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»Ein necessarium«, ergänzte Eadulf trocken.

»Genau.«

Langsam lenkte sie ihre Schritte in den Teil des Gartens, der sich auf der Westseite der Villa erstreckte. Unauffällig und doch wachsam schaute ihr Eadulf nach, um sicherzugehen, dass niemandem aufgefallen war, dass sie sich entfernte, und schlenderte dann selbst auf die andere, im Schatten liegende Seite des Gebäudes zu. Auch er war auf der Hut, er durfte keinen Argwohn erregen, wenn er aus dem Blickfeld der Menge entschwand. Zu seiner Rechten hatte er eine hohe Mauer, zur Linken die Villa. Die hatte auf dieser Seite zu ebener Erde keine Fenster, und die weiter oben blickten offensichtlich über die hohe Mauerbegrenzung hinweg.

Was sich Fidelma eigentlich von seinem Erkundungsgang erhoffte, war ihm nicht ganz klar. Glaubte sie, er würde auf Valretrade oder andere Frauen stoßen? Er würde sich jedenfalls so weit wie möglich vorwagen. Wenn der Durchgang hinten weiterging, könnte er die Villa umwandern, und fände er eine Tür offen, würde er einen Blick ins Innere werfen und, wenn nötig, erklären, er suche eine latrina. Der Pfad, auf dem er sich bewegte, bot nichts Aufsehenerregendes, lediglich etliche große Holzfässer standen herum. Plötzlich versperrte ihm ein fest verschlossenes Eisentor den Weg. Kurz davor führten links ein paar Steinstufen nach unten zu einer Tür im Kellergeschoss. Sie war aus Holz und mit Eisen beschlagen. Er wollte gerade hinuntergehen und sich die Sache näher betrachten, als er einen Schrei vernahm. Es war der Aufschrei eines Kindes, dem grobe Befehlstöne folgten. Gleich darauf nahten Schritte.

Im ersten Moment wusste er nicht, wohin. Zwar lag alles im Schatten, es gab aber nichts, wo er sich hätte verstecken können. Die einzig mögliche Rettung waren die Fässer. Er hastete zurück, duckte sich dahinter und hörte auch schon, wie die Eisenriegel zurückgeschoben und Ketten gelöst wurden. Eine barsche Stimme kommandierte herum. Die Schritte verstummten, ein Kind stöhnte, wurde derb zurechtgewiesen.

Von seinem Versteck aus konnte Eadulf beobachten, was vor sich ging. Das Kind sah er als Erstes, ein Junge von vielleicht acht oder neun Jahren. Hinter ihm zwei Nonnen in zerrissenen und schmutzigen Gewändern, gefolgt von einem Krieger mit gezogener Waffe, einem Kurzschwert, und danach ein weiterer Mann, den Rücken Eadulf zugekehrt.

Mit Schrecken stellte er fest, dass den Frauen und dem Jungen vorn die Hände gefesselt waren. Der Krieger stieß sie die Stufen hinunter zur Tür. Dort hämmerte er mehrfach und in einem bestimmten Rhythmus mit dem Griff seines Schwertes dagegen. Daraufhin wurde die Tür geöffnet, und die drei Gefangenen verschwanden im Dunkel. Jetzt war der Mann etwas genauer von der Seite zu sehen. Zum Glück drehte er sich nicht ganz herum, denn dann hätte er Eadulf unweigerlich entdeckt. Doch auch so erkannte Eadulf ihn sofort.

Das letzte Mal hatte er ihn vor wenigen Monaten gesehen, und das war in An Uaimh gewesen an den Ufern des großen Flusses, der durch das sogenannte mittlere Königreich Midhe floss, das Gebiet des Hochkönigs. Fidelma verbannte ihn damals aus dem Königreich, und er hatte sich im Gehen umgewandt und gesagt: »Ich werde dich nicht vergessen, Fidelma von Cashel.« Und das war alles andere als freundlich gemeint.

Ausgerechnet Verbas, den Kaufmann von Peqini, hier in der Villa der Gräfin anzutreffen, war das Letzte, womit Eadulf gerechnet hatte.

Fidelma durchwanderte eine Folge kunstvoll angelegter kleiner Blumenparadiese, manche auch mit Hängepflanzen, alle säuberlich voneinander abgetrennt durch Rankenspalier oder Einzäunungen. Sitzmöglichkeiten aus Stein luden zum Verweilen ein, und Springbrunnen mit figürlichen Darstellungen, ins Licht der untergehenden Sonne getaucht, säumten die ganze Strecke. Ähnliche Gärten hatte Fidelma in Rom gesehen, aber nicht als Miniaturausgabe wie hier und gestalterisch auch nicht so vollendet. Es war eine Augenweide. Sie musste an die mehr natürlich belassenen und etwas verwilderten Gärten in ihrem Land denken und fragte sich, ob man es mit einer solchen Gestaltungsform auch in Cashel versuchen könnte. Vermutlich würden aber Pflanzen von hier in einem regenreicheren und kälteren Klima weniger gut gedeihen.

Sie bückte sich, um die Blütenvielfalt näher zu betrachten, da vernahm sie ein leises Rascheln hinter sich und hörte eine scharf akzentuierte Stimme auf Latein sagen: »Ach, Prinzessin Fidelma!«

Sie schreckte hoch und hatte die zu einem Lächeln verzerrte Gesichtsmaske von Gräfin Beretrude vor sich.

»Ich bitte um Verzeihung, wenn ich in deine Privatgärten eingedrungen bin«, begann sie. »Aber der Duft deiner Blumen und Kräuter hat mich verführt.«

Zu ihrem Erstaunen nahm es ihr die Gräfin nicht übel.

»Ich gönne mir das Vergnügen, viel Zeit in meinem Garten zu verbringen«, erklärte sie. »Ich habe viele Kräuter, die man woanders nicht findet. Freunde haben sie mir aus östlichen Ländern mitgebracht, und ich setze alles daran, sie zu hegen und zu pflegen.«

»Das sieht man«, erwiderte Fidelma höflich.

»Selbst Oliven bauen wir hier an und pressen Öl.«

»Mir haben es die Bäume dort drüben angetan. Etwas in der Art habe ich noch nicht gesehen.«

»Ah ja, die Zypressen.« Beretrude ließ ihren Blick hinü-

berschweifen. »Da du ja des Griechischen mächtig bist« -war da ein Anflug von Bitterkeit in ihrem Ton? -, »wirst du wissen, dass die Zypresse mit Hades in Verbindung gebracht wird, dem griechischen Gott der Toten und dem unterirdischen Totenreich.«

Da Fidelma kein passende Antwort einfallen wollte, blieb sie lieber bei den Pflanzen.

»Ein paar Seltenheiten, die dir gewiss gefallen, findest du in der Ecke da. Geh nur hin und schau sie dir an. Ich habe nichts dagegen.«

Sie zeigte in die betreffende Gartenecke. Der Duft, den die weiß blühenden Pflanzen ausströmten, war überwältigend und geradezu verlockend.

»Das weiter vorn ist Basilikum - meine Köche benutzen es für die Bereitung von Speisen. Es schmeckt wirklich angenehm, stammt aus dem Osten. Sein Name geht auf das griechische basileus, also >König<, zurück, denn es heißt, es wuchs genau an der Stelle, wo Konstantin und Helena die Überreste des Wahren Kreuzes fanden.«

Unter dem wachsamen Auge von Beretrude beugte sich Fidelma hinunter und tat so, als nähmen sie die Kräuter völlig gefangen. Reine Verstellung war es wiederum nicht, denn mit einem Teil ihrer Gedanken war sie wirklich bei den Pflanzen.

»Hinter dem Basilikum siehst du einen immergrünen Strauch mit rosa Blüten. Steig ruhig über die kleine Abzäunung, dann kommst du besser heran und kannst den Duft genießen«, ermunterte sie Beretrude.

Fidelma war die niedrige Abgrenzung aus Brettern in diesem Teil des Gartens bereits aufgefallen. Sie war nicht höher als sechs Zoll und trennte die Kräuter von den immergrünen Sträuchern.

»Das ist Oleander, eine Pflanze, die im Süden des Landes wächst«, fuhr Gräfin Beretrude in ihren Erläuterungen fort. »Ah, du musst mich entschuldigen ... Man ruft mich. Bleib nur hier und erfreu dich an den Düften.« Mit diesen Worten ging sie.

Ihr Verhalten hatte Fidelma ins Grübeln gebracht. Wollte die Gräfin mit ihrer Freundlichkeit die Beleidigungen von vorhin wieder wettmachen? Sie beugte sich zu den rosa Blüten hinab, die in kleinen Büscheln von den lederartigen dunkelgrünen Blättern herabhingen. Einen Fuß hatte sie hinter die Abzäunung gesetzt, als plötzlich etwas daran vorbeiglitt. Sie vermutete, eine Ringelnatter.

»Fidelma?«

Eadulf war aufgetaucht und hatte sie an den Büschen entdeckt. Sie schaute sich nach ihm um, ohne den Fuß zurückzuziehen.

»Ich schaue mir gerade den Kräutergarten an. Was gibt es?«, fragte sie, denn sie hatte seine Erregung bemerkt. »Du wirst nicht erraten, wen ich hier eben gesehen habe.« Fidelma stieß einen kurzen Schmerzensschrei aus. »Irgendwas hat mich gebissen.«