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Der Bischof verabschiedete sich.

»Du hast wohl die Angel ausgeworfen, um zu sehen, ob er anbeißt und etwas über Verbas von Peqini preisgibt?« Eadulf betrachtete sie mit ernster Miene.

»Entweder hat er wirklich nie von ihm gehört, oder er ist ein gewiefter Lügner. Ich hätte gern gewusst, ob er tatsächlich ein so guter Freund der Gräfin ist, wie er vorgibt. Doch jetzt mach dich auf zu deiner Erkundung. Würdest du Abt Segdae bitten, bei mir vorbeizuschauen?«

Eadulf benutzte die Fahrstraße zum Vorhof, an dem der Eingang zum domus feminarum lag. Unterwegs legte er sich zurecht, wie er der übermächtigen Äbtissin Audofle-da entgegenzutreten gedachte. Voller Erstaunen bemerkte er, dass sich das Tor öffnete, noch ehe er dort angelangt war. Ein schlanker großer Mann trat heraus, dem eine jünger wirkende Frau folgte. Sie hatten beide die Gewänder von Klosterleuten an. Der Mann erspähte ihn und sagte etwas zu seiner Begleiterin, die sich sofort ins Haus zurückzog und die Tür hinter sich schloss.

Den Mann schien es nicht sonderlich zu bekümmern, dass Eadulf ihn aus dem Frauenhaus hatte kommen sehen. Lässig schlenderte er auf ihn zu, und Eadulf stand einem jungen und gutaussehenden Mönch gegenüber. Er hatte dunkelbraunes Haar, braune Augen, sonnengebräunte Haut und ein energisches Kinn. Die perlweißen Zähne glänzten, sooft er lächelte. Jedoch war in seiner Art zu lächeln und sich zu bewegen etwas, das Eadulf misstrauisch machte.

»Einen schönen guten Tag wünsche ich, Bruder Eadulf«, begrüßte er ihn. »Du bist doch Bruder Eadulf, richtig?«

Eadulf zog die Stirn kraus. »Ja, der bin ich. Dich kenne ich allerdings nicht.«

»Verzeih! Nicht dass du denkst, ich hätte das zweite Gesicht. Ich habe dich im Refektorium gesehen und natürlich bei den Andachten. Bischof Leodegar hat uns in der Kapelle deinen Namen genannt ... und den der Schwester aus Hibernia, Philomena ...?«:

»Fidelma.« Es ärgerte Eadulf, dass der Kerl so tat, als könne er sich nicht richtig an den Namen seiner Frau erinnern. »Schwester Fidelma heißt sie.«

»Ach ja, das war so ein seltsamer hibernischer Name. Und du bist Angelsachse, stimmt’s?«

»Ich stamme aus dem Königreich der Ostangeln«, berichtigte ihn Eadulf mit Nachdruck.

»Vergib mir abermals. Was mich betrifft, so brauchst du nicht lange herumzurätseln. Ich bin Bruder Andica. Ich habe keine Geheimnisse. Ich stamme aus Divio und bin Burgunde.«

»Es heißt doch, den Brüdern aus der Abtei sei nicht erlaubt, das domus feminarum zu besuchen«, bemerkte Ea-dulf und wies mit einer Kopfbewegung auf das Gebäude. »Und umgekehrt gilt es für die Schwesternschaft - im Allgemeinen jedenfalls«, erläuterte Bruder Andica herablassend. »Doch du selbst bist offenbar auf dem Weg ins domus feminarum.«

Eadulf stieg Röte ins Gesicht. Der Mann hatte den Spieß einfach umgedreht und ihm mit einer Gegenfrage geantwortet.

»Wie du soeben erwähntest, hat Bischof Leodegar euch den Grund meiner Anwesenheit erklärt.«

»Ach so, um eure Nachforschungen geht’s. Du willst dir Auskünfte von den Frauen holen. Wie interessant. Wie kommt ihr mit euren Ermittlungen voran? Werden wir bald erfahren, wer den Abt aus Hibernia getötet hat?«

»Du erfährst es, sobald die Untersuchung abgeschlossen ist«, erwiderte Eadulf. »Und was hat dich ins domus feminarum geführt?«

Wieder blitzten Andicas weiße Zähne. Sein Benehmen verriet Selbstgefälligkeit.

»Wenn unsere Gemeinschaften auch getrennt sind, so leben wir doch in ein und derselben Abtei, und das macht die Verständigung über gewisse Dinge unumgänglich.« Sein jovialer Ton war unerträglich. »Ich versichere dir, Bruder, dass ich dort war, ist nichts Ungehöriges.«

Eadulf suchte sich zu beherrschen. »Habe ich damit auch nicht andeuten wollen«, sagte er kurz angebunden.

