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»Ich möchte wetten, sie ist in irgendeinem Verließ im domus feminarum eingesperrt als Strafe, dass sie ein Verhältnis mit mir hat«, gab er wütend zur Antwort. »Ich werde dort einbrechen und sie ausfindig machen.«

Erregt sprang er auf, als ob er sofort zur Tat schreiten wolle, doch Fidelma hielt ihn zurück.

»Damit wäre nichts gewonnen, junger Freund. Beruhige dich. Wir müssen klüger vorgehen. Vorsicht ist geboten. Wenn es so ist, wie du meinst, dann dürfte Audofleda damit rechnen, dass du so etwas vorhast. Und die abbatissa ist rachsüchtig. Selbst uns hat sie Strafen angedroht.« Niedergeschlagen hockte Bruder Sigeric auf seinem Schemel. »Ganz am Anfang hat Bischof Leodegar diejenigen bestraft, die sich von ihren Frauen nicht trennen wollten. Einige ließ er sogar auspeitschen.«

»Heißt das, ihnen wurde nicht freigestellt, die Klostergemeinschaft zu verlassen, wenn sie die Zölibatsregeln ablehnten?«, fragte Fidelma entsetzt.

Der junge Schreiber bestätigte ihre Vermutung mit einem Achselzucken.

»Das ist kaum zu glauben«, empörte sich Eadulf.

»Und doch entspricht es der Wahrheit, selbst wenn es dir unerhört vorkommt. Meines Wissens gibt es bei den Galliern und auch bei den Franken und selbst auf euren Inseln im Westen kaum eine Klostergemeinschaft, in der Äbte, Bischöfe und Mönche nicht verheiratet sind. Aber mit den Zölibatären ist nicht zu spaßen. Sie sind eine kleine Schar von Fanatikern, die ihre Ansichten mit schierer Gewalt durchsetzen.«

»Welchen Grund mag Äbtissin Audofleda haben zu leugnen, dass Valretrade sich im domus feminarum befindet?« »Keinen anderen, als uns voneinander zu trennen«, erwiderte der junge Mann sofort.

»Sie behauptet doch, sie wisse nichts von eurer Beziehung. Schwester Radegund bestätigte das sogar, denn sie sagte, deinen Besuch im Frauenhaus hätte sie der Äbtissin nicht gemeldet.«

»Dagegen behaupte ich, auch das ist eine Lüge.« »Valretrade verschwand in der Nacht, als Abt Dabhoc erschlagen wurde«, überlegte Fidelma. »Mir scheint wichtig, jemanden zu finden, der bereit ist, über sie Auskunft zu geben.«

»Wer könnte das sein?«

»Budnouen hat eine Nonne erwähnt, die Valretrade kannte . Wie heißt sie doch?«

»Er hat eine Schwester Inginde erwähnt«, erinnerte sich Eadulf.

Der junge Mönch riss die Augen auf. »Sie war Valretrades engste Freundin in der Gemeinschaft! Sie hatten gemeinsame Aufgaben.«

»Dann müssen wir eine Möglichkeit finden, zu ihr zu gelangen«, schlug Fidelma vor.

»Es gibt einen einfachen Weg, sich ins domus femina-rum zu schleichen, aber wenn man dabei gefasst wird .« Bruder Sigeric schwieg vielsagend.

»Wir müssen es wagen, wenn wir die Wahrheit ergründen wollen«, betonte Fidelma finster entschlossen.

Bruder Sigeric sah sie fragend an. »Würdest du dir das zutrauen? Immerhin, du bist eine Frau, dich würde man nicht so leicht entdecken wie einen Mann.«

Eadulf mischte sich sofort ein. »Es gibt nur einen Zugang zum Frauenhaus, und zwar durchs Hauptportal. Ich bezweifle, dass Schwester Radegund Fidelma noch einmal gestatten würde, das Haus zu betreten, und schon gar nicht, um mit einer aus der Schwesternschaft zu reden.« »Es existiert doch aber noch ein anderer Weg, um ins domus feminarum hinein- und wieder herauszukommen, stimmt’s, Sigeric?« Fidelma blickte den jungen Mönch erwartungsvoll an. »Der Gang durch die Gewölbe unter der Abtei.«

»Ja, richtig. Ich müsste dich dahin geleiten. Das ist der Gang, durch den die Schwestern vom domus femina-rum jeden Morgen und Abend zum Gottesdienst in die Kapelle kommen.«

Eadulf hatte immer noch Bedenken. »Das wäre erstmal der Zugang zum domus feminarum ... Aber was dann? Man müsste auch Schwester Inginde finden. Wie willst du das anstellen?«

