Выбрать главу

»Das sieht genauso aus, wie Bruder Sigeric es beschrieben hat«, sagte Eadulf, während sie den über hundert Fuß langen Korridor abschritten. »Diesen Weg hat man versperrt.« Sie blieben vor dem blockierten Durchgang stehen.

»Leodegar muss die Trennung der Geschlechter mit geradezu fanatischem Eifer betreiben«, bemerkte Fidelma nachdenklich. »Warum mag er Frauen so fürchten?« »Meinst du, seine Haltung Frauen gegenüber entspringt aus Furcht vor ihnen?«

»Wenn man jemandem seine Ebenbürtigkeit abspricht, wenn man Frauen verunglimpft oder überhaupt Leute anschwärzt und verunglimpft, bedeutet das immer, man hat Angst vor ihnen. Und das hier ist doch geradezu lächerlich, Frauen von Männern trennen zu wollen, indem man Mauern zwischen den alten Gebäuden errichtet. Was ich gesehen habe, reicht mir jedenfalls.«

»Was hattest du geglaubt, hier zu finden?«

»Eigentlich wollte ich mich nur vergewissern, dass es so eine Verbindung zwischen den Gebäuden wirklich gab. Anfangs hatte ich sogar gedacht, es könnte sich um einen Geheimpfad zwischen den beiden Klostergemeinschaften handeln. Auf den Gedanken war ich verfallen, weil uns niemand die Galerie gezeigt, sie nicht einmal erwähnt hat, von Sigeric abgesehen.« Sie wandten sich um und traten den Rückweg an. Mit einem Mal hörte Eadulf ein Geräusch, ein leises Kratzen und Scharren. Was es war, wusste er nicht, auch begriff er nicht, warum er mit einem Satz zur anderen Seite des Ganges sprang und einen Warnruf ausstieß. Fidelma, die vor ihm ging, drückte sich an eine Säule.

Einen Moment später krachte etwas auf den Fleck, auf dem Eadulf eben noch gestanden hatte, und zerbarst in tausend Stücke. Ein großer Steinbrocken traf Eadulf mit Wucht an der Wade. Es schmerzte furchtbar, er schrie auf, wankte einen Schritt vorwärts und stürzte. Es schien ihm eine Ewigkeit, währte aber nur wenige Sekunden. Totenstille breitete sich aus, der Staub ringsum begann sich zu legen.

Fidelma löste sich von dem Pfeiler, der ihr vor dem stürzenden Steingebilde Schutz geboten hatte, und tastete sich durch Staub und Schutt.

»Eadulf!«, schrie sie angsterfüllt. Sie hörte ihn husten, beugte sich zu ihm hinunter und wischte ihm den Schmutz von Augen und Mund. »Bist du verletzt, wie fühlst du dich?«

Er brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Richtig gut nicht.«

Sie atmete erleichtert auf, während er sich mühsam aufrichtete.

»Wo tut’s weh?«, fragte sie besorgt, als er plötzlich zusammenzuckte.

»Hinten am Bein, an der Wade. Da hat mich offenbar ein Stein getroffen.«

Fidelma schaute sich um. Unmittelbar neben ihm lag ein großer Marmorbrocken.

»Ein Wunder, dass das Ding dich nicht erwischt hat«, sagte sie und zeigte darauf.

Eadulf blinzelte, um den Staub von den Augenlidern zu bekommen, und sah genau hin. »Das ist der Kopf von einer der Statuen da oben«, erklärte er verwundert.

Fidelma blickte hoch zu der Nische unter dem Bogen, die direkt über ihnen war. »Nicht nur der Kopf, eine ganze Statue war das«, berichtigte sie ihn. »Sie hätte dich fast erschlagen. Sieh, da ist der Sockel, auf dem sie gestanden hat.«

Eadulf schüttelte sich. »Ganz schon gefährlich«, murmelte er. »Wir sollten machen, dass wir von hier fortkommen, ehe noch mehr herunterfällt. Die Statuen da oben haben etliche hundert Jahre auf dem Buckel.«

Inzwischen hatte sich Fidelma sein verletztes Bein näher betrachtet. »Du hast da eine grässliche Platzwunde und musst sofort zu Bruder Gebicca. Kannst du aufstehen?« »Ich versuch’s. Gebrochen ist wahrscheinlich nichts.« Er griff nach Fidelmas Arm, stützte sich mit einer Hand gegen die Mauer und schob sich langsam hoch. Sowie er das Bein belastete, hatte er heftige Schmerzen.

Unvermutet erschien Bruder Benevolentia in der Tür, durch die sie die Galerie betreten hatten. Er blieb stehen und starrte sie überrascht an. »Ich habe es krachen gehört«, begann er.

