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Fidelma verzog das Gesicht. »Beretrude macht sich eines Verbrechens schuldig, sie verkauft Angehörige des domus feminarum in die Sklaverei. Wenigstens kann ich jetzt klären, wie das vor sich gegangen ist.«

»Sie verfügt über eine große Schar Krieger«, warnte Ea-dulf, den ihre Feststellung nicht überraschte. »Was hast du vor?«

»Sind Segdae und seine Leute noch in der Abtei?«

»Ich habe ihn gebeten, dort zu bleiben und zu niemandem etwas zu sagen, bis ich mit dir gesprochen habe. Ich würde ihn dann wissen lassen, was zu tun sei.«

»Hast du die Antwort auf meine Frage gefunden?«

»Über Benen mac Sesenen?« Eadulf wunderte sich, wie rasch sie das Thema wechselte. »O ja. Deine Vermutung war richtig, er hatte noch einen lateinischen Namen.« »Sein lateinischer Klostername war Benignus, nicht wahr?«

Eadulf stutzte einen Moment, ehe er bestätigte: »Stimmt.« Bedächtig wiegte Fidelma den Kopf. Alles schien zueinanderzupassen.

»Bischof Leodegar - wie hat er eure Nachricht über mein Verschwinden aufgenommen? War er besorgt - oder meinst du, er hat gewusst, was sich in der Villa abspielt?« Eadulf überlegte kurz. »Er versteht es gut, seine Gefühle zu beherrschen. Wahrscheinlich machte er sich mehr Gedanken darüber, wie Nuntius Peregrinus sich verhalten würde, wenn er erführe, du seist plötzlich verschwunden. Doch genug der Fragen. Erzähl mir erst einmal, was dir zugestoßen ist.«

Sie schilderte ihm so gedrängt wie möglich, was sie erlebt hatte. Als sie Verbas von Peqini erwähnte, verfinsterte sich seine Miene.

Dann kam sie zu dem, was sie vorhatte: »Ich bin in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, Eadulf, und muss mich ganz und gar auf dich verlassen. Heute Nacht muss ich im Schutze der Dunkelheit unbemerkt in die Abtei gelangen. Abgesehen von Abt Segdae und seinen Begleitern, wissen wir nicht, wer dort Freund und wer Feind ist. Wir müssen auf alles gefasst sein.«

Entschuldigend blickte sie zu Valretrade, denn bisher hatte sie mit Eadulf Gälisch geredet, wie sie es immer taten, wenn sie unter sich waren. »Ich denke, wir können uns darauf verlassen, dass uns Bruder Sigeric unterstützt.«

Bei der Nennung des Namens schaute Valretrade auf. »Sigeric? Ist ihm etwas zugestoßen?«, fragte sie auf Latein.

Eadulf beruhigte sie. »Er ist wohlauf, vergeht aber fast vor Kummer um dich.«

»Morgen früh will ich den Versuch unternehmen, all die düsteren Vorkommnisse aufzuklären«, sagte Fidelma. »Bereits morgen früh?«, fragte Eadulf verwundert. »Bis dahin soll alles klar sein?«

»Ja, einige Dinge vorausgesetzt: Zuallererst musst du zur Abtei zurückkehren und Abt Segdae ins Bild setzen. Sobald es dunkel ist, muss er mich in die Abtei schmuggeln. Valretrade kommt mit mir. Außer Segdae darf niemand etwas von unserer Rückkehr erfahren. Du aber wirst dir ein Pferd beschaffen und zu Chlothar reiten. Du musst ihn mitsamt seinen Kriegern in die Abtei bringen, ohne dass jemand etwas merkt. Und gib acht, dass Guntram mitkommt.«

»Fünfzig Krieger? Wie sollen die unbemerkt in die Stadt einziehen und dann noch in die Abtei?«

»Dabei wird Bruder Sigeric eine wichtige Rolle spielen.

In den Teil des Plans musst du Chlothar besonders gründlich einweihen. Setz dich auch gegen Ebroin durch. Ich bin sicher, er wird allerlei Einwände haben. Er mag dem König vollkommen ergeben sein, aber Feingefühl ist seine Sache nicht.«

»Also, was habe ich zu tun?«

»Wie du weißt, liegt die Abtei in der Südwestecke der Stadt und grenzt an die Stadtmauer. Du erinnerst dich doch, dass Sigeric uns von dem unterirdischen Gang erzählt hat, der von den Gewölben unter der Kapelle ins Freie führt. Die Tür, durch die man von der Stadtmauer aus in den Gang hineinkommt, lässt sich nur von innen öffnen. Ich werde Sigeric bitten, sie noch vor dem Morgengrauen aufzumachen. Du schaffst Chlothar und seine Mannen genau an diese Stelle. Wirst du sie finden?«

