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»Und nun bist du die Frau von diesem Raleigh?« fragte Enkidu.

Sie lachte. Es klang wie das gefährliche, amüsierte Schnurren einer Löwin. »Der? Aber nein, obwohl es Schlimmeres gäbe! Nein, wir reisen nur gemeinsam. Er hält mich für unkeusch, für unrein. Für noch Übleres. Er nennt mich einen weiblichen Sukkubus. Die Babylonische Hure nennt er mich, dabei war ich nie in meinem ganzen Leben in Babylon. Ich bin eben leider nicht englisch, das ist das ganze Problem. Er mag eben nur englische Frauen, dieser Raleigh.«

»Und dennoch läßt er dich mit ihm ziehen?«

»Ich war eine Maid in Bedrängnis. Er fand mich verlassen im Outback — ich zog damals mit einem anderen Engländer herum, einem Lord, recht süß, aber ein bißchen seltsam — Byron hieß er, ein Dichter, der schrieb gerade an einer neuen Mas über mich, sagte er, aber eine Bande von Derwischen hat ihn niedergemetzelt. Unsere ganze Gruppe wurde ermordet. Nur ich entkam, und Raleigh fand mich und nahm sich meiner an, weil er ein dermaßen galanter Mann ist, auch wenn er mich verachtet. Und dann bin ich eben bei ihm geblieben, weil ich hoffte, daß er den Weg ins Land der Lebenden finden würde, den er sucht.«

»Das Land der Lebenden?«

»Ich habe diese Nachwelt satt, Enkidu! Ich möchte so gern wieder wirklich sein.«

»Aber wir sind doch hier und wirklich, Herrin.«

»Ach, du weißt schon, was ich meine. Ich möchte an einem Ort leben, wo alles einen gewissen Sinn hat, wo die Flüsse nicht bergauf fließen, wenn ihnen gerade danach zumute ist, und wo die Städte nicht herumziehen wie Kähne auf einem See.«

»Ja, ich weiß, was du meinst«, sagte Enkidu. »Und ich habe ebenfalls diesen Wunsch. Ich würde selbst ins Land der Lebenden ziehen, wenn ich den Weg finden könnte.«

»Wir könnten ihn gemeinsam finden, Enkidu.«

»Was? Wie?«

»Weißt du, wo Brasil liegt? Die Zauberinsel?«

Er nickte nicht ganz überzeugt. »Eine ziemliche Strecke die Küste abwärts, glaube ich.«

»Ah, du warst nicht dort?«

»Ich selbst nicht, obschon ich einmal dort ganz in der Nähe war. Aber Gilgamesch war da.«

»Der Weg ins Land der Lebenden ist in Brasil.«

Enkidu starrte sie an. »Weißt du das bestimmt?«

»Jemand hat es Raleigh glaubwürdig versichert. Ein Mann, der es zu wissen schien. Ich habe es auf seiner Landkarte mit einem flammenden Zeichen eingezeichnet gesehen. Und er zog in diese Richtung, als uns die Vorräte ausgingen. Und nun ist ihm das Verlangen abhanden gekommen, dort hinzugehen. Mir aber nicht. Du und ich, Enkidu, du und ich, wir könnten Brasil erreichen, wir könnten das Geheimnis durchdringen, wir könnten durch dieses Tor gehen…«

»Das glaubst du?«

»Ich weiß es.« Sie bog sich zu ihm herauf und züngelte verführerisch über ihre Lippen, und sie lachte, und diesmal war es nicht das Knurren eines Löwenweibchens, sondern eher ein Schnurren. »Wir könnten hinfinden, du und ich, das weiß ich.« Wieder fühlte er ihre Hitzigkeit. Sie hatte den Glutofen wieder entzündet. »Nun, Enkidu?«

Und diesmal zauderte er nicht. Seine Hände legten sich auf ihre Brust. Und sie bedeckte sie mit ihren eigenen Händen. Das gurrende Schnurren wurde stärker in seinen Ohren, bis es ihm wie ein Dröhnen war, und dann brach sie über ihn herein wie ein Strom feuriger Lava.

Keiner war noch bei Gilgamesch im Audienzsaal, außer Vy-otin und Herodes und einigen Wachen. Er hätte gern Enkidu ebenfalls bei sich behalten, doch dieser war an der Seite von Helena davongeeilt, ehe Gilgamesch ihm ein Zeichen hatte geben können, und er war nicht herzlos genug, ihn zurückzurufen. Aber er ließ nach Magalhaes senden und nach dem Haarmenschen.

