation bat ich Bruder Gebicca, den Leichnam zu untersuchen, damit ich dem Abt von Ard Macha einen wahrheitsgemäßen Bericht vorlegen kann.« Wieder rang er nach Worten. »Er hat es gemacht und stellte etwas Merkwürdiges fest.«

Fidelma hob den Kopf und drängte ihn: »Sprich weiter!« »Sie hatten Bruder Gillucan die Kehle durchschnitten und ihn in den Fluss geworfen . Aber es klebte Kot an seinem Körper, war unter seinen Fingernägeln, auch sein Leib war damit beschmiert. Ich habe angeordnet, seinen Leichnam gründlich zu waschen und zu säubern, wie es sich vor einer Beerdigung gehört. Man könnte meinen, der arme Junge sei vor seinem Tod durch eine Kloake gekrochen. Höchst widerwärtig das Ganze.«

Fidelma überlegte: »Man fand ihn im Fluss . Fließen die Abwässer der Stadt da hinein?«

»So wird es wohl sein«, mutmaßte Abt Segdae.

»Gelangt der Unrat dort in den Fluss, wo man ihn fand?« »Eigentlich nicht. Aber selbst wenn um ihn der ganze Dreck im Wasser schwamm . Das erklärt nicht, warum Arme und Beine derart kotbeschmiert waren. Die Strömung ist an der Stadtmauer sehr stark, und die einfließende Jauche wird rasch fortgeschwemmt. Hätte man den Leichnam einfach ins Wasser geworfen und der Strömung überlassen, dann hätte sich nicht derartiger Schmutz an ihm festsetzen können. Mir kommt es so vor, als sei er durch den Unflat gekrochen oder da hineingestoßen worden.«

Der Abt war sichtlich erschüttert darüber, dass man den jungen Geistlichen derart misshandelt hatte.

»Das ist wirklich sehr sonderbar«, pflichtete ihm Fidelma bei. »Und es haben sich keine Zeugen gefunden? Ich meine, hat keiner gesehen, dass Bruder Gillucan die Abtei verließ oder durch ein Stadttor ging? Hat niemand bemerkt, dass ihm jemand folgte? Da sind doch ständig Wächter an den Stadttoren.«

»Bruder Chilperic hat mir bestätigt, keiner der Wächter habe Gillucan gesehen, auch sonst niemanden, die ganze Nacht nicht. Was glaubst du, Fidelma, besteht ein Zusammenhang zwischen den Morden an Dabhoc und Gillucan?«

»Ich wünschte, ich könnte dir die Frage beantworten, Segdae. Oberflächlich betrachtet, sieht es nicht so aus, doch dass solche Vorfälle sich rein zufällig am selben Ort und fast zur selben Zeit ereignen, will mich nicht recht überzeugen.«

»Du hast noch keine Schlussfolgerungen ziehen können?« »Leider nicht.«

»Wie schade, das ist alles so traurig«, murmelte der Abt. »Bruder Gillucan wollte sich heute früh auf die Heimreise begeben. Er hat mir erzählt, in der Stadt seien einige Pilger, die zurück in die fünf Königreiche wollten. Er gedachte, mit ihnen zu ziehen.«

»Es wäre bestimmt besser gewesen, sich ihnen anzuschließen«, bekräftigte Fidelma. Sie war froh, dass diese Frage berührt wurde, denn sie hätte ungern einräumen wollen, dass Gillucan selbst ihr davon erzählt hatte. »Was mag ihn veranlasst haben, es sich anders zu überlegen?« »Ich weiß es nicht«, erwiderte der Abt. »Gestern Abend schien er mir sonderbar verängstigt. Dass er auf eigene Faust losgezogen ist, habe ich erst erfahren, als Bruder Chilperic den Leichenfund meldete.«

»Wer waren diese Pilger?«

»Drei Mitglieder der Klostergemeinschaft von Magh Bhi-le. Sie waren Gäste einer wohlhabenden Dame in der Stadt. Beretrude heißt sie.«

Fidelma hütete sich, erkennen zu lassen, dass sie den Namen kannte, und hoffte, auch Eadulf würde sich zurückhalten. »Weiß man, ob er sich mit den Pilgern irgendwie verabredet hatte?«

»Keine Ahnung. Jedenfalls haben sie sich heute früh auf den Weg gemacht.«

»Kommt es in dieser Gegend öfter vor, dass Mönche von Räubern überfallen werden?«, fragte Eadulf.