»Und ich brauche deine Hilfe, Bruder«, erwiderte Fidelma. »Komm her und stütz Eadulf.«

Doch Bruder Benevolentia stierte immer noch auf Eadulf und schien sie nicht gehört zu haben. »Was ist denn hier passiert?« Er verstummte, als er die Trümmer des Standbildes sah. Seine Augen wanderten zu dem Fleck, auf dem es gestanden hatte, und erst dann fragte er Eadulf: »Bist du verletzt, Bruder?«

»Die Wunde muss gereinigt und verbunden werden«, erklärte ihm Fidelma. »Was Ernsthaftes wird es wohl nicht sein.«

»Ich werde ihn stützen, Schwester. Überlass mir das. Er nahm Eadulfs Arm und half ihm, blickte aber immer wieder auf den Schutthaufen. »Sieht aus wie eines der antiken Denkmäler. Die stehen hier mindestens seit sechshundert Jahren, sind noch von den Römern. Kannst von Glück sagen, dass das Ding dich verfehlt hat.«

In Eadulfs Wade pochte es schmerzhaft. »Verfehlt ... klingt ganz schön untertrieben. Eine Handbreit weiter, und ich wäre nicht mehr auf dieser Welt.«

Er bemerkte, dass Fidelma wie gebannt auf die Trümmer und nach oben schaute. »Geh schon los, Bruder Benevo-lentia, und bringe Eadulf zu Bruder Gebicca. Ich komme gleich hinterher.«

Bruder Benevolentia zögerte. »Lass das lieber, Schwester. Hier allein zu bleiben ist wirklich gefährlich. Wir befinden uns im ältesten Teil des Gebäudes, und diese antiken Statuen stehen keineswegs mehr fest.«

»Eadulf blutet und braucht umgehend einen Arzt; je länger wir zögern, um so schlimmer wird es mit der Wunde. Ich habe doch gesagt, ich komme gleich nach«, fuhr sie ihn an.

Bruder Benevolentia kam ihre Aufforderung wenig gelegen, doch Eadulf war klar, dass sie etwas im Gang genauer in Augenschein nehmen wollte, machte die ersten Schritte und zwang so seinen Begleiter, ihm zu folgen. Fidelma schaute noch einmal auf die Bruchstücke, die bis vor kurzem eine Marmorstatue gewesen waren. Dann schätzte sie die leere Nische ab, die sich dreißig Fuß über ihr in der langen überwölbten Galerie befand. An jeder Seite des Ganges hatten je fünf Statuen gestanden, jetzt fehlte eine.

Sie vernahm ein Geräusch aus der Werkstatt der Steinmetze hinter ihr. Rasch drehte sie sich um und stellte fest, dass ein anderer, ein jüngerer Mönch den Schauplatz betreten hatte. Der sah sich um und schien entsetzt.

»Was ist denn hier los, Schwester?«, sprach er sie an. »Eine der Statuen ist von ihrem Sockel dort oben gestürzt.«

»Eine der antiken Statuen?«, wiederholte er betroffen. »Stehen die alle schon lange so wie jetzt?«

»Die sind dort schon seit der Zeit der Römer. Solange ich hier bin, haben sie völlig fest und sicher gestanden.

Merkwürdig, dass gerade jetzt eine heruntergefallen ist. Wenn das kein böses Omen ist!«

»Das Omen wäre gewiss bös, wenn die Statue jemanden erschlagen hätte«, erwiderte Fidelma trocken.

»Es wurde doch hoffentlich niemand verletzt?«

Sie ging nicht darauf ein, sondern blickte zu den Nischen in den Arkaden über ihr. »Gibt es einen Zugang zu den Nischen dort oben? Sie scheinen ziemlich tief zu sein, und dahinter ist es hell, als ob da ein freier Raum wäre.« Der Mönch nickte. »Das stimmt, Schwester. Hinter den Standbildern ist ein Laufgang, den die Steinmetze benutzen, wenn Arbeiten am Dach oder dem Bildzierrat hoch oben zu verrichten sind.«

»Ist dieser Laufgang leicht zu erreichen? Wie könnte ich von hier dort hinaufgelangen?«

»Du möchtest doch nicht etwa da hochgehen?« »Doch, das möchte ich.«

Unentschlossen schaute er sich um, wusste offenbar nicht recht, wie er sich verhalten sollte, und meinte schließlich: »Na gut, ich kann’s dir zeigen.«

Gleich hinter den Türen, durch die sie hereingekommen waren, bemerkte Fidelma jetzt einen schmalen Durchlass, auf den ihr Gegenüber wies. Eine enge Wendeltreppe wie in einem runden Turm bot sich zum Aufstieg an. Fidelma trat auf die erste Stufe und suchte etwas zu erkennen. Am oberen Ende des Treppenhauses war Licht. Bevor sie noch eine weitere Stufe erklomm, fragte der junge Mönch hinter ihr ängstlich: