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Hastig sprach der neue Fahrgast auf Fränkisch auf Bruder Budnouen ein, drehte sich dann um, sagte etwas zu Fidelma, bemerkte ihren hilflosen Gesichtsausdruck und schwenkte auf Latein um.

»Verzeih, dass ich euch Ungelegenheiten bereite. Räuber sind hinter mir her. Meinen Diener hat es schon erwischt -der arme Teufel, ein Pfeil mitten ins Herz. Ich machte kehrt, aber sie haben mein Pferd zu Fall gebracht und sind mir auf den Fersen.«

Er spähte zurück in den Wald und wandte sich wieder Bruder Budnouen zu. »Kannst du die Tiere nicht schärfer antreiben?«

»Ich versuche mein Bestes, Sire«, war die Antwort. Offenbar war der junge Mann für ihn kein Unbekannter.

»Sire?« Fidelma wunderte sich über die Anrede.

»Ich bin Chlothar, Herrscher über das Königreich hier.« Fidelma und Eadulf blieb keine Zeit, etwas zu erwidern. Bruder Budnouen hatte die Maultiere die Peitsche spüren lassen, und sämtliche Mitfahrenden hatten nun ihre liebe Not, sich in dem schwankenden Gefährt zu halten. Dass die sonst gemächlich dahinzockelnden Maultiere so schnell laufen konnten, hätte Fidelma nie gedacht.

»Da vorn kommt eine Weggabelung«, schrie der junge Mann. »Bieg dort nach rechts ab. So Gott will, müssten wir bald auf Leute aus meiner Jagdgesellschaft treffen.« Bruder Budnouen brummte sein Einverständnis.

Das Gefährt nahm die Kurve in halsbrecherischem Tempo und kippte kurzzeitig auf zwei Räder. Eadulf fürchtete schon, sie würden sich überschlagen. Verzweifelt klammerten sich alle fest, als der Karren mit derbem Schwung auf seine vier Räder zurückkam und sie die Waldschneise entlangrasten.

»Sie holen uns ein!«, brüllte Clothar plötzlich.

Gefährlich nahe hinter ihnen war ein halbes Dutzend Reiter aus dem Tannendickicht hervorgeprescht. Fidelmas geschultes Auge sagte ihr, dass es sich um geübte Reiter handelte.

»Wir können nur hoffen, deine Männer sind nicht weit«, rief Eadulf besorgt.

»Dein Wunsch in Gottes Ohr«, schrie Chlothar zurück. Er griff nach einem Jagdhorn an seinem Gürtel und blies mehrfach kräftig hinein. Laute Töne zerrissen die Luft. Dann riet er Fidelma: »Kauere dich unten in den Wagen, Schwester, da bist du besser geschützt. Sie haben Bogenschützen bei sich, und so, wie du da sitzt, gibst du eine blendende Zielscheibe ab.«

Er brauchte es ihr nicht zweimal zu sagen. Sie rutschte nach unten und drückte sich hinten in den Wagenkasten, wo auch Chlothar Schutz gesucht hatte. Gerade wollte sie Eadulf zurufen, es ebenso zu machen, da war es geschehen: Ein pfeifendes Geräusch und ein Aufschrei von Bruder Budnouen ertönten. Starr wie eine Statue blieb er auf dem Kutschbock sitzen. Dann sickerte ihm Blut aus dem Mund, lief über das Kinn, und als Fidelmas Blick dem Rinnsal folgte, sah sie mit Entsetzen, dass ihm eine Pfeilspitze aus der Kehle stach und das Ende des Pfeils hinten aus dem Nacken ragte. Die Zügel glitten ihm aus den Händen, kraftlos sackte Bruder Budnouen zur Seite und stürzte von dem holpernden Wagen.

Geistesgegenwärtig ergriff Eadulf die Zügel, rutschte auf den Platz, auf dem eben noch der unglückliche Bruder Budnouen gesessen hatte, und hielt das Gefährt am Rollen. Sein schnelles Handeln überraschte selbst Fidelma. Er hatte die Zügel schon an sich gerissen, noch ehe der Gallier vom Kutschbock gefallen war.

»Ducken! Bleib, wo du bist!«, rief Chlothar ihr zu. »Das sollen sie büßen! Zur Hölle mit ihnen!«

»Schön wär’s, wenn wir das noch erlebten!« Fidelma drückte sich an den Boden und machte sich so klein wie möglich, um dem Bogenschützen kein Ziel zu bieten.