»Soviel ich von Bruder Chilperic gehört habe, ist es höchst ungewöhnlich, dass ein Klosterbruder von Räubern ermordet wird. In der Regel wollen sie ihrem Opfer nur Geld oder Wertgegenstände abnehmen, nicht aber ihn töten.«

»Und doch hat man dem armen Gillucan die Kleider vom Leib gerissen und ihn ausgeraubt. Was im Einzelnen geschehen ist, entzieht sich unserer Kenntnis, aber man hat ihn entwürdigt und in die Kloake geworfen«, grübelte Fidelma. »Die Umstände sind zumindest recht ungewöhnlich.«

Abt Segdae schaute sie ratlos an. »Das Konzil wird allmählich zum Alptraum. Wenn hier nicht so wesentliche Entscheidungen anstünden, würde ich am liebsten vorschlagen, unsere Delegation soll die Heimreise antreten.« »Damit würden wir aber unserer Sache einen schlechten Dienst erweisen,« gab Fidelma zu bedenken.

»Natürlich, da hast du recht. Wir müssen bleiben und die vor uns stehenden Probleme ins Auge fassen.« Unvermittelt erhob sich der Abt. »Ich lasse euch jetzt allein. Solltet ihr bei euren Nachforschungen auf Dinge stoßen, die mir bei meinem Bericht an Segene von Ard Macha behilflich sein können ...« Er brachte den Satz nicht zu Ende und ging.

»Bruder Sigeric wird begierig sein, zu erfahren, was wir über Schwester Valretrade herausbekommen haben«, sagte Eadulf, sobald sie unter sich waren.

»Dann sollten wir zu ihm gehen und es ihm sagen«, meinte Fidelma, doch im Grunde genommen war sie mit ihren Gedanken woanders. Schweigend verließen sie das Gästequartier.

Sie fanden Bruder Sigeric in der Bibliothek, wo er still in einer Ecke saß und mit der Abschrift eines Manuskripts beschäftigt war. Er schaute hoch, und sofort glitt ein Hoffnungsschimmer über sein Gesicht. Doch aus Fidel-mas Miene musste er schließen, dass sie nichts Neues zu berichten hatte, und er sank zurück in seine Schwermut. »Wir haben mit Äbtissin Audofleda gesprochen. Sie hat lediglich bestätigt, was Schwester Radegund dir gesagt hat, nämlich, Schwester Valretrade hätte vor einer Woche die Abtei verlassen, weil sie sich den Regeln des Ordens nicht beugen wollte.«

»Lauter Lügen sind das!«, brauste Sigeric auf.

»Und weshalb denkst du, lügen sie?«, fragte Fidelma. »Weil sie ohne mich nicht von hier fortgehen würde«, erklärte der junge Mann einfach.

Fidelma nickte mitfühlend. »Ähnliches hat auch Bruder Budnouen gesagt.«

»Budnouen hat Nachrichten zwischen uns übermittelt«, räumte Bruder Sigeric ein. »Er soll wieder in Autun sein, ich habe ihn aber noch nicht gesehen. Er ist ein Händler und .«

»Wir sind vor ein paar Tagen auf seinem Wagen mitgefahren«, setzte ihn Eadulf ins Bild. »Lass uns überlegen, Sigeric. Wenn Äbtissin Audofleda und Schwester Radegund uns Lügen auftischen, warum tun sie das, und wo ist Valretrade?«