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Klim lächelte spöttisch.

»Es ist doch ein wenig eigentümlich, daß Dronow und dieser verwilderte, schwachköpfige Makarow deine Freunde sind. Du bist ihnen so unähnlich. Du sollst wissen, daß ich auf deine Vernunft vertraue und nicht etwa für dich fürchte. Mir scheint nur, dich zieht ihre Genialität an. Aber ich bin überzeugt, diese Genialität ist nichts als Frechheit und Geriebenheit.«

Klim nickte zustimmend. Ihm gefielen die Worte der Mutter sehr. Er erkannte an, daß Makarow, Dronow und einige andere Gymnasiasten in Worten gescheiter waren als er, war aber überzeugt, klüger zu sein, nicht in dem, was er sagte, sondern irgendwie anders, solider, innerlicher.

»Natürlich, auch Pfiffigkeit ist eine Tugend, aber von zweifelhafter Art, häufig wird sie, milde gesprochen, zur Unredlichkeit«, fuhr die Mutter fort, Klim behagten ihre Worte immer mehr. Er stand auf, umschlang innig ihre Taille, ließ aber sogleich wieder los: er hatte plötzlich, zum erstenmal, in seiner Mutter die Frau gefühlt. Dies verwirrte ihn so, daß er die zärtlichen Worte, die er ihr sagen wollte, vergaß und sogar eine Bewegung von ihr weg machte, aber die Mutter legte selbst ihren Arm auf seine Schulter, zog ihn an sich und sagte etwas über den Vater, über Warawka und die Motive für ihren Bruch mit dem Vater.

»Ich hätte dir das alles schon längst sagen müssen«, vernahm er, »aber ich wiederhole, da ich weiß, wie aufgeweckt und nachdenklich du bist, hielt ich es für überflüssig.«

Klim küßte ihr die Hand.

»Gewiß, Mama, es ist unnötig, davon zu sprechen. Du weißt, ich verehre Timofej Stepanowitsch sehr.«

Er empfand eine Erregung, die ihm neu war. Vor dem Fenster gischtete lautlos dichte weiße Trübe. Im milden, farblosen Dämmerlicht des Zimmers schienen alle Gegenstände gleichsam in tiefstes Sinnen versunken und verblaßt. Warawka liebte Gemälde, Porzellan. Nach des Vaters Fortgang hatte alles im Hause sich bis zur Unkenntlichkeit verändert, war behaglicher, schöner und wärmer geworden. Die schlanke Frau mit dem mageren stolzen Gesicht war dem Jüngling nie so innig nahe gerückt wie in diesem Augenblick. Sie sprach zu Klim wie zu einem Gleichgestellten, bestechend freundschaftlich, und ihre Stimme klang ungewöhnlich weich und klar.

»Mich beunruhigt Lida«, sagte sie, während sie mit ihrem Sohn in gleichem Schritt auf und ab wandelte, »dieses Mädchen ist anormal und von ihrer Mutter her erblich schwer belastet. Erinnere dich an die Geschichte mit Turobojew. Natürlich, es war eine Kinderei, aber... Und zwischen ihr und mir besteht auch nicht ein solches Verhältnis, wie ich es wünschte.«

Sie blickte ihrem Sohn in die Augen und fragte lächelnd:

»Du bist doch nicht in sie verliebt? Ein wenig, wie?«

»Nein«, antwortete Klim fest.

Nachdem sie in mißbilligendem Ton noch einiges über Lida gesprochen hatte, fragte sie, vor dem Spiegel stehen bleibend:

»Du kommst gewiß mit deinem Taschengeld nicht aus?«

»Ich habe reichlich.«

»Du Lieber«, sagte die Mutter, umarmte ihn und küßte ihn auf die Stirn. »In deinem Alter braucht man sich gewisser Wünsche nicht mehr zu schämen.«

Da verstand Klim den Sinn ihrer Frage nach dem Geld, errötete tief und wußte nicht, was er ihr erwidern sollte.

Am Nachmittag suchte er Dronow im Zwischenstock auf. Dort stand an den Ofen gelehnt bereits Makarow, blies Rauchwolken gegen die Decke und glättete mit dem Finger den dunklen Schatten auf seiner Lippe, während Dronow mit untergezogenen Füßen, in der Stellung eines Schneiders auf dem Bett hockte und weinerlich jemand drohte:

»Ihr lügt! Ich komme doch noch auf die Universität!«

Gleich hinter Klim öffnete die Tür sich noch einmal. Auf der Schwelle erschien Lida. Sie blinzelte und fragte:

»Hier werden wohl Fische geräuchert?«

Dronow rief grob:

»Tür zu! Es ist nicht Sommer!«

Makarow verbeugte sich schweigend vor dem Mädchen und zündete sich am Zigarettenstummel eine neue an.

