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»Ich heiße Valretrade.«

Erstaunt machte Fidelma große Augen. »Schwester Valretrade ... aus dem domus feminarum? Sigerics Freundin?«

Nun schaute das Mädchen verwundert drein. »Woher weißt du etwas über mich?«

»Ich kenne Bruder Sigeric. Ich habe versprochen, ihm bei der Suche nach dir zu helfen.«

»Sigeric? Geht’s ihm gut?«, fragte das Mädchen erregt. »Ja, zumindest, als ich ihn das letzte Mal sah. Aber er verzehrt sich vor Kummer nach dir. Wie ist es dir ergangen? Äbtissin Audofleda hat verbreitet, du hättest dich vor einer Woche entschlossen, die Abtei zu verlassen. Weil du mit der Regula nicht einverstanden bist, hättest du dich entschieden, auf und davon zu gehen, und das auch in Abschiedszeilen zum Ausdruck gebracht.«

»Audofleda? Gottes ewiger Fluch möge sie treffen!« Val-retrade stellte den Becher beiseite und sah Fidelma prüfend an. »Aber zu meiner Zeit warst du nicht im domus feminarum. Lange kannst du noch nicht in Autun sein. Ah ja, du bist wegen des Konzils hier.«

Fidelma brachte sich in eine bequemere Lage. So knapp es eben ging, erzählte sie der jungen Nonne, was sie nach Autun geführt und was man ihr angetragen hatte, wie sie Bruder Sigeric kennengelernt und folglich begonnen hatte, nach ihr zu suchen. Valretrade lauschte ihrem Bericht und unterbrach sie nicht.

»Ich fürchte das Schlimmste«, sagte sie schließlich. »Würdest du mir bitte erklären, was das Schlimmste ist?«, bat Fidelma. Das Pochen im Hinterkopf war jetzt weniger heftig; sich auf ihre Geschichte zu konzentrieren, hatte geholfen, den Schmerz zu verdrängen.

»Das alles hier sind Ehefrauen von Mönchen und Priestern und ihre Kinder. Was mich betrifft, so fürchte ich, mir ist etwas zum Verhängnis geworden, was nicht für meine Augen bestimmt war. Wir wurden alle gewaltsam aus dem domus feminarum hierhergebracht, wie Gefangene mit verbundenen Augen.«

»Was hast du denn gesehen, und wie bist ausgerechnet du hier gelandet?«

»Während der letzten Wochen fiel mir auf, dass einige Frauen aus der Schwesternschaft nicht mehr da waren.« »Hast du nachgefragt, wo sie geblieben sind?«

»Natürlich habe ich das getan. Uns wurde gesagt, sie hätten die Abtei verlassen, weil ihnen die neue Regula nicht passte.«

»Wer hat euch das gesagt? Die Äbtissin?«

Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Äbtissin Audofleda steht hoch über uns allen. Mit den Schwestern der Gemeinschaft spricht sie überhaupt nicht. Schwester Radegund war es, die uns das mitteilte.«

»Und ihr habt das einfach hingenommen?«

»Wären es nur eine oder zwei Frauen gewesen, die die Abtei verlassen hätten, dann wäre die Erklärung glaubhaft gewesen. Aber alle verheirateten Frauen verließen uns, alle plötzlich und ohne vorher ein Wort zu sagen. Und die Männer dieser Frauen blieben in der Abtei. Von einer Schwester, die bei uns Station machte, hörten wir, dass auch aus anderen Klostergemeinschaften in der Umgebung verheiratete Frauen einfach verschwanden.«

»Was hast du daraufhin gemacht? Hast du mit Sigeric bei euren geheimen Treffen darüber gesprochen?«

»Was hätte ich ihm schon sagen können?« Valretrade zuckte die Achseln. »Handfeste Beweise hatte ich nicht. Nein, ich hielt es für besser, mir von jemand anderem Rat zu holen. Den Priestern hier im Ort traute ich nicht. Zufällig lernte ich eine Frau aus deiner Heimat kennen, sie ist die Ehefrau eines der Delegierten zum Konzil. Die fragte ich, an wen ich mich wenden könnte. Sie zeigte Mitgefühl, obwohl ich ihr nicht einmal alles erzählte, was ich wusste. Sie empfahl mir, mit einem Abt aus dem Norden deines Landes zu sprechen.«

»Abt Dabhoc?«, fragte Fidelma sofort.

