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Eadulf stürzte zu ihr, blickte auf die Erde und fluchte auf angelsächsisch. Dann zerrte er sie aus dem Gesträuch auf den Weg.

»Eine Viper!«, rief er. »Schnell!« Er löste seinen Gürtel. Während sie ihm noch verdutzt zusah, empfand sie bereits ein Taubheitsgefühl um den Knöchel herum, und das Bein fing an zu schmerzen. Das Herz schlug wild, und ihr wurde schwindlig. Irgendetwas schlang Eadulf um ihr Bein und zog es fest. Im Unterbewusstsein bekam sie noch mit, dass sie zu Boden fiel, Eadulf sie auf die Arme nahm und mit ihr losrannte. Sie wollte etwas sagen, aber ihr wurde schwarz vor Augen.

Abt Segdae sah als Erster, wie Eadulf in den Hauptgarten gerannt kam und die bewegungslose Fidelma schleppte. »Was ist geschehen?«, fragte er und lief ihm entgegen. Schon waren sie von anderen Gesandten aus Hibernia umringt.

»Sie muss sofort zum Arzt!«, rief Eadulf. »Ein Schlangenbiss, eine Kreuzotter!«

Bischof Leodegar, gefolgt von Gräfin Beretrude, bahnte sich einen Weg durch die Menge. Er hatte Eadulfs Worte gehört.

»Eine Kreuzotter hat sie gebissen?«

»Bring sie in mein Haus, ich lasse meinen Apotheker holen«, bot Gräfin Beretrude an.

Eadulf schüttelte den Kopf. »Wir schaffen sie zurück in die Abtei zu Bruder Gebicca«, entgegnete er unbeirrt. »Aber dabei vergeht Zeit«, warnte sie. »Hier wäre sie weit besser untergebracht. Ich werde mich persönlich um sie kümmern. Wenn man dem Gift nicht rasch entgegenwirkt, kann es gefährlich werden . unter Umständen tödlich sein.«

»Das weiß ich«, gab Eadulf zurück. »Ich hab von Medizin eine Ahnung. Jemand muss mich zur Abtei geleiten. Und zwar sofort!«

Mehrere Gäste aus Hibernia, darunter auch Segdae, boten sofort an, ihn zu begleiten. Mit ihrer Hilfe legte er sich Fidelma über die Schulter und trabte wortlos inmitten einer Traube von Geistlichen aus Hibernia davon. Die Männer vor und neben ihm sorgten dafür, dass ihnen Platz gemacht wurde. Schon war zu befurchten, dass Beretrudes Krieger sie am Tor festhalten würden, aber Beretrude gab ein Zeichen, man möge die Gruppe ungehindert durchlassen. Neben Bischof Leodegar stehend, beobachtete sie teilnahmslos deren Abgang.

Mit gesenktem Kopf und der Last auf dem Rücken lief Eadulf, so schnell er nur konnte. Als sie den großen Platz vor der Abtei erreichten, war er erschöpft und in Schweiß gebadet. Einer der Geistlichen war schon vorgerannt, um den Arzt zu benachrichtigen. Im anticum erschien Bruder Chilperic.

»Ich nehme sie dir ab, Bruder«, sagte er, als er sah, wie Eadulf keuchte und kaum noch konnte.

»Bring mich lieber rasch zu Bruder Gebicca«, knurrte Eadulf.

Er lief jetzt so gebückt, dass er vor sich nur das untere Ende von Bruder Chilperics Beinen sah, Hacken, die auf und nieder gingen und denen er durch das anticum in den Innenhof und weiter zur Apotheke folgte. Er bekam mit, dass Türen aufgingen, dann griffen Hände zu und befreiten ihn von seiner Last. Er versuchte sich aufzurichten, sah, wie man Fidelma auf ein Lager streckte und nahm den ihn fast erstickenden Geruch der Kräuter und Tinkturen wahr.

»Was genau ist passiert?«, verlangte Bruder Gebicca zu erfahren.

»Eine Viper hat sie am Knöchel gebissen.«

»Bist du dir sicher?«

»Es war eine schwarze Schlange. Hab die Art schon mal gesehen.«

Der Apotheker wandte sich wieder Fidelma zu, die rasch und flach atmete und wie im Koma lag.

»Du hast nicht versucht, die Bisswunde zu öffnen und das Gift auszusaugen?«

Eadulf schüttelte den Kopf.

