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»Der Fluss, der an der Stadtmauer entlangströmt, trifft weiter stromaufwärts bei Nebirnum auf den Liger. Ich kann mir vorstellen, dass Verbas Nebirnum meidet, weil Bischof Arigius seit langem den Sklavenhandel auf dem Fluss bekämpft. Natürlich kann Verbas uns auf Planwagen verladen und uns so zum Liger schaffen.«

»Dann muss uns die Flucht gelingen, noch ehe wir aus der Stadt heraus sind«, entschied Fidelma. »Am besten, wir ruhen jetzt eine Weile und sparen uns unsere Kraft für später.«

Verärgert blickte Bischof Leodegar von Bruder Eadulf zu Abt Segdae. Es hatte ihm wenig gefallen, dass Segdae und Eadulf ihn mit der Nachricht aufgestört hatten, Fidelma werde vermisst. Und dass der Abt Eadulfs Forderung unterstützte, der Bischof müsse keine geringere Person als Gräfin Beretrude zur Rede stellen, passte ihm nun schon gar nicht.

»Du solltest deine Worte sorgfältig abwägen, Bruder Ea-dulf, bevor du den Ruf einer adligen Dame verunglimpfst. Und du, Abt Segdae von Imleach, solltest dir wohl überlegen, inwieweit du den Unterstellungen und Forderungen dieses Angelsachsen beipflichtest.«

Abt Segdae packte Eadulf am Arm und hielt ihn zurück, als der impulsiv einen Schritt auf den Bischof zumachte. Auch Bruder Chilperic, der Verwalter, blieb wachsam, um Eadulf notfalls abzufangen, sollte der den Bischof angreifen.

»Bischof Leodegar!« Abt Segdaes scharfe Stimme durchschnitt den Raum. »Es ist doch wohl offensichtlich, worum Eadulf von Seaxmund’s Ham dich bittet. Ich sehe keinerlei Notwendigkeit, den Beistand, den ich ihm gebe, zu überdenken. Fidelma, die Schwester von König Colgü, dem Beherrscher meines Landes, ist mit der erklärten Absicht von hier aufgebrochen, Gräfin Beretrude aufzusuchen, weil sie sie im Verdacht hat, in irgendeiner Weise an den Vorgängen beteiligt zu sein, die sie in deinem Auftrage untersucht. Jetzt ist bereits Mitternacht vorüber, ohne dass sie zurückgekehrt ist. Versteh mich recht, Bischof Leodegar, Fidelma ist nicht nur ihrem Ehemann Eadulf lieb und teuer, sondern auch ihren Freunden und ihrem Bruder, dem König. Es könnte als unfreundlicher Akt ganz Hibernia gegenüber ausgelegt werden, solltest du dich dieser Sache nicht annehmen.«

Der Bischof war sprachlos. Er war es nicht gewohnt, dass man ihm derart begegnete und seine Autorität anfocht. »Das klingt wie eine Drohung, Segdae von Imleach«, brachte er mit mühsam beherrschter Stimme hervor.

»Das war nicht meine Absicht. Ich wollte es nur als Warnung verstanden wissen, welche Gefühle sich regen könnten, wenn die Angelegenheit beiseitegeschoben wird. Worum wir bitten, ist lediglich, dass wir sogleich zur Villa von Gräfin Beretrude aufbrechen und herausfinden, was Fidelma zugestoßen ist.«

Herausfordernd schob der Bischof das Kinn vor. »Bist du dir bewusst, wer Gräfin Beretrude ist? Sie entstammt der burgundischen Linie Gundahars. Es ist allerdings wahr, dass ihr nichtsnutziger Sohn Guntram seine Zeit mit Gelagen, Jagden und Frauen verbringt, deshalb ist Beretrude die eigentliche Herrscherin des Landes.« Bischof Leodegar zischte ärgerlich. »Ihr erwartet, dass ich zu ihrer Villa marschiere und sie bezichtige ... Ja wessen eigentlich? Ich wäre ja töricht, mir eine solche Persönlichkeit zum Feind zu machen!«

Eadulf biss sich auf die Lippen. »Du würdest also lieber als Feigling dastehen, denn als Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit?«

Fast wäre Bischof Leodegars Oberkämmerer Eadulf an die Kehle gesprungen. »Bruder Chilperic!« Mit einer Handbewegung winkte ihn der Bischof zurück an seine Seite. »Wir sollten von gegenseitigen Drohungen ablassen. Wir sind zu alt dafür und vernünftig genug, Missverständnisse zu vermeiden. Ihr müsst doch aber einsehen, was ihr verlangt, beleidigt die Würde der Herrscherin unseres Landes.«

»Du wirst also nichts unternehmen? Soll ich tatsächlich dem König von Cashel berichten, du hättest nichts getan, um seine Schwester zu beschützen?«, empörte sich der Abt. Bischof Leodegar gab sich geduldig und seufzte.

