Выбрать главу

»Meine Kundschafter haben mich über alles unterrichtet. Ich weiß, dass du die Schwester des Königs von eurem Land bist, ein Land, in dem Frauen Richter und Anwälte sein dürfen. Eine erstaunliche Sache. Du kannst von Glück reden, Eadulf von Seaxmund’s Ham.«

Eadulf fiel keine passende Antwort ein, aber das störte den jungen Mann nicht. Er sprach einfach weiter.

»Ich verkörpere die oberste Regierungsgewalt hier, dabei bleibt es, und Bischof Leodegar hätte mich in der Tat in der Angelegenheit konsultieren müssen. Aber Franken unterlassen es oft genug, sich mit den Burgunden ins Benehmen zu setzen. Selbstverständlich habe ich nichts dagegen einzuwenden, dass ihr euch dieser lästigen Sache annehmt.«

»Lästige Sache? Wir sprechen über den Tod eines Abts aus Hibernia«, setzte Eadulf dagegen, den Guntrams verharmlosende Wortwahl ärgerte.

»Die Folgen sind lästig, nicht die Tat als solche«, verbesserte sich Guntram.

»Inwiefern lästig?«, wollte Fidelma wissen.

»Lästig insofern, als die Ruhe meines Landes und meines Volkes gestört wird. Das Konzil, zu dem Vertreter aus vielen Ländern angereist sind, ist schon lästig genug. Dass das Konzil darüber hinaus mit sich bringt, dass ein Gesandter aus Rom, Nuntius Peregrinus, hier auftaucht, tut ein Übriges. Dazu kommt der Mord an einem fremdländischen Gast. Chlothar wird unweigerlich mich für die ganze Unruhe zur Verantwortung ziehen, und das ist allemal lästig. Unser fränkischer König ist jung und erpicht darauf, einen guten Eindruck in Rom zu machen.«

»Weshalb sollte er dir die Schuld an allem geben?«

»Die Franken behaupten ständig, die Burgunden seien an allem schuld, und trachten danach, uns die wenige Macht, die wir haben, auch noch zu nehmen.«

»Mir geht es nicht um eure inneren Zwistigkeiten, sondern darum, wie der Abt aus meinem Land zu Tode kam.«

Der junge Mann sah sie ernst an. »Dem will ich mich nicht verschließen. Wie kann ich helfen?«

»Man hat uns gesagt, du wärst in der Nacht, als der Mord geschah, in der Abtei gewesen.«

Er nickte. »Nicht in der Abtei schlechthin, sondern im Zimmer neben jenem, in dem man die Leiche entdeckt hat.«

Fidelma empfand es als angenehm, dass Guntram offen und ehrlich war.

»Hast du in jener Nacht irgendetwas gesehen oder gehört, das deinen Verdacht erregte?«

Er musste lachen, hatte sich aber gleich wieder in der Hand.

»Tut mir leid, Fidelma von Cashel. Um ehrlich zu sein, ich war einfach nicht in der Lage, etwas zu sehen oder zu hören. Man wird dir von meinem Zustand erzählt haben. Ja, die Wahrheit ist, ich hatte zuviel von Bacchus’ Früchten genossen.«

»Das heißt, du warst betrunken«, stellte Eadulf fest.

»Mea maxima culpa!«

»Kannst du dich noch an irgendetwas erinnern, dass an dem Abend geschah?«, drängte ihn Fidelma.

Er überlegte. »Ich war in die Stadt gegangen, um die mir zustehenden Lehnsabgaben zu holen. Ich unterhalte ein Dutzend Leibwächter und ein Dutzend Diener. Das ist nicht die Menge, kostet aber doch einiges. Immer zu Neumond erhalte ich die taxa, eine Summe, die mir für meine Leute zusteht. Ich bekomme sie vom maire princi-palte, dem Hauptverwalter meiner Ländereien, ausgezahlt, der sie für mich eintreibt. Natürlich würde er lieber für meine Mutter arbeiten«, fügte er abschätzig hinzu. »Ich bin sicher, er zahlt mir nicht die volle Summe aus und geht mit dem Geld erst zu ihr. Dann handeln die beiden aus, wie viel ich kriege.«

»Offensichtlich hattest du so viel gebechert, dass sich der Rückweg nach hier verbot. Deine Mutter, Gräfin Beretrude, hat doch aber eine Villa in Autun. Wieso hast du nicht dort übernachtet?«, wollte Fidelma wissen.

Er seufzte gelangweilt. »Weil wir mal wieder eine unserer endlosen Auseinandersetzungen gehabt hatten.« »Ging es dabei um etwas Besonderes?«

»Um ihr Lieblingsthema - meinen Mangel an Ehrgeiz.« »Du bist der Gebietsherr hier, was will sie mehr?«, wunderte sich Eadulf.