»Was für ein schlechter Tabak«, sagte Lida. Sie ging zum vom Schnee verklebten Fenster, blieb dort, allen das Profil zuwendend, stehen und begann Dronow auszufragen, weshalb man ihn davongejagt habe. Dronow stand ihr widerwillig und wütend Rede und Antwort. Makarow bewegte seine Brauen, zwinkerte und fixierte durch den Rauchschleier die kleine dunkelbraune Figur des Mädchens.

»Warum gibst du dumme Bücher zum Lesen weiter, Iwan?« sagte Lida. »Du hast Ljuba Somow »Was tun«Programmatischer Roman eines Begründers der Volkstümler-Bewegung, N. G Tschernysehewskis. D. Ü. geliehen. Aber das ist doch ein ganz dummer Roman. Ich habe versucht, ihn zu lesen, und es wieder aufgegeben. Er ist nicht zwei Seiten von Turgeniews ›Erste Liebe‹ wert.«

»Junge Mädchen lieben das Süßsäuerliche«, sagte Makarow und, selbst verlegen über seinen ungeschickten Ausfall, begann er heftig die Asche von seiner Zigarette abzublasen. Lida würdigte ihn keiner Antwort. In dem, was sie gesagt hatte, hörte Klim den Wunsch, jemand zu verwunden, und fühlte auf einmal sich selbst getroffen, als sie schnippisch erklärte:

»Ein Mann, der eine Frau einem anderen abtritt, ist natürlich ein Waschlappen.«

Klim rückte seine Brille zurecht und bemerkte lehrhaft:

»Indessen, wenn man die Geschichte der Beziehungen Herzens ins Auge faßt ...«

»Des Schönredners ›Vom anderen Ufer‹?« fragte Lida. Makarow lachte, drückte die Zigarette an einer Ofenkachel aus und schleuderte das Mundstück zur Tür.

»Weshalb belustigt Sie das?« fragte herausfordernd das junge Mädchen. Einige Minuten später wiederholte sich die Szene im Stadtpark. Doch heute spielten sowohl Makarow als auch Lida sie in schroffem Ton.

Klim, der ihrem Streit angestrengt folgte, hörte, daß sie sich zwar bekannte Worte zuschrien, daß aber der Zusammenhang dieser Worte unfaßbar war, und ihr Sinn von jedem der Streitenden auf seine Weise entstellt wurde. Es gab im Grunde gar nichts zu streiten, doch sie stritten erbittert, rot, mit fuchtelnden Händen. Klim erwartete, daß sie sich im nächsten Augenblick beschimpfen würden. Die raschen, harten Bewegungen Makarows erinnerten Klim fatal an das krampfhafte Zappeln der Hände des ertrinkenden Boris Warawka. Lidas großäugiges Gesicht verwandelte sich in jenes neue, fremde Antlitz, das dunkle Unruhe erregte.

»Nein, sie sind nicht verliebt«, überlegte Samgin, »Sie sind nicht verliebt, das ist klar.«

Dronow verfolgte vom Bett aus die Streitenden mit irren Augen. Er wiegte sich leise. Sein flaches Gesicht verzog sich von Zeit zu Zeit zu einem mitleidigen Lächeln.

Plötzlich riß Lida sich von ihrem Platz los und ging hinaus, wobei sie die Tür heftig zuschlug. Makarow wischte sich die schweißnasse Stirn und sagte blasiert:

»Wütend ist die.«

Er brannte sich eine Zigarette an und fügte hinzu:

»Aber gescheit. Na, auf Wiedersehen.«

Dronow grinste ihm nach und streckte sich auf dem Bett lang aus.

»Die zieren sich. Verstellen sich«, begann er leise hinter bedeckten Augen. Dann fragte er Klim, der am Tisch saß, in grobem Ton:

»Hast du Lida gehört? Sie hat dreist erklärt, in der Liebe gibt es kein Mitleid. Was? Die wird vielen den Hals umdrehen.«

Dronows roher Ton empörte Klim nicht, seitdem Makarow einmal gesagt hatte:

»Wanjka ist im Grunde eine ehrliche Haut. Er ist nur darum so roh, weil er nicht wagt, anders zu reden, aus Furcht, sich lächerlich zu machen. Die Roheit ist bei ihm ein Abzeichen seines Handwerks, wie beim Feuerwehrmann der alberne Helm.«

Dronow horchte auf das Heulen der Windsbraut im Ofenrohr und fuhr mit der gleichen, tristen Stimme fort:

»Ich bin mit einem Telegraphisten bekannt. Er bringt mir das Schachspielen bei. Er spielt blendend. Er ist noch nicht alt, vielleicht vierzig, aber schon kahl wie der Ofen dort. Der hat mir über die Weiber gesagt: »Aus Höflichkeit sagt man Weib. Wenn man ehrlich sein will, muß man Sklavin sagen. Das Gesetz der Natur hat sie zum Gebären bestimmt, sie zieht aber das Huren vor.«