»Das ist gut. Das Gift geht unter der Haut sofort ins Blut, und wenn der Prozess erst mal im Gange ist, ist es zwecklos, versuchen zu wollen, es auf die eine oder andere Weise wieder herauszubekommen. Wie ich sehe, hast du versucht, die Blutzirkulation zu unterbinden. Das bringt nicht viel«, meinte er und entfernte Eadulfs Druckverband. »Aber richtig war, dass du das Glied mit dem Biss weg vom Körper nach unten gelagert hast. Und nun geh und lass mich meine Arbeit tun.« Er drehte sich zur Tür um, an der sich die Geistlichen zusammendrängten. »Geht! Wenn nötig, rufe ich euch.«

Nur widerwillig ließ sich Eadulf von Abt Segdae fortzerren und ins calefactorium geleiten. Irgendjemand brachte einen Krug mit gutem, starkemcorma, auch Becher wurden verteilt.

»Wie ist das passiert?«, fragte Abt Segdae.

»Im Kräutergarten«, erwiderte Eadulf mit zittriger Stimme. »Die Schlange war in dem Strauchwerk und hat sie gebissen.«

»Lass uns beten, dass Bruder Gebicca weiß, wie dem Gift beizukommen ist.«

In diesem Augenblick betrat Bischof Leodegar den Raum. Er hatte Gräfin Beretrudes Anwesen sofort verlassen und war ihnen gefolgt.

»Wie geht es ihr?«

»Wir warten auf die Nachricht vom Apotheker«, teilte ihm Eadulf mit.

»Gräfin Beretrude hat angeboten, unserem Arzt Heilkräuter zu schicken, falls er welche braucht«, fuhr der Bischof fort. »Sie fühlt sich verantwortlich, hatte sie doch kurz, bevor es geschah, Schwester Fidelma den Garten gezeigt.«

»Das ist sehr aufmerksam von ihr«, gab Abt Segdae zur Antwort, als Eadulf schwieg.

»Kann ich irgendwie behilflich sein?«, fragte der Bischof. »Solange wir nichts Neues von Bruder Gebicca hören, gibt es nichts zu tun«, erwiderte Eadulf.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Keiner verlor ein Wort, allein der corma-Krug wurde schweigend von Hand zu Hand gereicht. Dann kam Bruder Gebicca, und sein Blick suchte Eadulf. Der sprang auf. »Wie steht es um sie?«

»Sie hat ein starkes Herz und eine gute Kondition. Der Puls ist normal. Ein, zwei Tage dürfte das Bein noch angeschwollen sein und schmerzen, aber wenn sie die Nacht erst mal gut geschlafen hat, wird es wieder bergauf gehen.«

»Dann ist das Gift also nicht weiter in die Blutbahn gedrungen?«, fragte Eadulf, der die gute Nachricht kaum fassen konnte.

Bruder Gebicca beruhigte ihn. »Ich habe schon schlimmere Fälle gesehen. Bei Fidelma hat der Schlangenbiss eher wie ein heftiger Bienenstich gewirkt - hat Schmerzen und Schwellungen hervorgerufen. Aber bei einem gesunden Erwachsenen, der gut beieinander ist, erholt sich der Körper wieder.« »Darf ich zu ihr?«

Bruder Gebicca schüttelte den Kopf. »Sie schläft. Schlaf ist immer die beste Medizin. Man sollte sie nicht stören.

Warten wir ab, wie sie sich morgen fühlt. Ich bleibe bei ihr, für den Fall, dass es nachts Komplikationen gibt.«

Mit einer Verneigung, die allen galt, verließ er den Raum. Allenthalben murmelte man Glückwünsche, und Abt Seg-dae klopfte Eadulf wortlos auf die Schulter. Eadulf brauchte eine Weile, ehe er sich wieder in der Hand hatte, begab sich dann aber, als die Klosterglocke ertönte, dem Beispiel der anderen folgend, in den Speisesaal zum abendlichen Mahl.

Am nächsten Vormittag ging Eadulf gleich nach der Morgenandacht und dem Frühstück zu Bruder Gebiccas Apotheke. Zu seiner Freude fand er Fidelma aufrecht sitzend vor. Sie nippte an einem heißen Sud, den Bruder Gebicca ihr aus verschiedenen Kräutern bereitet hatte. Dass er ihr nicht schmeckte, konnte man ihrem Gesicht ablesen. Sie war sichtlich erleichtert, Eadulf zu sehen.

»Alles ist so verlaufen, wie ich es vorausgesagt habe, Bruder«, begrüßte ihn der Apotheker zufrieden. »Das Bein ist geschwollen und schmerzt, aber sonst ist die Sache in Ordnung. Ich habe Fidelma gerade gefragt, wie es gekommen ist, dass sie die Giftschlange nicht bemerkt hast. Schlangen greifen doch nur an, wenn sie sich bedroht fühlen.«

»In Hibernia gibt es diese Art Schlangen nicht. Ich habe noch nie so ein giftiges Reptil gesehen«, sagte Fidelma. »Das stimmt«, bestätigte Eadulf, als er Bruder Gebiccas ungläubigen Gesichtsausdruck sah. »Wir haben diese Schlangenart in keinem der fünf Königreiche.«