»Wenn es nach meiner Mutter ginge, müsste ich Heere aufstellen, um den Tod von Sigismond und Gundomar zu rächen.« Er bemerkte ihre etwas ratlosen Gesichter und erläuterte: »Das waren Könige der Burgunden, die von Chlodio, also den Franken, geschlagen wurden.«

»Willst du damit sagen, deine Mutter würde es gern sehen, dass du einen Aufstand gegen die Könige dieses Landes anzettelst?«, fragte Fidelma.

Guntram grinste. »Und das mit ganzen zwölf bewaffneten Männern! Sie sind mehr meine Jagdkumpane als eine Heeresmacht. Meine Mutter ist größenwahnsinnig, hat die Vorstellung, die Burgunden müssten wieder zu Ruhm und Ehre kommen. Dabei sind wir keine mächtige Nation mehr, und die erste Pflicht des Herrschers eines solchen Volkes besteht darin, Tatsachen anzuerkennen. Er muss um die Stärken und Schwächen seines Volkes wissen und dementsprechend die Rolle festlegen, die es in der Welt spielen kann. Er muss sinnvolle, erreichbare Ziele abstecken, das ist entscheidend. Man darf nicht wegen irgendwelcher Träume aus vergangenen Tagen Elend und Not über die Menschen bringen.«

Sie schwiegen eine Weile.

»Und in dem Zank mit deiner Mutter ging es just um dieses Thema?«, fragte Fidelma. »Bist du deshalb lieber in der Abtei als bei ihr in der Villa geblieben?«

»In der Abtei zu bleiben, ist immer besser. Jedes Mal, wenn ich bei meiner Mutter bin, muss ich mir ihre Vorwürfe anhören, dass ich nicht wie mein Vater sei oder dass ich ein unwürdiger Nachfahr Gundahars und der Linie der burgundischen Könige sei. Da begnüge ich mich doch lieber mit der kargen Zelle eines Mönchs, als dass ich in ihrer luxuriösen Villa in einem Bett schlafe.«

»Hatte unter den geschilderten Bedingungen Bischof Leodegar nichts dagegen, dass du in der Abtei bliebst? So, wie ich ihn erlebt habe, ist er ein Mann mit strengen Ansichten.«

»Ich kenne Leodegar seit vielen Jahren. Es gibt irgendwelche uralten Familienbande. Welche genau, weiß ich nicht, denn er ist Franke. Aber er ist auch mein Beichtvater. Ich habe mit ihm über meine Unzulänglichkeiten gesprochen.«

»Hm. Und wie weiter?«

»Wir haben an dem Abend gut gespeist. Ich erinnere mich noch, dass Leodegar erzählte, er hätte einen höchst anstrengenden Tag hinter sich, weil es zwischen den Gästen des Konzils einen heftigen Streit gegeben hätte. Er war erschöpft. Das erklärt auch, weshalb er vorschlug, wir sollten nicht im Refektorium, sondern lieber in seinen Privaträumen essen, wo wir uns unterhielten, Schach spielten und uns den Bauch vollschlugen. Der Weinkrug ging hin und her, und ich trank entschieden zu viel. Ich war nur darauf bedacht, die Vorwürfe meiner Mutter hinunterzuspülen. Ich weiß noch, dass ich ungemein müde war und mich im Stuhl zurückgelehnt hatte. Als ich wieder erwachte, fand ich mich in einem kleinen Raum wieder, und es war spät am Morgen. Draußen herrschte Bewegung. Erst da bekam ich mit, dass der Abt aus Hibernia von einem der Geistlichen ermordet worden war.«

Eadulf beugte sich zu ihm vor. »Auf welche Weise hast du das mitbekommen?«

»Ich habe es von Bruder Chilperic erfahren«, meinte er achselzuckend. »Ich hatte alles verschlafen. Bruder Chil-peric hatte mich den Abend zuvor aus Leodegars Gemächern getragen, als dieser angelsächsische Bischof auftauchte, der jetzt des Mordes verdächtigt wird. Mir brummte an dem Morgen mächtig der Schädel, und ich konnte beim besten Willen nicht erfassen, was da vor sich ging. Bruder Gebicca, der Apotheker, hat mir dann irgendetwas verpasst, sonst hätte ich es überhaupt nicht bis nach Hause geschafft.«

»Du hast in der Nacht tatsächlich nichts gehört oder gesehen?«, fasste Eadulf enttäuscht zusammen.

Guntram schüttelte den Kopf. »Wenn ihr gehofft habt, ich könnte euch mit Aussagen über den Tod des Abts dienen, dann seid ihr umsonst hierher gekommen. Ich war betrunken und habe alles verschlafen, das ist die reine Wahrheit.«