Wieder blitzten die Zähne.

»Natürlich nicht, Bruder«, hieß es herablassend, und am liebsten hätte Eadulf ihm eine runtergehauen. »Wie ich höre, wurde die Schwester aus Hibernia von einer Giftschlange gebissen. Ich hoffe, es ist noch mal gutgegangen.«

»Ja, zum Glück.«

»Das freut mich. Zu dieser Jahreszeit sind die Vipern hierzulande recht angriffslustig. Ihr Biss kann zum Tode führen.«

»Sie wurde medizinisch gut betreut.«

»Ah, gewiss hat das der tüchtige Bruder Gebicca getan. Ein Segen. Vor Schlangen sollte man sich vorsehen.«

Eadulf maß den aufdringlichen jungen Mann mit einem scharfen Blick. »Dem schließe ich mich an, Bruder Andi-ca. Vor Schlangen werden wir uns hinfort ganz besonders in Acht nehmen. Und nun entschuldige mich bitte, ich habe Dringendes zu erledigen.«

»Vade inpace«, entgegnete der junge Mann in ernstem Ton und grinste, als hätte er einen Scherz gemacht.

Eadulf nickte ihm kurz zu, schritt zur Pforte des domus feminarum und griff nach dem Klingelzug. Er zog heftig daran, verärgert, wie er war. Es dauerte eine Weile, bevor die Guckklappe aufgestoßen wurde und er sich eine eingehende Prüfung gefallen lassen musste.

»Bruder Eadulf wünscht die abbatissa aufzusuchen«, sagte er knapp.

Die Guckklappe fiel zu, und er hörte, wie Metall auf Metall scharrte, ehe die Tür aufging. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, trat er ein. Der Türflügel schloss sich hinter ihm, und als er sich umdrehte, war Schwester Radegund schon dabei, die Riegel wieder vorzulegen.

»Wer war die junge Schwester, die soeben Bruder Andica herausgelassen hat?«, fragte er die Verwalterin unumwunden.

Schwester Radegund blinzelte. Die Frage schien sie zu überraschen. »Wie bitte, Bruder?«

»Die Frage war doch klar gestellt, oder?«, gab er ungeduldig zurück.

Schwester Radegund errötete. »Ich versichere dir, Bruder Eadulf, diese Pforte habe nur ich heute Morgen geöffnet und geschlossen.«

»Willst du behaupten, Bruder Andica sei nicht vor wenigen Augenblicken durch diese Tür getreten?«

»Bruder Andica? Ich versichere, hier war niemand.« Eadulf klappte der schon geöffnete Mund wortlos zu. Einer so unverschämten Lüge wusste er nicht zu begegnen. Hätte Schwester Radegund behauptet, der blaue Himmel sei in Wirklichkeit rot, wäre es ebenso sinnlos gewesen, mit ihr darüber zu streiten. Ihr Leugnen einer offenkundigen Tatsache war dreist; er konnte nichts dagegenhalten.

»Du willst also zu Äbtissin Audofleda?«, fragte die Verwalterin. »Nun gut, folge mir.«

Sie wartete keine Antwort ab, drehte sich um und eilte los. Eadulf, dem der Weg zum Gemach der Äbtissin vom letzten Besuch noch im Gedächtnis war, hielt mit ihrem Tempo Schritt.

Äbtissin Audofleda stand in ihrer Kemenate vor dem Kamin. Die düsteren Steinwände des Raumes ließen einen frösteln, obwohl draußen heißes Sommerwetter herrschte. Die geistliche Dame trug schwarze Gewänder. In ihren dunklen Augen funkelte mühsam beherrschter Ärger. Der Mund war nur ein dünner Spalt, und die gefalteten, dicht vor dem Leib gehaltenen Hände verrieten ihre Anspannung.

»Bruder Eadulf«, meldete Schwester Radegund und stellte sich wieder vor die geschlossene Tür.

»Nun?« Das Wort klang wie ein Peitschenhieb; er war hier ganz offensichtlich nicht erwünscht.

»Abbatissa, ich vermute, du hast mit Bischof Leodegar gesprochen und weißt, warum ich erneut komme.« Ea-dulfs Ton war nicht minder scharf.

Die Äbtissin warf ihm einen abweisenden Blick zu. »Ich weiß es. Ungeachtet meines Protestes gegen eure Anmaßung bei eurem vorigen Besuch, hat der Bischof mir nahegelegt, euch noch einmal zu empfangen und eure Fragen zu beantworten. Die Frau aus Hibernia liegt, wie ich erfahren habe, krank darnieder nach einem Schlangenbiss, vielleicht ist das die gerechte Strafe für ihr anmaßendes Benehmen. Daher vermute ich, dass nun du weitere Fragen stellen willst.«