»Das hast du gut gesagt, Schwester.« Chlothar lachte bitter auf. Er schielte zu Eadulf, der gleichfalls nach unten gerutscht war und die hintere Seite des Wagenkastens als Schutzschild nutzte. »Diese verdammten Schurken. Das wird sie teuer zu stehen kommen.«

Zwei weitere Pfeile zischten durch die Luft und blieben über ihnen im Kutschbox stecken. Erneut ließ Chlothar gellende Töne aus seinem Jagdhorn erschallen.

»Schurken sind das allemal, aber ihr Bogenschütze - der hat was drauf«, stellte Fidelma mit einem Anflug von schwarzem Humor fest. »Vom Pferd in vollem Galopp und so treffsicher, dazu gehört schon was.«

Verblüfft starrte Chlothar sie an. »Du verstehst wohl etwas davon, Schwester?«

»Ein bisschen schon«, gab sie zu.

Die Reiterbande war drauf und dran, sie einzuholen. Da schrie Eadulf: »Reiter vor uns!«

Fidelma sah, wie die Verfolger versuchten, ihre Pferde jäh zum Wenden zu bringen. Das führte zu einem kurzen Durcheinander in der Gruppe, aber gleich darauf stoben sie davon.

An die fünfzig Reiter umringten das Gefährt, in dem Chlothar jetzt aufrecht stand. »Bruder, du kannst anhalten!«, rief er erleichtert Eadulf zu. Dann wandte er sich an den Anführer der Retter und erteilte ihm in seiner Sprache Befehle. Der hob die Hand und bedeutete seinen Mannen, den Räubern nachzusetzen. Zwanzig Krieger blieben als Leibwache zurück. Aus denen wählte Chlothar drei aus und sprach mit ihnen, woraufhin auch sie davonritten. Mit ernstem Gesicht drehte er sich zu Fidelma und Eadulf um und erklärte:»Ich habe sie zurückgeschickt. Sie sollen den Weg nach eurem Gefährten absuchen. Vielleicht kann ihm noch geholfen werden. Wenn nicht, werden sie seinen Leichnam herbringen, in allen Ehren, wie es sich gehört. Er hat sein Leben gegeben und meins gerettet. Eure Hilfe kam zur rechten Zeit. Ich danke euch. Es tut mir leid, dass ihr euren Gefährten zu beklagen habt, Schwester ... Du bist doch eine fromme Schwester, oder nicht?« Er sprach fließend Latein.

In gemessener Haltung neigte sie den Kopf.

»Ich bin Schwester Fidelma aus Hibernia, und das neben mir ist Bruder Eadulf, mein Gatte. Der Mann, der getötet wurde - ich habe wenig Hoffnung, dass er eine solche Verwundung überlebt -, war ein Gallier namens Bruder Budnouen.«

Ungläubig schaute der König sie an.

»Fidelma aus Hibernia? Fidelma von Cashel? Eadulf, ihr Begleiter? Fidelma, die Anwältin und Schwester des Königs von Mu-in, das bist du?« Es war ein gutgemeinter Versuch, das Wort Muman auszusprechen.

Jetzt war es an Fidelma, einen überraschten Blick mit Ea-dulf zu wechseln.

»Ich komme aus Cashel, der Hauptstadt meines Bruders Colgü, des Königs. Ja, und ich bin eine dalaigh, eine Anwältin im Rechtswesen meines Landes«, bestätigte sie. Freudig nahm es der junge Mann zur Kenntnis. »Dein Ruf ist dir an meinen Hof vorausgeeilt. Viele deiner Landsleute sind als Lehrer und Ratgeber zu uns gekommen. Alle rühmen deine Taten.«

»Ihr Lob schmeichelt mir. Aber dass wir gerade hier durch den Wald kamen, war der reine Zufall und für dich ein wahres Glück.«

»Wolltet ihr nach Autun?«, erkundigte sich der König. »Wir waren auf dem Rückweg von Guntrams Burg«, sagte Fidelma.

»Wir waren im Süden auf der Jagd«, erzählte Clothar, »und wollten Graf Guntram einen unangemeldeten Besuch abstatten. Denn ich muss ohnehin nach Autun und mich beim Konzil sehen lassen. Nimmst du auch daran teil? Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass Bischof Leodegar es gern hört, wenn Frauen eine Meinung äußern«, stellte er mit fröhlichem Grinsen fest.

»Hat man dir nicht berichtet, dass das Konzil noch gar nicht begonnen hat? Und dass es Morde gegeben hat?« Chlothar zog die Stirn kraus. »Doch, ein fremdländischer Abt soll getötet worden sein, vor einer Woche. Ist es dort immer noch gefährlich?«

»Ich kann nur raten, Vorsicht walten zu lassen«, meinte Fidelma.