»Ich werde meinen Verwalter zu Gräfin Beretrudes Villa schicken und fragen lassen, ob Schwester Fidelma dort ist oder dort vorgesprochen hat. Mehr kann ich nicht tun.« Abt Segdae schaute Eadulf an, doch der gab sich geschlagen. »Und falls er, wie ich vermute, eine abschlägige Antwort erhält?«

Der Bischof zuckte die Achseln. »Autun ist eine große Stadt. Es ist höchst unklug von einer fremdländischen Frau, hier nachts allein durch die Straßen zu ziehen; es gibt zu viele Diebe und Räuber.«

KAPITEL 21

Der Lärm, den die Bewaffneten beim Hereinstürmen in das Kellergewölbe verursachten, weckte Fidelma. Die Krieger brüllten Befehle. Die Frauen wurden aus dem Schlaf gerissen und waren gänzlich verwirrt. Die Kinder begannen zu weinen, die Männer fluchten und drohten ihnen Strafen an, wenn sie nicht sofort still seien, wodurch alles nur noch schlimmer wurde. Valretrade war längst wach und zitterte in der Kühle des Morgens. Fidelma rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte hoch zum Fenster. Es beruhigte sie, dass es noch dunkel war, aber die Wachleute hatten Laternen bei sich. Immerhin, Verbas von Peqini war nicht unter ihnen.

»Stellt euch in einer Reihe auf«, ordnete einer der Krieger an. Fidelma glaubte in ihm den vierschrötigen Kerl zu erkennen, der am Abend zuvor zu den Gefangenen geredet hatte. Er hielt Ketten in der Faust, an denen Handschellen hingen. Die Ketten waren etwa drei Fuß lang.

»Was habt ihr mit uns vor?«, fragte eine Frau in Latein.

Der Wärter grinste böse. »Damit werdet ihr aneinandergefesselt. Falls ihr Pläne gemacht habt, einfach wegzurennen, das könnt ihr vergessen.«

Fidelma fasste Valretrade am Arm und zog sie in die Reihe. Auf Burgundisch und Latein wurden Anordnungen erteilt. Von Fidelma gedrängt, fragte Valretrade: »Werden wir auf Planwagen verladen?«

»Wagen für Sklaven! Wo gibt es denn so was?« Der Mann lachte. »Nein, meine Dame, ihr werdet hübsch zu Fuß zum Fluss wandern. Und von dort geht’s mit einer lustigen Bootsfahrt weiter.«

Fidelma frohlockte innerlich. Das hieß, es würde sich eine Gelegenheit zur Flucht bieten, wenn sie durch die engen Straßen und Gassen der Stadt getrieben wurden. Nur die Handschellen würden hinderlich sein. Sie versuchte, die Vorgehensweise des Wächters zu ergründen, der eine Handschelle am rechten Handgelenk einer Frau befestigte und die andere Schelle um das linke Handgelenk einer anderen legte.

Sie begriff, dass er das nicht aufs Geratewohl tat. Er wählte jeweils eine stärkere und eine schwächere, die er aneinanderkettete. Der Kerl war nicht dumm. Unmittelbar vor ihr stand eine stämmige, robust aussehende Frau, die der Wärter gerade musterte. Fidelma setzte alles auf eine Karte.

»Ich möchte mit der hier zusammengeschlossen werden«, sagte sie, trat einen Schritt vor und zeigte auf die Frau.

Der Wächter starrte sie einen Moment an und lachte los, griff sich Valretrades Arm, die dicht hinter Fidelma stand, legte ihr eine Handschelle an und schnappte die andere um Fidelmas Handgelenk. »Du denkst wohl, es gelingt leichter, mit einer abzuhauen, die so kräftig ist, wie die da.« Hohntriefend fügte er hinzu: »Wer mit wem zusammengeschlossen wird, bestimme ich.« Und damit schob er sie in die Reihe.

Valretrade hatte nicht durchschaut, was vor sich gegangen war. »Warum wolltest du ausgerechnet an die gekettet werden?«, fragte sie flüsternd.

»Wollte ich nicht, ich musste vielmehr sichergehen, mit dir zusammengeschlossen zu werden. Der Wärter hat gezielt ausgesucht, wen er an wen koppelt; von sich aus hätte er uns womöglich nicht zusammengetan.«

Valretrade leuchtete das immer noch nicht ein.

»Er wollte vermeiden, dass zwei robuste und tatkräftige Frauen beieinander sind«, erklärte ihr Fidelma geduldig. »Ich musste ihn ablenken und tat deshalb so, als wollte ich mit einer Frau zusammengehen, die stämmig und energisch aussieht. Das verblüffte ihn, und er machte genau das, was ich bezweckt hatte. Er sah nur, dass du schmächtiger bist als die, auf die ich zeigte, und glaubte, meine Absicht zu vereiteln.«