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»Bruder Gebicca hat doch angeordnet, du sollst ruhen«, ermahnte Eadulf sie.

»Ich habe seine Worte sehr wohl im Ohr. Aber die Zeit rast, und es gibt noch so viel zu tun, erst recht bei solchen Neuigkeiten. Ich muss Äbtissin Audofleda noch einmal befragen.«

»Das könnte ich übernehmen«, bot Eadulf an. »Ich weiß ja, worum es geht.«

Fidelma hatte ihre Bedenken.

»Lass mal gut sein«, protestierte er. »Wie du vorgehst, habe ich oft genug miterlebt, und der Tatumstand ist mir vertraut. Natürlich kenne ich mich in den Gesetzen der Brehons nicht so gut aus wie du, aber immerhin bin ich ein gerefa meines Volkes in Erbfolge ... Und sind die Stämme meines Volks nicht mit diesen Franken und Bur-gunden verwandt? ... Jedenfalls eng genug, dass ich verstehe, wie sie denken und fühlen?«

Fidelma war überrascht, dass er sich so ereiferte, und ging mit sich ins Gericht. War sie zu sehr von sich eingenommen? Auch Eadulf hatte seinen Stolz. Sie musste sich eingestehen, wenn sie einen Fehler hatte, dann den, zu glauben, sie allein könne die Beweise zusammentragen und ein Rätsel lösen. Dabei hatte Eadulf mehrfach und so gut wie ohne ihre Hilfe einen Fall gelöst. Zum Beispiel damals in Gleann Geis, als sie selbst des Mordes angeklagt war und sich vor Brehon Murgal verteidigen musste. Ea-dulfs Beweisführung hatte ihren Freispruch bewirkt. Oder der Fall in Aldreds Abtei. Sie war krank geworden und hatte im Bett bleiben müssen. Eadulf hatte allein alle Nachforschungen angestellt, und schließlich hatten sie beide den Mord an Abt Botulf aufklären können. Immerhin war Eadulf in seinem Volk ein gerefa, ein Friedensrichter.

Sein Verstand war nicht weniger scharf und tiefgründig als ihrer. Und waren sie nicht gerade auch deshalb einander so zugetan?

Aufseufzend hielt sie ihm die Hand hin.

»Eadulf, Eadulf«, sagte sie leise. »Du hast so viel Geduld mit mir. Mitunter bin ich bei unserer gemeinsamen Arbeit ein wenig selbstsüchtig.«

Ihm war unbehaglich zumute; denn dass Fidelma sich ihm gegenüber entschuldigte, geschah höchst selten.

»Wir gewinnen doch Zeit, wenn ich das übernehme«, grummelte er. »Du brauchst noch einen Tag, um wieder auf die Beine zu kommen, und kannst dich dann morgen mit ganzer Kraft der Sache widmen.«

»Recht hast du. Denk dran, gegenüber der Äbtissin und Schwester Radegund kein Wort fallen zu lassen, das Schwester Inginde schaden könnte. Was sie uns gesagt hat, muss unter uns bleiben . Und nimm dich in Acht vor Schwester Radegund.«

Eadulf runzelte die Stirn. »Weshalb besonders vor ihr?« »Du hast Beretrude gesehen. Vergleich einmal die Gesichtszüge der beiden. Wenn da nicht eine gewisse Ähnlichkeit besteht, die auf Verwandtschaft hindeutet, dann hat mich meine Beobachtungsgabe verlassen. Außerdem war sie es, der wir auf dem Weg zur Villa von Beretrude gefolgt sind.« Da war etwas dran, auch wenn ihm das bisher nicht aufgefallen war. Doch, es gab eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen den beiden Frauen. Er wollte sich dazu gerade äußern, da klopfte es an der Tür. Auf Eadulfs Aufforderung trat Bruder Chilperic ein.

»Ich wollte nur fragen, ob du irgendetwas benötigst, Schwester«, sagte er und nickte Eadulf zu. »Wir waren alle bestürzt, als wir von deinem Ungemach hörten.«

»Ich muss heute noch ruhen, damit die Schwellung im Bein abklingt und die Wunde heilt.«

Bruder Chilperic beteuerte sein Mitgefühl. »Bischof Leodegar würde dir gern einen kurzen Besuch abstatten, falls dir das genehm wäre.«

»Wenn ihm das seine Zeit erlaubt, bitte sehr«, gab sie nicht sonderlich erbaut zur Antwort.

Sobald er gegangen war, meinte sie zu Eadulf: »Warte noch einen Moment und hör dir an, was Bischof Leodegar zu sagen hat, ehe du zur Äbtissin gehst.«

»Ist es vernünftig, dass du heute allein bleibst?«

»Ich werde Segdae bitten, dass er mir einen seiner Mitbrüder zur Gesellschaft schickt.«

Das hielt Eadulf für eine kluge Idee, zumal Fidelma sonst nicht dazu neigte, sich um sich selbst Gedanken zu machen. Doch nach dem Zwischenfall in Beretrudes Garten war ihm lieber, dass sie jemand um sich hatte, solange er nicht selbst da sein konnte. Vielleicht war der Schlangenbiss nur ein unseliger Zufall, aber Vorsicht walten zu lassen, schien ihm angeraten.