Bruder Sigeric zeigte sich zuversichtlich. »Sie teilt doch die Schlafkammer mit Valretrade. Ich kann eine Skizze zeichnen, wie du dort hingelangst, du müsstest dich genau daran halten.«

»Das könnte ich«, erklärte Fidelma, »vorausgesetzt, der Plan ist eindeutig.«

Eadulf hegte weiterhin Zweifel. »Das Unternehmen ist tollkühn. Was ist, wenn man dich entdeckt?«

»Ich werde mich so bewegen, dass mich keiner entdeckt«, erwiderte Fidelma selbstsicher. »Wir müssen herausfinden, was mit Valretrade geschehen ist. Ich bin überzeugt, wir kämen mit der Klärung all der rätselhaften Vorfälle einen Schritt weiter, wenn wir wüssten, warum sie verschwunden ist. Was meinst du«, fragte sie Sigeric, »wann wäre es am günstigsten, um nach unten zu schleichen?« »Heute Nacht«, antwortete er, ohne zu überlegen. »Einverstanden! Wenn alles am tiefsten schläft, dürfte es tatsächlich am günstigsten sein.«

»Du musst dir genügend Zeit lassen, ins domus femina-rum zu gelangen, die Schlafkammer von Schwester Ingin-de zu finden und sie zu befragen. Und auch der Rückweg will bedacht sein«, zählte Bruder Sigeric auf.

»Und alles, ohne von jemandem beobachtet zu werden«, brummelte Eadulf.

»Du zeigst mir den Weg ins domus feminarum und gibst mir deinen Lageplan, mit dem ich Schwester Inginde finden kann, alles Übrige übernehme ich«, erklärte Fidelma voller Selbstvertrauen.

»Bestens. Wenn die Mitternachtsglocke geläutet hat und die letzten Gebete gesprochen wurden, werde ich hier in der Bibliothek auf dich warten«, sagte Bruder Sigeric. »Das ist die Zeit, wenn sich die Brüder zum Schlafen niederlegen. Sicherheitshalber lassen wir dann noch eine halbe Stunde verstreichen, ehe wir in die Gewölbe hinabsteigen.«

Fidelma und Eadulf verließen den jungen Schreiber, der nun ganz erregt war, und gingen zurück ins Gästequartier. Kaum hatten sie ihr Gemach erreicht, hörten sie von ferne das Läuten einer Glocke.

»Schon Zeit für das Abendbad, und das wieder nur mit kaltem Wasser.« Fidelma seufzte. »Ich werde mich an diese fremdländischen Bräuche nie gewöhnen können, bei denen das Wasser für ein Bad am Abend nicht einmal angewärmt wird. Die Leute hier nehmen kaum ein Bad, waschen sich nur morgens mit kaltem Wasser und schwimmen vielleicht ab und an im Fluss. Die benutzen nicht einmal Seife. Wie können Menschen so leben, Eadulf?« Ihr Gefährte mühte sich, keine Miene zu verziehen. Er war in den von ihr beklagten Verhältnissen aufgewachsen, und auch heute noch fand er die Badegewohnheiten der Leute in den fünf Königreichen von Eireann maßlos übertrieben. Die wuschen sich jeden Morgen nach dem Aufstehen Hände und Gesicht, und abends, vor der Abendmahlzeit, nahmen sie ein Vollbad in heißem Wasser. Tag für Tag. Eadulf schauderte es. In seinen Jugendjahren war er einmal in der Woche in den Fluss gesprungen, der in der Nähe vorbeifloss, und das war sein Vollbad gewesen. Das tägliche Reinigungsritual von Fidelmas Leuten verwunderte ihn jedes Mal aufs Neue. Er hatte sich an Seife gewöhnen müssen, sleic war das Wort dafür, an Leinenhandtücher und an süß duftende Kräuter und Öle, die zum Bad gehörten.

Nachdem beide den Toilettengepflogenheiten Genüge getan hatten, zogen sie frische Kleidung an und gingen hinunter zu ihrer Verabredung mit Nuntius Peregrinus. Der Gesandte des Bischofs von Rom erwartete sie im calefac-torium. Er erhob sich, um sie zu begrüßen. Bis dahin hatte er sich mit seinem allgegenwärtigen custos unterhalten, dem Leibwächter aus dem Lateran-Palast, der sich jetzt diskret in eine Ecke des Raums zurückzog.

»Wie ich höre, gibt es eine weitere schlechte Nachricht«, bemerkte der Nuntius düster, während sie sich setzten.

»Du meinst die über Bruder Gillucan?«

»Ja, über den jungen irischen Klosterbruder. Er war Kämmerer von Abt Dabhoc. Eine traurige Geschichte.« »Nicht nur traurig, auch undurchschaubar«, äußerte sich Fidelma leise.