»Möglicherweise hieß er so. Diese fremdländischen Namen kann ich schlecht behalten - du musst schon entschuldigen.« »Es ginge mir nicht anders«, beschwichtigte sie Fidelma. »Wann und wo hast du mit ihm reden können?«

»Ich gehörte zu den wenigen, die man mit der Aufgabe betraut hatte, die Frauen aus der Fremde zu begleiten.« Fidelma nickte. Es bestätigte, was die Äbtissin ihr gesagt hatte. »Sprich weiter.«

»In dem alten Amphitheater war’s, da hat man ihn mir von weitem gezeigt. Ich war ja dort, um die Frauen der fremdländischen Konzilbesucher hemmzuführen. Er unterhielt sich gerade mit einem anderen Fremden; der Kleidung nach war das ein hoher Amtsträger der Kirche.«

»Nuntius Peregrinus?«

»Wie er heißt, weiß ich nicht. Er hatte sich gerade von dem Abt getrennt ...«

»Und da hast du ihn angesprochen?«

»Ich habe mich später gefragt, ob er mir wirklich geglaubt hat, als ich ihm erzählte, dass Frauen aus unserer Abtei immer wieder über Nacht verschwanden. Er hat mir gönnerhaft zugehört und mir geraten, zu meiner Äbtissin zu gehen und mit ihr über >meine Befürchtungen< zu reden, wie er es nannte. Erst da entschloss ich mich, die Sache mit Sigeric zu besprechen.«

»Und das hast du dann getan?«

»An dem Abend verabredete ich mich mit Sigeric. Ich gab ihm ein Zeichen, indem .«

»Ich weiß, wie ihr euch verständigt habt. Sigeric hat es mir anvertraut. Hast du sonst jemandem gesagt, dass ihr euch treffen wolltet?«

Valretrade schüttelte den Kopf.

»Nicht einmal Schwester Inginde, mit der du die Kammer teiltest?«

»Ich habe Sigeric mit dem Kerzenlicht das verabredete Zeichen gegeben, und da wir in einer Kammer schliefen, wird sie wohl gewusst haben, dass ich mich mit ihm treffen wollte. Aber ich habe kein Wort darüber verloren, weshalb ich ihn sprechen wollte. Niemandem habe ich davon etwas gesagt. Es dauerte diesmal lange, bis Sigeric mir sein Zeichen gab. Zum Glück war Inginde nicht in der Kammer, während ich dasaß und wartete. Endlich sah ich seine Kerze, und ich ging zu unserem Treffpunkt. Sigeric war nicht dort, dafür aber ein Mann und eine Frau. Ich kam dazu, als sie etwas in dem Sarkophag verstecken wollten, an dem wir uns immer trafen. Sie drohten mir, knebelten und fesselten mich. Sie brachten mich zurück ins domus feminarum zu einem Seiteneingang. Dort verbanden sie mir die Augen, und der Mann, der sehr kräftig gewesen sein muss, trug mich hierher. Das war vor einer Woche.«

»Genau zu dem Zeitpunkt, als du zu eurem Stelldichein wolltest, wurde Abt Dabhoc ermordet«, bekannte Fidelma bedrückt. »Sigeric war auf dem Wege zu dir, entdeckte die Leiche und schlug Alarm. Als er reichlich verspätet an euren Treffpunkt kam, hatte man dich schon fortgeschleppt. Vielleicht hat ihm seine Verspätung das Leben gerettet. Wer waren der Mann und die Frau in dem Gruftgewölbe?«

»Sie hatten Kapuzen über die Köpfe gezogen, aber dass es ein Mann und eine Frau waren, konnte ich leicht ausmachen. Den Mönch habe ich sogar erkannt.«

»Und wer was das?«

»Bruder Andica, der Steinmetz. Der hat mich auch hierhergeschleppt.«

Ein wenig enttäuschte Fidelma ihre Auskunft. »Der ist inzwischen tot.«

Schwester Valretrade schwieg erschrocken einen Moment und fuhr dann fort: »Die Frau habe ich nicht erkannt. Wahrscheinlich war es Radegund. Sie ist Beretrudes Nichte und die einzige Verheiratete in der Gemeinschaft, die sich überallhin frei bewegen kann.«

An der Tür wurden die Riegel zurückgeschoben. Alle Blicke gingen dorthin. Ein stämmiger Krieger kam herein und blieb auf den Stufen stehen. Er schaute sich um, ein hämisches Grinsen zog über sein bärtiges Gesicht. Und schon donnerte er los, erst in der Landessprache, dann in schlechtem Latein.

»Das ist eure letzte Nacht hier. Noch vor Tagesanbruch werdet ihr nach Süden geschafft.«

Die Frauen erhoben Protest.

»Ruhe!«, brüllte der Krieger.

»Wohin bringt man uns?«, wagte sich eine vor, »und warum?«

»Zum Sklavenmarkt, das habt ihr euch selbst zuzuschreiben mit euren unchristlichen Heiraten und Liebesverhältnissen.«

Einige Frauen schrien vor Entsetzen auf.