»Ja. Die burgundischen Könige hatten es auf ihren Schilden. Das war, bevor sie die Herrschaft der Franken anerkannten.«
Fidelmas leiser Stoßseufzer war nicht zu überhören, und Chlothar fragte erwartungsvolclass="underline" »Sagt dir das etwas, Fidelma?«
»Es könnte auf eine Verschwörung gegen dich hinweisen, Majestät«, erwiderte sie. »Aber Genaueres weiß ich im Augenblick noch nicht.«
»Was, schlägst du vor, sollten wir tun?«
»Eadulf und ich sollten zur Abtei zurückkehren. Das würde mir gestatten, einige Spuren weiter zu verfolgen.«
»Ich bin dagegen!«, erklärte Ebroin. »Es könnte diejenigen warnen, die hinter .«
»Hinter wem oder was?«, unterbrach ihn Chlothar. »Wir haben keinen Anhaltspunkt. Was würdest du denn raten, Ebroin?«
»Ich würde nach Autun reiten, die Verschwörer ausfindig machen, die bei Leodegar Schutz genießen, sie als Rebellen verbrennen und der Stadt eine Lektion erteilen.« Fidelma zwang sich zu einem Lachen. Es klang unnatürlich und hohl, aber anders konnte sie sich nicht von ihrem Unmut über einen solchen Vorschlag befreien. Ein weiteres Mal hatte sie die Aufmerksamkeit des Königs auf sich gelenkt.
»Welchen Nutzen hätte das?«, fragte sie. »Was bringt es, sich an unglücklichen Menschen zu rächen, ohne zu wissen, ob sie sich überhaupt eines Verbrechens schuldig gemacht haben? Möchtest du bei deinem Volk als Tyrann in Erinnerung bleiben? Das wäre ein Leichtes. Willst du aber als König umjubelt sein, der mit Gerechtigkeit regiert, dann lass uns erst die Schuldigen finden, ehe du blindwütig strafst.«
Ebroin verzog höhnisch das Gesicht, doch Chlothar verwehrte ihm mit erhobener Hand, Fidelma zu widersprechen.
»Ich habe vorhin schon gesagt, ich habe aus dem Munde von Lehrern aus deinem Land erfahren, wie ihr es mit Rechtsprechung und Gesetzgebung haltet. Gern würde ich mir eure Herangehensweise zum Vorbild nehmen.« Dann sagte er zu Ebroin: »Du bist mir ein guter Mentor gewesen, alter Freund. Ich habe jedoch den Eindruck, du hältst mich nicht für reif genug, Entscheidungen zu treffen, die mir als König zukommen. Im vorliegenden Fall aber weiß ich, was ich zu tun habe. Ich werde dem weisen Rat dieser Prinzessin aus Hibernia folgen.«
Ebroin wollte etwas sagen, besann sich jedoch eines Besseren und fügte sich den Wünschen seines Herrn. Der König wandte sich wieder Fidelma zu.
»Was also, schlägst du vor, sollten wir tun?«
»Könntest du dich mit dem Gedanken anfreunden, noch ein paar Tage zu warten, ehe du in die Stadt einziehst? Du hattest doch vor, bei Graf Guntram vorbeizuschauen. Tu das. Wenn ich soweit bin, lasse ich es dich wissen, und dann komm in die Abtei. Es könnte durchaus sein, dass ich die Unterstützung deiner Krieger brauche.«
»Ich habe nur fünfzig kampferprobte Männer bei mir, aber es sind meine besten Leute.«
»Sollten sich Rebellen zusammenrotten, sind mehr Krieger vonnöten«, gab Ebroin zu bedenken.
»Einer kann zu meiner Burg zurückreiten und weitere Bewaffnete holen«, befand Chlothar.
»Und Guntram? Was immer für eine Verschwörung das sein mag, steckt Guntram da mit drin?«, wollte Ebroin von Fidelma wissen.
»Ich glaube nicht, dass Guntram etwas damit zu tun hat, Majestät. Außerdem hat er nur zwölf Mann auf seiner Burg. Ich wäre dafür, dass du mit deinen Leuten, wie ursprünglich vorgesehen, zu Guntram reitest. Bleib dort so lange, bis ich dich rufe. Sollte ich mich irren, was Guntrams Loyalität angeht, dann wird ihn allein die Gegenwart deiner Krieger in Schach halten. Ich denke jedoch, er ist mehr auf seine Annehmlichkeiten als auf irgendetwas anderes bedacht. Nein, die eigentliche Gefahr geht von Au-tun aus.«
»Wie lange, glaubst du, werden wir auf Guntrams Burg ausharren müssen?«, fragte Chlothar.