»Also?« fragte er, während er darauf wartete, bis sie kamen. »Was haltet ihr von diesem Raleigh?«

»Ein außergewöhnlicher Mann«, sagte Herodes. »Gescheit und voll von Ränken. Ein großer Führer und ein großer Verführer und Schwindler, das ist es, was ich glaube.«

»Er lügt nicht mehr, als er unbedingt muß«, sagte Vy-otin. »Ich sprach mit ihm, ehe er hier hereinkam. Es lag in der Natur seines Landes, daß große Männer Gefahr liefen, außer wenn sie eine glatte sanfte Zunge führten. Diese Elizabeth, die er so zu verehren scheint, war in ihrem Erstleben ein gefährliches Weib und ließ andauernd ihren bevorzugtesten Höflingen die Köpfe abschneiden, aber diesem Raleigh gelang es, den seinen zu behalten. Doch der König, der nach dieser Frau auf den Thron kam, steckte ihn für ein Dutzend Jahre oder so ins Gefängnis und ließ ihn dann schließlich trotzdem umbringen.«

Gilgamesch runzelte die Stirn. »Weshalb tat er das? Mir erscheint das ein schrecklich unnötiger Aufwand zu sein.«

»Der Grund war irgendeine Expedition, die fehlschlug und die Nation teuer zu stehen kam, und Gerüchte, daß er mit dem König eines anderen Landes konspiriert haben soll, was dieser Raleigh mir gegenüber bestritt. Aber in Wahrheit, glaube ich, hat der König ihn aus purer Ranküne beseitigen lassen, weil er ein zu gescheiter und zu aufmüpfiger Kopf war.«

»Aber einen Mann von solchen Qualitäten deswegen ermorden zu lassen — sie müssen ein recht barbarischer Volksstamm gewesen sein, diese Englischen«, sagte Gilgamesch.

»Wir Leute aus dem Pleistozän«, sagte Vy-otin mit einem schiefen Grinsen, »waren wirklich die echten letzten Zivilisierten. Wir aus dem Aurignac, wir Archetypen. Es hat etwas recht Positives, zwischen Gletschern in einer Eiszeit zu leben und zwischen den wollzottigen Mammuts, die aus dir einen anständigen Menschen machen und dich mit Kleidung versorgen. Aber seit damals ging es die ganze Zeit nur bergab mit dem Menschengeschlecht. Die Menschenrasse begann zu verderben wie eine Frucht, die zu faulen beginnt, als die Welt sich erwärmte, versteht ihr?«

Herodes lachte. »Wie könnten wir dir da etwas dagegen halten? Du verfügst über eine Perspektive von zwanzigtausend Jahren. Aber vielleicht könnte uns unser Freund, der Haarige Mann, sagen, daß sein Volk den Gipfel der Schöpfung darstellt, und das deinige war nur ein Haufen von zottelfellbedeckten, Hackbeile schwingenden Kerlen mit verrotzten Nasen. Was sagst du dazu, Henry Smith? Heh, was sagst du dazu?«

Vy-otin nickte ihm höflich zu. »Natürlich waren sie zivilisiert, die Haarigen. Genau wie wir. Beim Stoßzahn und den Hörnern Gottes, es seid doch ihr Spätlinge allesamt, ihr Sumerer und Babylonier und Griechen und Römer, die es nicht verdienen, daß man sie…«

»Und Juden«, sagte Herodes. »Vergiß mir nicht die Juden. Wir sind die allerschlimmsten Missetäter. Wir sind so üble Barbaren, daß du uns nie hättest dazu bringen können, Mammutfleisch zu essen.«

»Weshalb nicht? Hast du es je versucht?«

»Buddha behüte mich!« rief Herodes und bekreuzigte sich. »Mammutfleisch? Das ist nicht koscher! Unser Gott verbietet uns, dieses Zeug jemals zu berühren!«

»Nun, dann erklärt das, weshalb ich im Pleistozän keinen Juden begegnet bin«, sagte Vy-otin. »Die müssen alle im Zustand großer Heiligkeit verhungert sein. Es gab damals nämlich sonst nichts zu essen, mußt du wissen. Hin und wieder einen seltenen Säbelzahntiger oder ein vereinzeltes Nashorn, aber das Mammut, das war unser Ding, mein Junge, die prachtvollen alten kollernden Kerle mit ihrem roten wolligen Fell…« Er lachte und sah zu Gilgamesch hinüber. »Was hast du mit diesem Raleigh vor? Willst du ihn hierbehalten?«

»Für ein Weilchen. Um Enkidus willen.«

»Wegen Enkidu?«

»Das Tor zum Land der Lebenden, das dieser Raleigh angeblich sucht, fasziniert Enkidu tief, dieser Zugang. Vielleicht kann Raleigh uns etwas darüber sagen.«

»Gibt es denn sowas?« fragte Vy-otin. »Seit hundert etlichen Jahren habe ich hier immer wieder Geschichten davon gehört. Aber keinem schien es je gelungen zu sein, es zu finden, dieses Tor, und ich habe auch nie einen getroffen, der einen klaren Begriff gehabt hätte, wo es sein könnte.«