»Das schon, wenn Sigeric sie mit einer Laterne genau bezeichnet.«

»Guter Hinweis. Das soll geschehen.«

»Aber woher bekomme ich ein Pferd, um zu Guntrams Festung zu reiten?«

»Ageric, hast du ein gutes Pferd?«, wandte sich Fidelma an den Schmied. »Oder weißt du, wo sich eins auftreiben lässt?«

»Mein Bruder ist auch Hufschmied, und er hat Pferde. Seine Schmiede liegt vor der Stadt an der Straße zu Guntrams Festung.«

»Wie weit ist es bis dahin?«

»Nur geradeaus nach Südwesten, da wo der Wald beginnt. Gut zu erreichen, ein kurzer Fußmarsch nur. Clodomar heißt mein Bruder.«

Zufrieden sah Fidelma zu Eadulf. »Da hätten wir schon ein Quäntchen Glück. An Clodomars Schmiede sind wir vorbeigekommen. Du erinnerst dich, wo das war?«

Er nickte, und sie redete weiter mit Ageric, der sie erwartungsvoll anschaute. »Deinem Bruder kann man doch ein Geheimnis anvertrauen, oder?«

»Ist schließlich mein Bruder«, erwiderte Ageric. »Aber ich werde deinen Freund begleiten und dafür sorgen, dass alles glattgeht.«

»Es ist ganz entscheidend, dass du mit Chlothar noch vor der Morgendämmerung an der Tür in der Stadtmauer bist«, schärfte sie Eadulf ein. »Sobald ihr in dem Gang seid, wird euch Sigeric durch die Nekropolis zur Kapelle geleiten. Das muss genau zu dem Zeitpunkt geschehen, wenn sich alle zur Morgenandacht versammelt haben. Die Krieger sind darauf einzuschwören, sich notfalls auch mit Gewalt zu behaupten.«

»So ganz durchschaue ich dein Vorhaben nicht,« gestand Eadulf, »aber ich werde Chlothar alles übermitteln, darauf kannst du dich verlassen.«

Fidelma machte eine um Verständnis bittende Geste.

»Was ich plane, ist Folgendes: Die Morgenandacht wird sowohl von den Mönchen als auch von den Nonnen der Abtei besucht. Bei dieser Gelegenheit gedenke ich, das Geheimnis zu lüften, das alle umfängt. Ich werde die Kapelle als Gerichtssaal nutzen und dort sprechen, so wie ich es zu Hause vor den Brehons mache. Zuvor werde ich Valretrade bitten, mir den Ort zu zeigen, an dem sie überwältigt und entführt wurde. Denn in dem Sarkophag hoffe ich noch ein Beweisstück zu finden. Kannst du mir soweit folgen?«

»Was aber, wenn Bischof Leodegar dir nicht erlaubt, in der Kapelle zu reden?«

»Er wird nicht umhinkönnen, denn ich werde Nuntius Pe-regrinus in meine Überlegungen einweihen. Leodegar kann mir nicht vor allen verbieten, meine Darlegungen vorzutragen, denn er selbst hat mir den Auftrag erteilt, in dieser Sache zu ermitteln. Der König wird anwesend sein, und auch er wird hören wollen, was meine Nachforschungen ergeben haben. Noch wichtiger aber ist, dass seine Krieger einschreiten, falls jemand mein Vorhaben vereiteln will.«

»Dennoch, es kann auch schiefgehen«, meinte Eadulf skeptisch.

»Nicht, wenn jeder den ihm zugedachten Part gut spielt.« Zuversichtlich schaute sie in die Runde.

»Machen wir uns also an die Arbeit«, ermunterte sie die Anwesenden. »Audentes fortuna iuvat. Das Glück ist den Wagemutigen hold, und wir müssen es wagen. Morgen früh, wenn alles gutgeht, können wir den Vorgängen ein Ende bereiten, die diese Stadt und die Abtei in Angst und Schrecken versetzt haben.«

KAPITEL 22

Der Morgen dämmerte, als Fidelma und Valretrade in Begleitung von Abt Segdae und den anderen Gesandten aus Hibernia die Kapelle betraten. Erstaunte und auch erzürnte Blicke der Mönche folgten ihnen auf ihrem Weg nach vorn, wo sie Platz nahmen. Empörtes Raunen machte sich breit. Ähnlich lautstarkes Missfallen wurde auch hinter der Trennwand geäußert, wo Audofleda mit ihren Nonnen saß. Einen kurzen Moment fragte sich Fidelma, was wohl in den Köpfen der Äbtissin und Schwester Radegunds vorgegangen sein mochte, als sie Fidelma und Valretrade erblickten. Sie würde es bald wissen.