»Nur ein paar Tage. Ich bin sicher, die Hauptschuldigen ziemlich rasch entlarven zu können. Es hat bereits Anschläge auf unser Leben gegeben, und das werte ich als ein untrügliches Zeichen, dass wir unmittelbar vor des Rätsels Lösung stehen.«
»Dann dürfte es doch aber für dich und Eadulf gefährlich sein, nach Autun zurückzukehren?«
»Weitaus gefährlicher dürfte es für dich sein, wenn wir es nicht täten. Du hörst von einem von uns beiden, wann wir dich in der Stadt erwarten.«
KAPITEL 19
Auf ihrem Rückweg nach Autun lenkte Eadulf den Wagen. Es war eine langsame und trübsinnige Fahrt; den größten Teil der Strecke schwiegen beide. Hinten im Wagen lag die in eine Decke gehüllte Leiche von Bruder Budnouen. Fidelma saß neben Eadulf auf dem Kutschbock und gab sich ihren Gedanken hin. Erst als sie den gepflasterten Platz vor der Abtei erreichten, kam wieder Leben in beide. Sie banden das Mauleselgespann draußen an und machten sich auf die Suche nach Bruder Chilperic. Erschüttert nahm der Verwalter Bruder Budnouens Tod zur Kenntnis.
In der Schilderung ihrer Abenteuer ließ Fidelma alles aus, was mit Chlothar, Ebroin und seinen Kriegern zu tun hatte. Sie erzählte nur, sie seien von Räubern überfallen worden, die hätten Bruder Budnouen getötet und letztlich von ihnen abgelassen. Gelogen war das ja nicht.
»Ihr könnt von Glück sagen, dass ihr mit dem alten Karren und den langsamen Maultieren den Räubern entkommen seid«, meinte Bruder Chilperic. »Das mit Bruder Budnouen ist natürlich traurig ... requiescat in pace.«
»Kannst du mit seiner Familie Verbindung aufnehmen und ihr die schmerzliche Nachricht übermitteln?«
»Ich denke schon. Bischof Agrius in Nebirnum findet da sicher einen Weg. Bruder Budnouen wollte dieser Tage die Rückreise antreten. Wir werden jemanden finden müssen, der bereit ist, sein Gefährt mit der Handelsware zu den Seinen zu bringen. Ihn selbst werden wir hier auf dem Klostergelände bestatten.«
Sie wollten sich entfernen, doch Bruder Chilperic hielt sie noch fest. »Der Bischof hat nach euch gefragt. Er wünscht euch dringend zu sehen.«
Sie suchten ihn unverzüglich auf und wurden höchst ungnädig empfangen. »Ich wollte mit dir reden, Schwester Fidelma, aber man konnte dich nirgends finden. Wo warst du?«
»Bei Graf Guntram. Wir sind zusammen mit Bruder Budnouen hingefahren. Er ist tot. Räuber haben uns auf dem Rückweg überfallen. Wir konnten entkommen.« Sie sprach in knappen Sätzen. »Wir haben seinen Leichnam hierher gebracht. Bruder Chilperic hat alles Weitere in die Hand genommen.«
Bischof Leodegar war von all dem überrascht und bekundete seine Anteilnahme. »Bruder Budnouen war ein guter Freund der Abtei.«
»Er war auch uns ein guter Freund«, erwiderte Fidelma. »Du kannst sein, wo du willst, Fidelma von Cashel, stets folgt dir der Tod.«
»Wenn man einen unnatürlichen Tod aufzuklären versucht, bleiben weitere Morde oft nicht aus.«
»Etliche Tage sind ins Land gegangen, ohne dass du zu einem Schluss gekommen bist, wer nun Abt Dabhoc getötet hat, Cadfan oder Ordgar. Selbst Nuntius Peregrinus wird ungeduldig. Wie sieht deine Entscheidung aus?«
»Du bist der Erste, der sie erfährt, wenn ich so weit bin.« »Du weigerst dich einfach, in der Angelegenheit eine Entscheidung zu fällen«, warf ihr der Bischof vor.
»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass ich noch etwas Zeit brauche. Das liegt in der Natur der Dinge, es bedarf mehr, als nur einfach zu würfeln und zu sagen >Der war’s<.«
»Bislang habe ich mich dir gegenüber mehr als großzügig verhalten, Fidelma von Cashel.« Er sprach mit Nachdruck. »Ich bin auf Abt Segdaes Bitte eingegangen, der sich auf dich als in deinem Land anerkannte Anwältin berief. Ich habe darüber hinweggesehen, dass du eine Frau bist und dass man in deinen Kirchen das Zölibat ablehnt, für das wir uns hier in der Abtei entschieden haben. Ich habe dir gestattet, in der Abtei zu wohnen, und das gemeinsam mit deinem ... deinem Gefährten Eadulf. Auf all das bin ich eingegangen, habe dir die Vollmacht erteilt, gemäß euren Gesetzen und euren Vorstellungen von Recht und Ordnung zu handeln. Das Einzige, was ich als Gegenleistung erwartet habe, war eine rasche Entscheidung in dem Mordfall, damit das Konzil zusammentreten und endlich beraten und Beschlüsse fassen kann. Rom wartet auf das Ergebnis. Was verzögert deine Entscheidung?« Herausfordernd richtete sich Fidelma zu ihrer vollen Größe auf, und Eadulf fürchtete bereits, ihr Temperament würde mit ihr durchgehen, aber sie blieb kühl und sachlich.