Bischof Leodegar kam wie angekündigt. »Ah, ich freue mich, dass es dir besser geht, Fidelma«, sagte er, und seine Miene hellte sich auf. »Gräfin Beretrude ist sehr besorgt. Ihre Dienerschaft hat den Garten abgesucht und offenbar die Viper aufgestöbert und erschlagen.«

»Du kannst Gräfin Beretrude ausrichten, ich sei auf dem Wege der Genesung. Der Arzt hat mir heute noch Bettruhe verordnet.«

»Das hat mir Bruder Chilperic bereits mitgeteilt. Er wird sich darum kümmern, dass du deine Mahlzeiten hierherbekommst. Ich bin froh und erleichtert, dass du den Schlangenbiss so gut überstanden hast.«

»Ihr Gift soll sogar Menschen töten können, hat man mir gesagt.«

Bischof Leodegar nickte geistesabwesend. »Das soll schon vorgekommen sein, ja.«

»Dann habe ich Glück gehabt. Ich will hoffen, Gräfin Be-retrude achtet fortan darauf, dass nicht noch andere giftige Reptilien in ihrer Villa sind.«

Die Zweideutigkeit der Bemerkung entging dem Bischof. »Es war ein Glücksumstand, dass Bruder Eadulf bei dir war und dich sofort zu Bruder Gebicca geschafft hat.«

»Ich hoffe doch, dass der Zwischenfall dem Empfang nicht ein vorzeitiges Ende beschert hat?«

Bischof Leodegar schien bedrückt. »Nachdem die Delegierten aus Hibernia Eadulf zurück in die Abtei begleitet hatten, gingen auch alle anderen.«

Er machte Anstalten, sich zu verabschieden, doch Fidelma fragte ihn: »Stimmt es, dass Autun ein wichtiger Handelsplatz hier im Lande ist?«

»Seit die Römer die Stadt gebaut haben, ist sie immer auch ein Ort gewesen, in dem Handel und Wandel gedeihen.« »Und womit wird heutzutage Handel getrieben?« »Wir bauen Wein an und natürlich auch Oliven. Außerdem handeln wir mit Vieh und mit Käse.«

»Und mit Sklaven?«

Bischof Leodegar zögerte ein wenig, bevor er hinzufügte: »Und mit Sklaven.«

»Stammen die Händler alle aus dem Ort oder der Umgebung hier, oder kommen auch fremdländische Kaufleute?« »Die Flüsse sind gute Verkehrswege. Freilich liegen wir in jeder Himmelsrichtung ziemlich weit weg vom Meer. Unser Handel spielt sich vor allem im Umfeld ab, die Waren würden auf längeren Fahrten verderben. Nur gelegentlich kommen auch fremde Händler hier vorbei.«

»Ist dir ein Kaufherr aus Peqini bekannt?«

Der Bischof überlegte einen Moment, schüttelte aber den Kopf. »Der Name klingt fremdländisch.«

»Wenn ich mich nicht täusche, stammt er aus einem Land weit im Osten.«

»Dann kenne ich ihn bestimmt nicht.«

»Kaufleute aus den Ländern im Osten besuchen diese Stadt wohl gar nicht?«

»Was sollte Händler aus dem Osten in unsere Gegend ziehen? Sie haben selber Wein und Oliven. Man sagt, ihre Reichtümer übertreffen die unseren. Wenn einmal fremde Kaufleute in der Stadt Station machen, kommen sie nicht von weither.«

»Betreibt Gräfin Beretrude eigentlich Handel in größerem Stile?«

Der Bischof war entsetzt. »Die Gräfin ist eine Dame des Hochadels. Kaufleute und Gutsherren machen ihr ihre Aufwartung und bringen ihr die ihr zustehenden Abgaben. Wie kommst du auf eine so sonderbare Frage?«

»Mich interessieren einfach Handel und Wandel bei euch, nichts weiter. Es wäre für sie also völlig abwegig, Geschäfte mit Kaufherrn aus dem Osten zu tätigen?«

»Wenn Kaufleute aus dem Osten Handel in Burgund treiben wollten, würden sie eher nach Divio oder Nebirnum reisen. Die Orte liegen an großen Flüssen und sind leichter zu erreichen. Sie hätten dort auch eine reichhaltigere Auswahl an Waren. Sollten sie einmal hierherkommen, würde man sie in der Regel auf dem Markt am Nordtor finden. Warum bist du so interessiert an diesen Dingen?« »Eigentlich nur aus purer Neugier. Hab Dank für deine Auskünfte, ich habe viel erfahren. Jetzt bin ich müde und werde ruhen.«